Die E-MTB-Palette von Focus kann sich sehen lassen. Allein im vollgefederten Bereich schaffen es die Schwaben auf vier Modelle. Das Thron² deckt den moderaten Touren-Bereich ab, das Jam² den sportlicheren All-Mountain-Bereich und das Sam² die Enduro-Kategorie. Dazu das Light-Bike Jam² SL. Schaut man sich die Familienaufstellung genauer an, dann klappen gleich 10 Modell-Varianten des Jam² aus dem Menü. In den 7er-Modellen steckt Shimanos EP8, die 8er- und die 6er-Serie kommen mit Bosch-Motorisierung und unterscheiden sich nach Rahmen-Material. In unserem großen Vergleichstest von 11 Bikes zwischen 7199 und 9900 Euro trat das Focus Jam² 8.9 mit Carbon-Chassis an.
Das Focus Jam² soll das E-MTB mit dem breitesten Einsatzbereich im Focus-Programm sein. Carbon-Rahmen und Alu-Hinterbau, moderate, aber moderne Geometrie, 160 Millimeter Federweg an der Front, 150 mm am Heck, Platz für eine Flasche und eine Werkzeugtasche im Rahmen, satte 150 Kilogramm Gewichtsfreigabe - damit will man eine möglichst breite Zielgruppe ansprechen. Weiterhin typisch Focus: Die Züge laufen durch den Vorbau in den Rahmen, am Hinterbau kommen zusätzlich gedichtete Lager für mehr Langlebigkeit zum Einsatz.
Wer einen Kassenschlager produzieren will, ist mit dem Bosch Performance Line CX sicher nicht falsch aufgestellt: starker Motor, dank Smart System gute Integration und Konnektivität, sehr gute Reichweite. Da hat man schon mal einige Argumente auf seiner Seite. Den Akku haben die Ingenieure tief im Unterrohr vor dem Motor platziert. Dadurch wirkt die Antriebseinheit im Tretlagerbereich recht klobig. Konstruktiv hat diese Lösung aber einige Vorteile: Der Schwerpunkt des E-Bikes wandert nach unten, die lange Batterie passt so auch in die kleinsten Rahmengrößen, und die Rahmen können prinzipiell etwas leichter oder stabiler konstruiert werden. Allerdings fällt das Gesamtgewicht des Focus Jam² 8.9 mit 24,75 Kilo nicht besonders leicht aus. Dazu muss gesagt sein: Die Bosch-Bikes gehören generell zu den schwereren Vertretern ihrer Zunft. Denn der Powertube-Akku ist mit über 4,3 Kilo schwer, und das CX-Aggregat gehört mit 2,96 Kilo ebenfalls nicht zu den absoluten Leichtgewichten.
Die Batterieentnahme nach unten aus dem geschlossenen Unterrohr ist etwas umständlicher als die klassische Klapp-Lösung. Das Bike muss dazu auf den Kopf gestellt oder zumindest auf die Seite gelegt werden. Dann wir die Abdeckung über einen Gummihebel und dann das darunter versteckte Schloss entriegelt - dann erst kann man den Powertube herausziehen.
Im Traileinsatz überzeugt der Bosch Performance Line CX durch Dynamik, hohe Maximalleistung und gute Modulation. Insbesondere wenn es um das Erklettern steilster und kniffligster Anstiege geht, gilt er als Messlatte. Das Schwaben-Aggregat schiebt besonders bei hoher Tretleistung vom Biker kräftig, bleibt dabei aber sehr sensibel. Anders als viele Konkurrenten zieht der Bosch auch bei hoher Trittfrequenz noch kräftig weiter, was ihm einen spritzig-sportlichen Charakter verleiht. Dank des Smart Systems lässt sich der Antrieb umfangreich mit dem Handy vernetzen, so können zum Beispiel Fahrdaten des Bosch-Motors per App ausgewertet oder die Unterstützungsstufen Eco und Turbo auf die Vorlieben des Fahrers angepasst werden.
Bei der Wahl des passenden Displays wollten sich die Produktmanager aus Stuttgart offenbar nicht so recht entscheiden. Das Bosch-Mini-Remote kombinieren die Schwaben sowohl mit dem ins Oberrohr integrierten System Controller als auch mit dem Kiox-300-Display. Doppelt hält halt besser. Wer die Zusatzinfos des Kiox 300 nicht braucht, kann es leicht abmontieren und erhält so ein aufgeräumtes Cockpit.
Die Geometrie ist ausgewogen modern: Sitzwinkel, Lenkwinkel, Kettenstrebenlänge, Radstand, Reach – das Focus trifft fast überall den Durschnitt in unserer Testgruppe. So setzt man sich drauf und denkt: Das passt! Lediglich der überbreite Lenker und die dicken Griffe irritieren etwas – da gibt es Tuning-Potenzial.
Die Modellausführung 8.9 bildet nicht ganz die preisliche Spitze ab - darüber rangiert noch das Modell 8.0 für 8899 Euro, das als Update den Bosch Performance Line CX Race erhält. Mit Fox-36-Factory-Gabel, Shimano-XT-Schaltung und -Bremse und vor allem dem starken Bosch-Paket muss sich das Focus in unserem Testfeld aus 11 All Mountains zwischen 7199 und 9900 Euro nicht verstecken. Auch die Laufräder landen gewichtstechnisch im vorderen Mittelfeld, und das obwohl auf die DT Swiss H 1900 Spline Hybrid extra breite Schwalbe-Schlappen aufgezogen sind. Am Hinterrad gehen die 2,6er Big Betty in Ordnung, am Vorderrad sind die 2,6er Magic Mary für unseren Geschmack überdimensioniert.
Mit über 2000 Höhenmeter schafft es das Focus in unserem Praxis-Reichweitentest auf einen Spitzenwert, knapp geschlagen nur noch vom Moustache Samedi 29 Trail 9, das mit demselben Aggregat an den Start geht. Das sind schon mal gute Voraussetzungen für ausgedehntes Tourenvergnügen. Auch das komfortable Fahrwerk und die ausgewogene Sitzposition passen gut zum Touren-Einsatzbereich. Die Geometrie ist ausgewogen modern: Sitzwinkel, Lenkwinkel, Kettenstrebenlänge, Radstand, Reach – das Focus trifft fast überall den Gruppendurchschnitt. So setzt man sich drauf und denkt: Das passt! Lediglich der überbreite Lenker und die dicken Griffe irritieren etwas – da gibt es Tuning-Potenzial.
Im Uphill macht das Focus wenig Probleme: Der Hinterbau gibt auch in steilen Anstiegen Gegendruck, funktioniert in technischem Terrain aber nicht gar so sensibel wie bei den besten Kletterern im Feld. Gute Traktion liefert der 2,6 Zoll breite Schwalbe Big Betty in der Addix-Soft-Mischung. In Kombination mit dem besten Motor im Feld gibt das Focus damit einen unkomplizierten Kletterer ab.
Die Anlagen des Focus sind gut: Das Fahrwerk ist nicht so sportlich-straff wie etwa am Santa Cruz oder Rocky Mountain, bietet aber genügend Popp, um sich auch mal aktiv zum Sprung abzudrücken. Nachbessern würden wir bei der Bereifung: Der 2,6er-Magic-Mary fällt am Vorderrad zu dick aus. Da fehlt es an Lenkpräzision. Lenker, Griffe, Knubbelreifen – im sportlichen Trail-Einsatz fährt sich das Focus dadurch etwas indirekt. Auf anspruchsvollen Downhill-Strecken hilft die eher lange Geometrie, der breite Lenker, die gute Gabel und die pralle Bereifung vermitteln Sicherheit.
Das Focus Jam² 8.9* ist ein guter Allrounder, der seine Stärken im Touren-Einsatz hat. Für bessere Trail-Performance gibt es Tuning-Potenzial bei Griffen und Vorderreifen. Leider recht schwer.