Florentin Vesenbeckh
· 17.07.2024
Ein schlichter Alu-Rahmen mit klassischen Rohrformen, Shimano-Motor, konventionelle Akku-Entnahme: Das Marin Rift Zone E2 ist auffällig unauffällig. Wie besonders dieses Bike ist, wird erst beim genaueren Hinsehen klar. Denn die Amerikaner kombinieren einen knappen Federweg von 140 Millimetern mit einer sehr progressiven Trail-Ausrichtung. Geometrie und Ausstattung setzen die Zeichen voll auf Fahrspaß bergab, trotz des geringsten Hubs in unserem Vergleichstest.
Auch bei der Ausstattung sticht das Rift Zone E2 heraus. In den Fox-Federelementen der Performance Elite-Serie steckt die top Dämpfungstechnologie Grip2, mehr geht nicht. Und das zum niedrigsten offiziellen Verkaufspreis im Feld. Denn Marin hat das Bike von 6799 Euro dauerhaft satt reduziert - auf 5499 Euro. Auch die weichen Maxxgrip-Reifen und die serienmäßig verbauten Pannenschutzeinlagen von Cushcore sind alles andere als gewöhnlich. Zu all diesen Maßnahmen passt ein Schlagwort: Trail-Performance!
Nur das Gewicht des Alu-Boliden gibt keinen Grund zum Jubeln. Fast 25 Kilo mit eher kleinem Shimano-Akku. Besonders die Laufräder fallen schwer aus, selbst wenn man gut 600 Gramm für die Cushcore-Einlagen abzieht. Das raubt Spritzigkeit. Warum das Bike auf dem Trail dennoch absolut überzeugen konnte, lest ihr weiter unten in diesem Artikel.
Der leichte und kompakte Shimano EP801 macht das Chassis mit kurzem Heck erst möglich. Der Motor bietet eine sehr kräftige Unterstützung mit kernigem Drehmoment, schiebt aber etwas träge an, wenn der Fahrer schneller pedaliert oder beschleunigt. In technischen Anstiegen wird er etwas von seinem Power-Loch eingebremst, das bei sehr hohen Trittfrequenzen auftritt. Speziell beim Beschleunigen vor Hindernissen muss man bewusst mit dieser Eigenart kalkulieren.
Der 630er-Shimano-Akku lässt sich leicht nach vorne aus dem Unterrohr klappen, dazu braucht es nur einen Inbusschlüssel. Die leichte Batterie liefert allerdings vergleichsweise schwache Reichweitenwerte. Achtung: Bei der Akku-Halterung unbedingt penibel auf korrekte Einstellung und festen Sitz der Batterie achten. In unserem Testbike saß der Akku im Anlieferungszustand nicht sicher im Bike und krachte auf dem Trail aus dem Unterrohr. Ein No-Go und Sicherheitsrisiko!
Das sind topmoderne Trailbike-Maße! Mit sehr kurzen Kettenstreben und einem langen Reach will Marin dem Rift Zone Fahrspaß bergab einhauchen. Auch der sehr steile Sitzwinkel und das kurze Sitzrohr entsprechen dem Zeitgeist. Das gibt Freiheit bei der Größenwahl und positioniert den Fahrer zentral im Bike.
Der besondere Charakter des Rift Zone wird auch im Sattel schnell klar. Durch den sehr steilen Sitzwinkel nimmt man weit vorne und trotz langem Reach erstaunlich kompakt auf dem Bike Platz. Im Sitzen fühlt es sich klein an. Bergauf ist die Position ideal, denn trotz kurzer Kettenstreben behält man die volle Kontrolle über sein Vorderrad. Mit extrem guter Traktion und zentraler Position werden technische Anstiege zur Spielwiese.
Nur der fehlende Durchzug des EP801 (hier im Test) bei sehr hohen Trittfrequenzen hemmt in fiesen Uphills etwas. Schade: Das große 38er-Kettenblatt bringt das Bike an steilen Stichen unnötig früh an die Grenze. Besonders, wenn man gerne stromsparend im Eco-Modus die Berge erklimmt.
Auch bergab drängt sich der moderne Charakter auf. Das Rift Zone lädt dazu ein, mit Wurzeln zu spielen und radikal um Kurven zu schießen. Auch hier sticht die geniale Traktion heraus. Drei Faktoren sorgen dafür, dass das Bike förmlich am Boden klebt: Das geschmeidige Fahrwerk, die super griffigen Reifen mit weicher Maxxgrip-Gummimischung und die Cushcore-Pannenschutzeinlagen. Letztere ermöglichen einen besonders niedrigen Luftdruck, ohne dass die Gefahr von Pannen steigt oder sich der Reifen in Kurven von der Felge löst. Das gibt richtig viel Fahrsicherheit und animiert dazu, die Bremspunkte immer später zu setzen. Versierte Trail-Biker werden hier ihre Freude haben und selbstbewusst mit dem Gelände spielen. Auch die Kurvenlage des Bikes ist exzellent.
Doch man muss kein Trail-Zauberer sein, der sein Bike mehr in der Luft als am Boden bewegt, um sich auf dem Rift Zone E2 wohl zu fühlen. Auch bei gemäßigter Gangart besticht das Bike mit ausgewogenem und intuitivem Handling und macht auch auf ruppigen und steilen Strecken eine starke Figur. Logisch: Schließlich gibt eine gute Bodenhaftung auch hier richtig viel Sicherheit. Doch bei großen Schlägen kann das Marin seinen geringeren Federweg dann doch nicht ganz verstecken. Wer es im groben Geläuf schnell angehen lässt, muss den Lenker schlicht etwas fester halten, als hinter dem Cockpit von langhubigeren Bikes. Top: Wir sind selten ein so leises Bike mit Shimano-Motor gefahren, das klassische Motor-Klappern fällt an diesem Bike erstaunlich dezent aus.
Ein Bike mit Charakter! Das Marin Rift Zone E2 hat alle Tester mit seinem gelungenen Handling, massiver Traktion und Abfahrtsstärke überzeugt – trotz geringem Federweg. Fahrspaß wird hier groß geschrieben. Top Ausstattung zum fairen Preis. - Josh Welz, Chefredakteur EMTB Magazin