Bespoked Dresden 20237 Custombikes von der Messe für Rahmenbau

Jörg Spaniol

 · 19.11.2023

Mission Schwerkraft: Suba Flow
Foto: Jörg Spaniol
Die BESPOKED-Messe in Dresden war Mitte Oktober wieder Treffpunkt für Tüftler, Manufakturen und Rahmenbauer, um dem individuellen Mountainbike zu huldigen. Extreme Geometrien, innovative Fahrwerke und viel, viel Farbe: Auf der BESPOKED zeigt die Szene eine Radkultur abseits des Mainstreams. BIKE mischte sich unters Publikum.

Kreativ und anders: Auf der BESPOKED-Messe wird traditionell dem individuellen Mountainbike gehuldigt. Hier zeigen Tüftler, was abseits des Fahrrad-Mainstreams mit pfiffigen Ideen, kreativer Handwerkskunst und viel harter Arbeit noch so geht. Und das ist einiges. Das Publikum und BIKE-Reporter Jörg Spaniol nutzten in Dresden die Chance zu einer Kreuzfahrt im Universum der technischen und ästhetischen Möglichkeiten.

Federweg, Gewicht & Elektronik - doch da ist mehr, was Radfahrer interessiert

Mehr Federweg, weniger Gewicht, überall Elek­tronik … Im Carbon-Zeitalter definieren vor allem große Firmen den Stand der Technik. Doch offensichtlich ist das nicht alles, was Radfahrer interessiert: Die BESPOKED-Messe in Dresden feierte Mitte Okto­ber das individuelle Fahrrad. Etwa hundert Rahmenbauer und Manufakturen zelebrierten das sportliche Rad als Kulturgut und technisches Kunstobjekt. Dabei ist die BESPOKED keine reine Rahmenbauer-Show für Maßanfertigungen oder extrem raffinierte Custombikes. Die Mindestanforderung an die Aussteller: ein eigener Rahmenbau durch die Marke selbst. Schon das ist in Zeiten der Globalisierung ein unkonventioneller Ansatz.

Alles, außer gewöhnlich: Auf der BESPOKED-Messe zeigen Fahrradbauer, was geht - technisch und ästhetisch.Foto: Jörg SpaniolAlles, außer gewöhnlich: Auf der BESPOKED-Messe zeigen Fahrradbauer, was geht - technisch und ästhetisch.

Doch neben einigen Manufakturen mit Kleinserienfertigung glänzten vor allem die Schmuckstücke der handwerklichen Rahmenbauer. Die Szene hat sich gewandelt. Die aktuellen Rahmen­kreationen sind technisch auf dem Stand der Zeit und bedienen eher Sonderwünsche als Bikerinnen und Biker mit besonderen Proportionen.

Der 3D-Druck in Metall eröffnet kleinen Anbietern dabei neue technische und ästhetische Möglichkeiten. Stahl und Titan, Aluminium und Carbon mischen sich in Rädern mit eigenem Look und ausgefuchsten Details. Während vollgefederte Bikes wegen der technisch festgelegten Lage der Drehpunkte kaum Spielraum für Maßanfertigungen bieten, experimentieren die Rahmenbauer bei Trailhardtails oder Adventurebikes mit Details und Geome­trien.

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Keramische Oberflächen oder künstlerische Handlackierungen erlauben Designs für jeden Geschmack – und jedes ausreichend große Budget. Doch nicht alle auf der BESPOKED gezeigten Räder sind betriebswirtschaftlich durchkalkuliert. Oft leben Designer, Techniker, Enthusiasten ihre Leidenschaft aus, ohne wirklich auf den Preis zu schauen. In vielen Fällen sind es eher Handwerk und Ideen als Gramm und Euro, was zählt.

Flexibler Stahl: Suba Flow

Mit seiner Marke SUBA ist der Katalane Benjamin Capéran ein typischer Vertreter der Bike-Kons­trukteure, die mit eigenen Mitteln neue Fahr­werks­kons­truktionen erforschen. Den einigermaßen komplizierten VPP-Hinterbau mit hohem Drehpunkt ergänzt eine hoch angelegte Bremsmomentabstützung (hellblaue Strebe am Hinterbau). Außer den Getrieben von Pinion und Effigear lassen sich auch übliche Kettenschaltungen montieren. Benjamin und seine Partnerin betreiben den Rahmenbau hauptberuflich – im Unterschied zu vielen anderen Ausstellenden. Neben dieser Neukonstruktion haben sie diverse Hardtails und Gravelbikes im Programm. Immer aus Stahl, immer made in Barcelona.

Mission Schwerkraft: Suba Flow
Foto: Jörg Spaniol

Keine Kompromisse bei Huhn Cycles

Ralf Holleis, der Mann hinter Huhn Cycles kümmert sich als hauptberuflicher Industrie-Designer eigentlich nicht um Bikes. Doch als leidenschaftlicher Rahmenbauer ist er ein Pionier des 3D-Drucks von Rahmenteilen in Stahl und Titan. Die kommen auch beim unten gezeigten Jersey Giant zum Einsatz. Normalgroße schaffen es bei diesem Rad ohne Schemel kaum auf den Sattel: Es ist ein Unikat für einen 2,06 Meter großen Kunden und rollt auf 36-Zoll-Laufrädern, die für Touren-Einräder produziert wurden. Zusammen mit der extra­langen Intend-Gabel und diversen anderen Delikatessen kostete es den Käufer etwa 14.000 Euro. Doch der ist froh, endlich ein proportional passendes Bike zu fahren.

Huhn Cycles: Enorm und wohlproportioniert: Dieses Riesen-Rad rollt auf 36-Zoll-Laufrädern.
Foto: Jörg Spaniol

Auffällig unauffällig: Feride mag es schlicht

Sie sehen, dass Sie nichts sehen: Das Trailfully der kleinen oberbayerischen Schmiede Feride sieht so schlicht aus, wie es nur gedankenlos oder eben besonders sorgfältig gemachte Produkte tun. „Man muss sehr lange nachdenken, damit es so simpel aussieht“, sagt FERIDE-Macher Matthias Blümel. Von den innen verlegten Zügen bis zum nachstellbaren Schwingen­lager hat Blümel sich um die weniger sichtbaren Details gekümmert. Auch, dass die Verbindung zwischen Sitz- und Oberrohr parallel zum Röhrchen der vorderen Dämpferaufnahme läuft: kein Zufall. Matthias Blümel ist Ingenieur, unter anderem für Leichtbau. Hauptberuflich arbeitet er für seine E-Bike-Marke Electrolyte und andere, doch bei Projekten wie diesem lebt er seine Konstrukteursleidenschaft aus.

Die Custom-Schmiede Feride 
ist für den Ingenieur
 Matthias Blümel so etwas wie 
ein professionelles Hobby.Foto: Jörg SpaniolDie Custom-Schmiede Feride ist für den Ingenieur Matthias Blümel so etwas wie ein professionelles Hobby.Eigentlich unbezahlbar: Frästeile wie diese Umlenkwippe wären, in Technikerstunden abgerechnet, in Kleinstserie nicht darstellbar. Für viele Aussteller geht es beim Rahmenbau auch um Leidenschaft und Schaffensdrang.Foto: Jörg SpaniolEigentlich unbezahlbar: Frästeile wie diese Umlenkwippe wären, in Technikerstunden abgerechnet, in Kleinstserie nicht darstellbar. Für viele Aussteller geht es beim Rahmenbau auch um Leidenschaft und Schaffensdrang.

Eigene Wege bei Auckland Cycleworks

Schade, aber das vielleicht wichtigste Werk von Auckland Cycleworks Hinterbaukonstruktion zum Patent angemeldet, bei der im Sitzen nur zwei Drittel des Federwegs aktiv sind – ohne Umschalten und anfällige Hebeleien. Bis zur Saison 2024 will der enthusiastische Tüftler damit am Start sein, der Prototyp ist auf seiner Website zu sehen. Das Foto-Bike nennt Gary ein „Big Mountain Enduro“. Es soll nicht nur abwärts überzeugen, sondern Selbsttreter effizient und ohne Pedalrückschlag an den Start anspruchsvoller Trails bringen.

Gary Ewing baut in Nordengland Bikes für überwiegend grobes Geläuf.
Foto: Jörg Spaniol

Konsequent einzigartig: Dlouhy

Nein, keine Namen. Nur so viel: Der künftige Besitzer dieses Bikes ist Produkt-Manager einer sehr großen Bike-Marke. Er hätte Zugriff auf Regale voller Carbon und Hightech. Trotzdem hat er sich für den privaten Spaß ein Maßrad von Marko Vogel und Jan Dlouhy bauen lassen. Kein Showbike, sondern ein diskretes Edelteil mit raren Zutaten, Maßgeometrie und fetten 3-Zoll-Reifen. Das sachkundige Publikum der Show strich versonnen über die gerundeten Lötstellen, hob die Augenbrauen angesichts der seltenen Eloxalteile und der geschweißten Titankurbeln. Währenddessen schlenderte der Auftraggeber mit glänzenden Augen durch die bunte Welt der Custombikes umher.

Individueller geht es kaum: ein auf Maß gebautes Trailhardtail von Dlouhy mit Drei-Zoll-Schlappen und Eightpins-Stütze.
Foto: Jörg Spaniol

Zoceli macht’s kurz

Wer so viel Aufwand treibt, muss sich seiner Sache sicher sein: Noch kann Martin Saida nicht ausschließlich von seinen Bikes leben, doch er investiert unverdrossen in die teuren Frästeile und die aufwändige Konstruktion seiner Rahmen. Derzeit hat er vier Varianten im Angebot, das Spektrum reicht vom 26-Zoll-Slopestyler bis zum Trailbike.
Beim Dobordelu-Rahmen, den er in vier Größen anbietet, geht es ihm um einen möglichst kurzen Hinterbau für ein wendiges, verspieltes Fahrverhalten – die Hinterbaulänge gibt Saida mit nur 430 Millimetern an. Dafür taucht der Hinterreifen zwischen den Kettenstreben durch und reicht fast bis an das (als Drehpunkt ausgelegte) Tretlagergehäuse. Angegebenes Rahmengewicht: circa 4,3 Kilo ohne Dämpfer.

Der Stahlrahmen des Dobordelu-Freeriders von Zoceli erlaubt 180 Millimeter Federweg.
Foto: Jörg Spaniol

Jenseits von Retro: Cyber Cycles

Christian Thomas, der Gründer von Cyber Cycles , nennt sein Monster-Gravel-Abenteuer-Mountainbike schlicht und einfach „Grawumm!“. Das so benannte Rad sei „... das Bike, vor dem Deine Eltern Dich immer gewarnt haben“. Der Mann hat Humor und ein Herz für die Geschichte des Bike-Sports. Der vom Rahmenbauer Stefano Agresti geschweißte Rahmen ist nicht das Hauptprodukt der Marke, sondern dient auch als Teileträger für die höchst individuelle Ausstattung: Cyber Cycles hat sich von Kultteilen der 90er-Jahre inspirieren lassen und fertigt Tretkurbeln, Vorbauten und Gabeln, die es in den aktuellen Einbaumaßen nie gab.

Spaß und Style: das  eigenwillige Rennlenker-MTB von Cyber Cycles.
Foto: Jörg Spaniol

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