Ausgewogen, günstig und gutmütig: So präsentierten sich Cube-E-MTBs in den letzten Jahren in nahezu jedem unserer Tests. Immer wieder räumten die vielseitigen E-MTBs aus Waldershof damit starke Testergebnisse ab - gerade wegen ihres unkomplizierten Handlings und universellen Charakters. Die neue ONE-Familie soll da einen anderen Weg gehen: Die aggressive Ausrichtung geht zwar zulasten der Vielseitigkeit, soll sportlichen Piloten aber Vorteile bringen und mit dem gediegenen Image aufräumen.
Das Cube Stereo Hybrid One55 Tm ist die Essenz dieser neuen Schlagrichtung. Mit dicken Federelementen, stabiler Ausstattung und griffigen Reifen passt es besonders gut zur progressiven Geometrie der neuen Modelle. Im großen Vergleichstest checken wir, ob das neue Cube Stereo Hybrid One55 dem selbst gestellten Anspruch gerecht werden, und auch im High-End-Vergleich überzeugen kann.
Für das Stereo Hybrid One55 hat Cube den Rahmen komplett neu entwickelt. Erstmals setzt der Fahrrad-Gigant bei einem E-Bike auf Vollcarbon. Bisherige Cube-Hybrid-Modelle kamen immer mit einem Hinterbau aus Aluminium. Um das Gewicht weiter zu drücken, besteht der Rahmen außerdem aus den hochwertigen C:68 X Fasern, die Cube sonst nur in den hochwertigen Race-Bikes einsetzt. Insgesamt soll der Rahmen so 20 Prozent leichter sein, als der des bekannten Stereo Hybrid 140.
Das schlägt sich entsprechend positiv an der Waage in unserem Test-Labor wieder. Unser Testbike in Größe L wiegt knapp unter 24 Kilo, trotz sehr robuster Ausstattung. Ein anständiges Gewicht, das die Werksangabe von 22,9 Kilogramm für das Trail-Motion-Modell in Größe M um ein ganzes Kilogramm verfehlt. Und: Zumindest im Vergleich zu den bewährten Cube-Modellen ist das One55 eben auch deutlich teurer. 1000 bis 1500 Euro mehr muss man bei vergleichbarer Ausstattung investieren. Den Preis-Leistungs-Trumpf verspielt Cube damit etwas. Im Vergleich zur ähnlich teuren Konkurrenz ist aber auch dieses Cube-E-Bike überdurchschnittlich ausgestattet.
Mit dem Bosch Performance CX setzt Cube auf den wohl meistverbauten E-MTB-Motor. Er verbindet hohe Leistung mit vertretbarem Gewicht. Seine sehr gute Modulation, die spritzige und progressive Kraftentfaltung und spezielle Features wie der verlängerte Nachlauf im Emtb-Modus machen ihn zur Messlatte in fiesen Uphills. Alle U-Stufen lassen sich per App feineinstellen. Aber: Der Bosch ist nicht ganz leise, klappert in der Abfahrt und der große Akku ist mit 4,3 Kilo recht schwer.
Dafür liefert er eine extrem gute Reichweite, die andere Systeme mit Batterien um 700 bis 750 Wattstunden in den Schatten stellt. Der Powertube 750 kann beim Cube unkompliziert nach vorne aus dem Unterrohr entnommen werden. Beim Display setzt das One55 auf die Kombination aus dem Oberrohr-Display System Controller und der kabellosen Mini-Remote. Das spricht sportliche Piloten an. Auf die umfangreichen Infos eines Kiox-Displays muss man aber verzichten. Die Geschwindigkeit wird über den Ventilmagneten von Bosch gemessen, ein separater Speed-Sensor entfällt also. Denn das Magnetsignal wird direkt im Motor abgenommen.
Eine Besonderheit bei Cube: Für kurze Runden gibt es kleinere 500er- oder 625er-Akkus als luxuriöses Zubehör, die mit Adapter statt dem 750er-Akku ins Unterrohr passen. Die kleineren Akkus sparen 700 beziehungsweise 1300 Gramm ein, natürlich bei entsprechend geringerer Reichweite. So kann man das Gesamtgewicht des Bikes auf bis zu 22,7 Kilo drosseln.
Besonders hier macht sich der aggressive und für Cube ungewöhnliche Charakter des Stereo Hybrid One55 bemerkbar. Mit einem flachen Lenkwinkel von 64 Grad in der steileren (!) der beiden Lenkwinkel-Einstellungen, einem Radstand von 1275 Millimetern und einem tiefen Tretlager (336 Millimeter) ist das One55 klar auf schnelle Abfahrten ausgelegt. Die Kettenstreben fallen mit 454 Millimetern zugunsten der Laufruhe nicht besonders kurz aus. Auffällig: Erstens der flache Sitzwinkel von nur 75,3 Grad, der sich in steilen Uphills auch bemerkbar macht.
Andererseits: Die von uns im Labor gemessene Geometrie fällt tatsächlich ziemlich flach aus. Flacher noch als von Cube angegeben und auch flacher als bei den Bikes der Konkurrenz, die wir in unserem großen Vergleichstest von elf High-End All Mountains unter identischen Bedingungen getestet haben. Per drehbarer Lagerschale im Steuersatz kann man den Lenkwinkel sogar auf noch abfahrtsorientiertere 63,6 Grad einstellen. Hier setzt Cube das Versprechen von der aggressiveren Ausrichtung des neuen Bikes also konsequent um. Ebenfalls sehr modern: Das sehr kurze Sitzrohr von 414 mm in Größe L. So können Biker die Rahmengröße nach dem Reach wählen und auf ihre persönlichen Präferenzen anpassen. Auch besonders lange Tele-Stützen sind dadurch möglich.
Auch wenn das Stereo Hybrid One55 etwas teurer ist, als von Cube gewohnt: Bei der Ausstattung lässt sich der Fahrrad-Riese nicht lumpen. Im Bike steckt alles was richtig gut und auch teuer ist. Highlight ist die dicke Fox 38 Factory in der Front, die Cube mit dem Downhill-Dämpfer Float-X2 und einer Transfer-Stütze kombiniert - ebenfalls in Factory-Ausführung. Schaltung und Bremsen kommen aus dem XT-Regal von Shimano, das Bike rollt auf hochwertigen Laufrädern von Newmen und kommt mit Maxxis-Reifen in superweicher MaxxGrip-Mischung an Front und Heck.
Auf dem Cube nimmt man leicht gestreckt Platz und sitzt wenig vorderradlastig. Das ist ungewöhnlich für moderne E-MTBs, die immer mehr zu steilen Sitzwinkeln tendieren. Immerhin lastet beim One55 so wenig Druck auf den Handgelenken, das macht das Pedalieren im Flachen angenehm. Die Bosch-Reichweite ist gewohnt gut, der Akkuwechsel geht zügig von der Hand. Dass Cube zur Sicherung des Akkus weiterhin auf einen Schlüssel setzt, bringt im Alltagseinsatz Vorteile. Für den reinen Sport-Einsatz gibt es aber schlankere Lösungen. Das Fahrwerk arbeitet komfortabel, der ideale Tourer ist das neue Cube mit klebrigen Reifen und abkippender Lenkung aber nicht. In Summe sind die anderen Bikes von Cube, wie das Stereo Hybrid 140 und das Enduro Stereo Hybrid 160 für lockere Touren die entspannteren Partner.
Das gilt auch bergauf, wo zumindest das Stereo 140 im Handling deutlich unkomplizierter ist als das One55. Die Lenkung kippt wegen des flachen Lenkwinkels bei langsamer Fahrt etwas ab, der flache Sitzwinkel und das geknickte Sitzrohr platzieren den Fahrer in steilem Uphills zu hecklastig. Das gilt besonders bei starkem Sattelauszug, da der tatsächliche Sitzwinkel dann noch deutlich flacher ausfällt. In Kombination mit den mittellangen Kettenstreben und dem traktionsstarken Fahrwerk, das aber recht tief im Hub steht, steigt beim Cube in Extremsituationen auch mal die Front. Gerade in technischen Steilstücken tut man sich deswegen schwer, das Edel-Cube sauber in der Spur zu halten. Der spritzige Bosch-Antrieb und die hervorragende Traktion stehen dennoch auf der Habenseite.
Dafür ist das One55 bergab in seinem Element. Gerade wenn es schnell und ruppig bergab geht, gehört das One55 TM zu den potentesten Kandidaten am Markt. Laufruhe und Schluckfreude sind enorm. Das Sicherheitsgefühl ist für sportliche Piloten hoch, zumindest wenn man dem Bike ordentlich die Sporen gibt. Und das kann man auch guten Gewissens tun. Denn, anders als das klassische E-Enduro Stereo 160, ist das One55 auch für höhere Sprünge und den Bikepark freigegeben.
Mit den super griffigen Reifen nimmt man flache Kurven wie auf Schienen. So kann man auf anspruchsvollen Abfahrten viel Schwung mitnehmen. Handlich ist der lange Carbon-Bolide aber nicht. Das macht sich besonders in engen Ecken und schnellen Wechselkurven bemerkbar. Auch auf flacheren Trails ist das speedverliebte Cube nicht die richtige Wahl. Bei langsamer Fahrweise neigt außerdem die Lenkung zum Abkippen. Wer häufig mit gediegenem Tempo unterwegs ist, könnte das als störend empfinden. Leider klapperte unser Testbike bergab stark. Das passte nicht gut zum High-End-Anspruch der One-Serie und trübte den Eindruck vom gelungenen Vollgas-Enduro ein wenig.
Das One55 TM ist eher Mini-Enduro als gefälliges All Mountain. Massig Nehmerqualitäten inklusive. Seine Stärken spielt das Edel-Cube im Downhill und bei hohem Tempo aus. Für E-Enduro-Rennen, Vollgas-Missionen im Steinfeld und große Drops die richtige Wahl. Für gemäßigte Einsätze sollte man im Cube-Portfolio eher zum Stereo 140 greifen. Top Ausstattung und ebenso starke Reichweite.
¹Die Reichhöhe wurde bei standardisierten Messfahrten an einem Asphaltanstieg mit 12,2 Prozent Steigung ermittelt. Höchste Unterstützungsstufe, 150 Watt Tretleistung des Fahrers, Fahrergewicht inkl. Ausrüstung 89 kg. In Klammern die Höhenmeter im deutlich gedrosselten Notlauf-Modus. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bezieht sich auf die Fahrt bei voller Unterstützung.
²Ermittelt auf den Prüfständen im EMTB-Testlabor, Gewicht ohne Pedale. Akku-Gewicht ggf. inkl. verschraubtem Cover.
³Herstellerangabe
⁴Stufentest, gemessen mit 36 Zentimeter erhöhtem Hinterrad
⁵Das EMTB-Urteil gibt den subjektiven Eindruck der Tester und die Ergebnisse der Reichhöhenmessung und der Labortests wieder. Das EMTB-Urteil ist preisunabhängig. EMTB-Urteile: super (ab 9,0), sehr gut (ab 8,0), gut (ab 7,0), befriedigend (ab 6,0), mit Schwächen (ab 5,0), darunter ungenügend.