Cannondale Moterra SL im TestFull Power E-Bike unter 20 Kilo!

Adrian Kaether

 · 20.02.2024

Mit dem Moterra SL präsentiert Cannondale eine eigene Version des Light E-MTB Konzepts: Volle EP801 Power, 600 Wattstunden, unter 20 Kilo.
Foto: Adrian Kaether
Das erste Light E-MTB von Cannondale ist gar keins: Das Moterra SL hat einen kraftvollen E-Bike Motor mit vollen 85 Newtonmetern und 600 Wattstunden im Akku, soll aber unter 20 Kilo wiegen. Die extreme Geometrie nimmt Vollgas-Piloten und Uphill-Fans ins Visier.

Egal ob die Lefty-Gabel mit nur einem Standbein, ein Downhillbike mit zwei Dämpfern oder asymmetrische Spezial-Laufräder - Cannondale umgibt sich zurecht mit dem Ruf des Unkonventionellen. Gemessen daran waren die E-Bikes der Amerikaner bislang erstaunlich gewöhnlich (Zum Test: Cannondale Moterra Neo LT und Cannondale Moterra Neo). Doch mit dem Moterra SL sorgt Cannondale wieder mal für eine kleine Überraschung. Statt dem erwarteten Bosch SX, gibt es den neuen Shimano EP801 Motor. Und statt Mini-Akku immerhin 600 Wattstunden. Mit unter 20 Kilo soll sich das Bike dennoch wie ein echtes Light-E-MTB fahren, nur eben mit mehr Motor-Wumms, damit auch bergauf der Spaß nicht zu kurz kommt.

Wir wollten ein leichtfüßiges Fahrgefühl, aber auf Spaß im Uphill auf keinen Fall verzichten - Roland Czuday, Cannondale

Weniger offensichtlich als die Wahl des Antriebssystems sind die Details am Bike. Mit eher langen Kettenstreben setzt das Moterra SL auch auf Uphill-Fähigkeiten, der Lenkwinkel fällt trotz moderatem Federweg von 160/150 Millimetern superflach aus. 62,5 Grad! Solche Dimensionen kennen wir bislang nur von echten Extremos wie Rotwilds R.G 375 und dem neuen eFanes von Alutech. Ebenfalls ungewöhnlich: Cannondale verzichtet beim Moterra SL auf das Horst-Link-Lager im Hinterbau und verbaut stattdessen ein System mit flexenden Kettenstreben. Das kennt man im Mountainbike-Business schon länger - allerdings bislang eher von Cross-Country-Bikes mit knappem Federweg.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Das Cannondale Moterra SL 1 wiegt mit Shimano-Motor EP801 und 600 Wattstunden 19,7 Kilo (Größe M) nach Werksangabe.Foto: Adrian KaetherDas Cannondale Moterra SL 1 wiegt mit Shimano-Motor EP801 und 600 Wattstunden 19,7 Kilo (Größe M) nach Werksangabe.

Die Fakten zum Cannondale Moterra SL

  • Motor: Shimano EP801, 85 Nm max. Drehmoment
  • Akku: Darfon, 600 Wh (fest verbaut)
  • Rahmenmaterial: Carbon
  • Federweg: 160 / 150 mm mit Flexpivot-Hinterbau
  • Laufradgröße: Mullet (29 / 27,5 Zoll)
  • Rahmengrößen: S, M, L, XL
  • Drei Modelle zwischen 7999 und 13.999 Euro
  • Gewicht: zwischen 19,5 und 20,6 kg je nach Modell (Herstellerangabe, Größe M)
  • Zulässiges Gesamtgewicht: 130 kg (Laufräder; Chassis bis 150 Kilogramm freigegeben)
  • Besonderheiten: Semi-Light-Ansatz, Flexpivot Hinterbau, Flipchip im Heck für 29-Zoll-Hinterrad, zwei Optionen für die Kabelführung
Konventionelle Zugführung? Nein. Das Moterra SL bietet mit Ausnahme des Topmodells Lab 71 tatsächlich beide Optionen. Im Acros Steuersatz steckt außerdem eine drehbare Lagerschale um den Lenkwinkel um 1,2 Grad zu verstellen.Foto: Adrian KaetherKonventionelle Zugführung? Nein. Das Moterra SL bietet mit Ausnahme des Topmodells Lab 71 tatsächlich beide Optionen. Im Acros Steuersatz steckt außerdem eine drehbare Lagerschale um den Lenkwinkel um 1,2 Grad zu verstellen.

Shimano EP801 und eigener Darfon-Akku: Der E-Bike-Motor im Moterra SL

Anders als das SL im Namen suggeriert: Im Moterra SL steckt kein klassischer Light-Motor à la TQ, Fazua oder Bosch SX. Zumindest die beiden letzten Optionen lägen Nahe. Denn seit Porsche Fazua aufgekauft hat, gehören Cannondale und der bayrische Motorenhersteller quasi zur selben Unternehmensgruppe (mehr über die Verstrickungen von Porsche im E-Bike-Business gibt’s hier zu lesen). Und mit Bosch verbindet Cannondale seit jeher eine enge Partnerschaft.

Dass man sich beim Moterra SL dennoch für den Shimano EP801 entschieden hat, hat mehrere Gründe. Zum einen soll das Bike viel Drehmoment bei niedriger Trittfrequenz bieten, um die Uphill-Fähigkeiten nicht zu beschneiden. Als leichtester Motor der klassischen Power-Liga ist der Shimano dafür prädestiniert, echte Light-Motoren sind hier im Nachteil. Eine Argumentation, die wir schon von den Light-Bikes von Rotwild mit Shimano EP8 und von Giants Trance Elite Modell kennen. Seit dem Update auf den neuen EP801 bietet der Shimano außerdem mehr Power und zieht mit bis zu 600 Watt Spitzenleistung fast mit dem Bosch CX gleich.

Die Option auf Drittanbieter-Akkus war beim Moterra SL ebenfalls ein Argument für Shimano. Speziell für das Moterra SL hat Cannondale zusammen mit Darfon eine eigene, besonders schlanke Batterie entwickelt, die aus Gewichtsgründen fest im Rahmen verbaut wird. Sie bietet mit 600 Wattstunden mehr Kapazität als klassische Light-Lösungen. Mit 3,1 Kilogramm bleibt das Gewicht aber noch im Rahmen. Zum Vergleich: Shimanos und Boschs Akkus der 625-Wattstunden-Liga wiegen etwa 3,6 Kilogramm. Einen Range-Extender gibt es nicht, das Darfon-Ladegerät ist aber recht schnell und könnte in der Praxis gut als Reichweiten-Verlängerung dienen.

Mit unter 2,7 Kilogramm ist der Shimano der leichteste unter den Power-Motoren und baut zudem besonders kompakt.
Foto: Adrian Kaether

Das Shimano-System wird über die sportliche EM800-Remote und das dazugehörige Display inklusive Bluetooth-Funktion bedient. So kann über die E-Tube-App beispielsweise die Unterstützung feineingestellt werden. Anders als sonst üblich bietet das Moterra SL vier statt drei vorkonfigurierte Unterstützungsstufen. Bis zu 15 U-Stufen kann man in der E-Tube-App theoretisch freischalten. Die LED-Anzeige SD300 im Oberrohr treffen wir erstmals in einem Serienbike an. Hier wird das System ein- und ausgeschaltet, über LEDs werden hier Akkustand und U-Stufe angezeigt. Theoretisch kann man das Bike für einen besonders cleanen Look sogar nur mit diesem Ein-Aus-Schalter nutzen. Ohne das EM800-Display entfällt aber die Bluetooth-Funktion zur Kopplung mit dem Smartphone.

Vollcarbon und Flexpivot: Rahmen und Kinematik des Cannondale Moterra SL

Beim Moterra SL setzt Cannondale erstmals bei einem E-MTB auf einen Vollcarbon-Rahmen. Nur 2400 Gramm soll dieser inklusive Lagern und Achsen, aber ohne Dämpfer auf die Waage bringen - damit liegt Cannondale ziemlich genau gleichauf mit der Werksangabe für andere High-End-EMTBs mit fest verbautem Akku wie dem Wild von Orbea. (Zum Test des Orbea Wild). Das zulässige Systemgewicht liegt bei satten 150 Kilogramm, der Rahmen ist sogar bis 138 Kilo Zuladung, zuzüglich Bike-Gewicht freigegeben (in Summe 158 Kilogramm). Die Laufräder aus der XM-Serie von DT Swiss beschränken die Gesamtzulassung DT Swiss aber auf 130 Kilogramm. Immerhin: Schwere Fahrer können das Bike durch andere Laufräder leicht auf 150 Kilogramm Freigabe aufrüsten.

Gibt’s so bislang am E-Mountainbike noch nicht: Ein 150-Millimeter-Hinterbau mit flexenden Kettenstreben statt Horst-Link-Drehpunkt.Foto: Adrian KaetherGibt’s so bislang am E-Mountainbike noch nicht: Ein 150-Millimeter-Hinterbau mit flexenden Kettenstreben statt Horst-Link-Drehpunkt.

Der Hinterbau quetscht 150 Millimeter Hub aus einem vermeintlich klassischen Viergelenker-Design. Allerdings setzt das Moterra SL statt einem Horst-Link-Drehpunkt am Ausfallende auf flexende Kettenstreben. Das soll den Rahmen steifer und leichter machen und gleichzeitig den Wartungsaufwand reduzieren. Von Cross-Country-Bikes und auch einigen kurzhubigen E-MTBs kennen wir so ein Design schon länger, das Moterra SL ist aber das erste All Mountain E-Bike, das auf diese Technik setzt. Der schmale Bereich der Kettenstrebe funktioniert dabei wie eine Blattfeder und ermöglicht eine Rotation des “Gelenks” um acht Grad. Spannend: Im Stand ist die flexende Strebe leicht vorgespannt und nur im SAG dann völlig entlastet. So soll das Design keine negativen Auswirkungen auf die Kinematik des Bikes haben. Mit so viel Federweg kennen wir diese Technologie bislang nur von Last und deren superleichten Enduro Tarvo - das allerdings ohne Motor kommt.

Für Profis: Die Geometrie des Moterra SL

Mit dem Moterra SL nimmt Cannondale Fahrtechnik-Profis und ambitionierte Amateure ins Visier. Der Lenkwinkel misst daher extreme 62,5 Grad in der flachen Einstellung. Per Winkelsteuersatz von Acros kann man den Lenkwinkel aber um +1,2 Grad auf etwas weniger extreme 63,7 Grad anheben. Selbst für ein E-Enduro ist das aber immer noch ein sehr flacher Wert und erfordert eine aktive Fahrposition mit viel Druck auf der Front.

Per Flipchip kann man den Hinterbau für ein 29-Zoll-Hinterrad anpassen.Foto: Adrian KaetherPer Flipchip kann man den Hinterbau für ein 29-Zoll-Hinterrad anpassen.

Der Reach des Bikes fällt dagegen nicht so extrem aus, die Kettenstreben hält Cannondale eher lang. Das soll eine gute Balance sicherstellen und im Uphill die Front nicht zu früh steigen lassen. Der Sitzwinkel ist steil, das Tretlager fällt zugunsten der Kurvenlage eher tief aus. Eine Besonderheit bei den High-End-Bikes der Amerikaner: Neben dem Hauptrahmen wächst auch der Hinterbau mit den Rahmengrößen. So sollen auch Fahrer von sehr kleinen oder sehr großen Bikes nicht auf eine ausbalancierte Geometrie verzichten müssen. Ab Werk kommt das Bike mit Mullet-Laufradmix, das kleine 27,5-Zoll-Hinterrad kann man aber gegen ein 29-Zoll Hinterrad tauschen. Ein Flipchip in der Sitzstrebe senkt für diesen Fall das Tretlager ab, damit die ursprüngliche Geometrie erhalten bleibt.

Geometriedaten im Überblick (Herstellerangaben, Größe L)

  • Sitzrohrlänge: 445 mm (380 - 490 mm; S - XL)
  • Radstand: 1283 mm
  • Reach: 470 mm (420 - 505 mm; S - XL)
  • Stack: 648 mm (630 - 657; S - XL)
  • Lenkwinkel: 62,5 Grad (optional 63,7 Grad)
  • Sitzwinkel: 77 Grad
  • Kettenstrebenlänge: 453 mm (449 - 458; S - XL)
  • Tretlagerhöhe: 335 mm (30 mm BB Drop bezogen auf 29 Zoll)
Alle Geometriedaten zum Moterra SL im Detail. Die Daten beziehen sich auf die Einstellung mit flachem Lenkwinkel.Foto: CannondaleAlle Geometriedaten zum Moterra SL im Detail. Die Daten beziehen sich auf die Einstellung mit flachem Lenkwinkel.

Ab 8000 Euro - Cannondale Moterra SL: Modelle und Ausstattungen

Mit dem Moterra SL nimmt Cannondale nach eigenen Angaben anspruchsvolle Fahrer ins Visier, die nicht von einfacher Ausstattung zurückgehalten werden wollen. Entsprechend kommen alle drei Modelle mit voll einstellbarem Fahrwerk aus der Fox Performance-Elite- oder sogar Factory-Baureihe und Vollcarbonrahmen. Aus Gewichtsgründen setzt Cannondale auf Laufräder aus DT-Swiss All Mountain Serie XM, statt auf die superstabile HX-Variante für E-Bikes. Alle Bikes kommen mit Cannondales Garmin-kompatiblem Laufrad-Sensor und sind damit auch mit der Cannondale-App kompatibel. Preise beginnen bei ambitionierten 7999 Euro.

Cannondale Moterra SL Lab 71 - 13.999 Euro

Das Moterra SL Lab 71 kommt mit den besten Parts von Sram und Carbon-Laufrädern von DT Swiss.Foto: CannondaleDas Moterra SL Lab 71 kommt mit den besten Parts von Sram und Carbon-Laufrädern von DT Swiss.

Getuned bis zum Anschlag ab Werk? Carbon so weit das Auge reicht? Diese Modelle versieht Cannondale seit kurzem mit dem Zusatz Lab 71. Hier geht’s nicht mehr rein um die Funktion, sondern auch um den maximalen Glamour-Faktor. Dafür gibt’s eine eigene Lackierung mit bronzegoldenem Oberrohr und Sitzstreben, sowie alles was gut und teuer ist: Srams XX Eagle Transmission, Fox-Factory-Fahrwerk, die kabellose AXS-Reverb-Telestütze, Code-Ultimate-Stealth-Bremsen und XMC 1501 Carbon-Laufräder von DT Swiss. Als einziges Modell kommt das Lab71 ohne die Option auf die klassische Kabelführung.

  • Gabel / Dämpfer: Fox 36 Factory Grip 2 / Float X Factory
  • Schaltung: Sram XX Transmission
  • Bremsen: Sram Code Ultimate Stealth
  • Laufräder: DT Swiss XMC 1501 Spline
  • Reifen: Maxxis Minion DHF 2,5” / Dissector 2,4”, Maxxterra Exo+

Cannondale Moterra SL 1 - 9999 Euro

Mit wertigen Alu-Läufrädern und der Premium-Schaltung Sram X0 Transmission sortiert sich das Moterra SL1 in die Mitte der Produktpalette ein. Dieses Bike konnten wir bereits ausführlich fahren. Neben schwarz auch in grün erhältlich (s. o.).Foto: CannondaleMit wertigen Alu-Läufrädern und der Premium-Schaltung Sram X0 Transmission sortiert sich das Moterra SL1 in die Mitte der Produktpalette ein. Dieses Bike konnten wir bereits ausführlich fahren. Neben schwarz auch in grün erhältlich (s. o.).

Das SL1 ist sozusagen das Topmodell für Vernünftige. Hier gibt’s ein Fox-Factory-Fahrwerk und eine X0-Transmission von Sram, kräftige MT7 Stopper von Magura und wertige Alu-Laufräder von DT Swiss. Kurbeln und Lenker aus Carbon drücken das Gewicht. Mit 19,7 Kilogramm in Größe M soll das SL1 deswegen nur 200 Gramm schwerer sein, als das Topmodell Lab71.

  • Gabel / Dämpfer: Fox 36 Factory Grip 2 / Float X Factory
  • Schaltung: Sram X0 Transmission
  • Bremsen: Magura MT7
  • Laufräder: DT Swiss XM1700 Spline
  • Reifen: Maxxis Minion DHF 2,5” / Dissector 2,4”, Maxxterra Exo+

Cannondale Moterra SL 2 - 7999 Euro

Keine Kompromisse: Auch das günstigste Modell hat ein voll einstellbares High-End-Fahrwerk mit Grip2-Gabel aus Fox Performance Elite Baureihe. Gibt’s neben rot auch in weiß.Foto: CannondaleKeine Kompromisse: Auch das günstigste Modell hat ein voll einstellbares High-End-Fahrwerk mit Grip2-Gabel aus Fox Performance Elite Baureihe. Gibt’s neben rot auch in weiß.

Beim “Einstiegsmodell” Moterra SL 2 gibt’s bereits ein Fox Performance Elite Fahrwerk mit dem hochwertigen Grip2 Dämpfer in der Gabel und dem Float X im Heck mit einstellbarer Druckstufe. Gespart wird dafür bei der Shimano-Zwölffach-Schaltung (Deore/XT), die auch so eine bewährte Performance liefern sollte. MT5 Bremsen und Stans Felgen mit Formula Nabe vorne und DT Swiss 370 Hybrid hinten sind etwas weniger glanzvoll als im SL1, funktional aber top.

  • Gabel / Dämpfer: Fox 36 Performance Elite Grip2 / Fox Float X Performance Elite
  • Schaltung: Shimano Deore / XT Zwölffach
  • Bremsen: Magura MT5
  • Laufräder: Stans Arch MK4 Felgen mit Formula/DT Swiss Naben
  • Reifen: Maxxis Minion DHF 2,5” / Dissector 2,4”, Maxxterra Exo+

Praxistest: So fährt sich das Cannondale Moterra SL

Beim Launch des Bikes auf den Trails rund um Braga in Portugal konnten wir uns schon einen ersten Eindruck vom neuen Cannondale Moterra SL verschaffen - allerdings bislang nur in der Einstellung mit (super!)flachem Lenkwinkel. Bergauf platziert einen das neue Bike angenehm vorderradorientiert. In steilen Anstiegen findet man so leicht in eine aktive Fahrposition. Allerdings: Wie die bisherigen E-Bikes von Cannondale reagiert auch das Moterra SL stark auf den Sattelauszug. Durch den Knick im Sitzrohr werden Fahrer mit viel Auszug wesentlich weiter hinten platziert, als Fahrer mit wenig Sattelauszug. Bei Fahrern mit langen Beinen sorgt das für eine leicht hecklastige Sitzposition.

Mit viel Motorleistung und langen Kettenstreben macht das Moterra SL auch im Uphill eine gute Figur. Der flache Lenkwinkel will aber bewusst gebändigt werden.Foto: Kike AbelleiraMit viel Motorleistung und langen Kettenstreben macht das Moterra SL auch im Uphill eine gute Figur. Der flache Lenkwinkel will aber bewusst gebändigt werden.

Im Uphill ist das straffe Fahrwerk zudem nicht übermäßig komfortabel, bergauf neigt die Front mit dem flachen Lenkwinkel zum Abkippen und will bewusst kontrolliert werden. Allerdings: Die Traktion des Bikes war auf den felsigen Uphills in Portugal exzellent, das definierte Fahrwerk lässt sich auch von Kompressionen bergauf wenig aus der Ruhe bringen und sorgt für eine hervorragende Kontrolle über das Chassis. Gerade im Stehen schießt das Moterra SL mit seinem Shimano Motor damit auch anspruchsvolle Passagen leichtfüßig hinauf. Besonderes Lob gibt’s außerdem für die Abstimmung der Unterstützungsstufen. Statt einem, hat das Moterra SL zwei Trail-Modi, die mit harmonischer Progression überzeugen. Trittst du mehr, kriegst du mehr, das war bei Shimano bislang eher die Ausnahme und erinnert an die tollen dynamischen Unterstützungsstufen Tour+ und EMTB bei Bosch. Kurbelaufsetzer waren trotz tiefem Tretlager nur selten ein Problem.

Präzise und definiert: Das Moterra SL bergab

Schon bergauf hinterlässt das straffe Bike mit dem kräftigen Motor einen dynamischen Eindruck, bergab mutiert das Moterra SL erst recht zum Racer: Dabei braucht das Bike immer ein gewisses Tempo, was sicher auch dem extrem flachen Lenkwinkel geschuldet ist. Aber je schneller und steiler die Strecken werden, desto wohler fühlt man sich auf dem neuen Cannondale. Dabei steht man schön ins Bike integriert und lässt die Schläge gnadenlos auf das Fahrwerk einprasseln. Bei querliegenden Wurzeln wirkt das Bike allerdings sehr steif und quittiert Fahrfehler mit deutlichem Spurverlust. Bei geringem Tempo wirkt das Fahrwerk sehr straff, schlecht einsehbaren Strecken oder Spurrinnen sind mit dem flachen Lenkwinkel und steifen Chassis anspruchsvoller zu fahren.

Auf steilen, schnellen und felsigen Trails fühlt sich das steife Moterra SL besonders zu Hause.Foto: Kike AbelleiraAuf steilen, schnellen und felsigen Trails fühlt sich das steife Moterra SL besonders zu Hause.

Allerdings: Die hohe Steifigkeit und das definierte Fahrwerk zahlen sich auch positiv aus. In Anliegern und beim Einlenken fährt sich das Moterra SL extrem direkt und präzise, schon bei kleinen Absprüngen lässt sich das Bike leicht in die Luft ziehen. Auch Richtungswechsel gelingen trotz langer Kettenstreben gut. Und das, obwohl wir das Bike bisher nur mit dem flachen Lenkwinkel fahren konnten. Die steile Einstellung bringt sicher noch mehr Agilität und ein fehlertoleranteres Handling. Für ein Full-Power-E-Bike wirkt das Moterra SL außerdem sehr leichtfüßig und geht für ein Bike dieses Kalibers auch erstaunlich gut in den Bunnyhop oder aufs Hinterrad. So gut wie ein radikales Light-Bike à la Fuel EXe von Trek oder Levo SL von Specialized? Vermutlich nicht. Der Kompromiss zwischen voller Motorleistung, Spaß im Uphill und leichtfüßigem Handling konnte uns beim ersten Test aber durchaus überzeugen.

Stärken

  • Sehr leicht für ein Full-Power-E-MTB
  • Ausgewogene Bergauf- und Bergab-Eigenschaften
  • Handling sportlich, präzise und direkt

Schwächen

  • Kein Wechsel-Akku oder Range Extender
  • Durch fordernde Geometrie wenig anfängertauglich

Das EMTB Fazit zum Cannondale Moterra SL

Schnell, direkt, sportlich, steif: Ambitionierten Fahrern bietet das Cannondale Moterra SL einen tollen Mix aus geringem Gewicht und voller Motorleistung und macht auch im Uphill eine gute Figur. Bergab will der krasse Lenkwinkel bewusst gebändigt werden, Reserven bietet das leichtfüßige Vollgas-Bike aber en masse. Spaßig-raciges Gerät für Profis! Allerdings: Für nur durchschnittlich gute Fahrer, die auch etwas Komfort auf Tour oder ein explizit handliches Bike wollen, ist der konsequente und auch teure Carbon-Sportler mit dem festen Akku nicht die richtige Wahl. – Adrian Kaether, Redakteur EMTB Magazin
EMTB Redakteur Adrian KaetherFoto: Kike AbelleiraEMTB Redakteur Adrian Kaether

“Gezielt den anspruchsvollen Fahrer ansprechen”: Roland Czuday von Cannondale im Interview

EMTB: Mit Fazua und TQ aber nicht zuletzt dem Bosch SX sind Light-Motoren gerade in aller Munde. Warum habt ihr euch trotzdem gegen so einen Antrieb entschieden?

Roland Czuday: Bei analogen Bikes wurde der Einsatzbereich grob vom Federweg bestimmt. Durch die Motoren mit unterschiedlich großer Leistung wird das Ganze beim E-MTB zur Matrix: Es gibt viel Leistung und wenig Federweg genauso wie viel Federweg und wenig Leistung und alle Spielarten dazwischen. Für uns ging es um einen ganz besonderen Sweet Spot. Wir wollen ein leichtfüßiges Fahrgefühl aber wir wollen auch viel Power und viel Drehmoment. Denn der Uphill gehört für uns zum Spaß des E-Mountainbikens absolut dazu. Dafür ist der leichte aber auch untenrum kräftige Shimano die beste Wahl.

Roland Czuday ist Product-Manager bei Cannondale für E-Mountainbikes.Foto: Mia KnollRoland Czuday ist Product-Manager bei Cannondale für E-Mountainbikes.

Mit 600 Wattstunden liegt der Akku etwas zwischen den Extremen Light- und Power E-MTB. Wie kam es dazu?

Dahinter steckt eine ähnliche Argumentation. Die Reichweite von Light-Bikes fand ich bislang eher enttäuschend. Ich brauche aber auch keine 750 Wattstunden mit Bosch Motor, wenn das Bike dann so schwer wird. Der 600er Akku bietet eine gute Reichweite und liefert genug Energie, damit der Shimano Motor seine volle Leistung auch freisetzen kann. Gleichzeitig bleibt das Bike so aber schön leicht.

Warum hat das Moterra SL keinen Wechselakku oder wenigstens einen Range Extender?

Den Wechselakku bringt klare Nachteile bei der Rahmenkonstruktion mit sich, die wir bei so einem Performance-Bike nicht hinnehmen wollten. Für den Service kann man den Motor aber leicht nach unten rotieren und dann die Batterie relativ unkompliziert und reproduzierbar in etwa 10 Minuten ausbauen. Das ist auch in E-Enduro-Rennen wichtig. Zum Thema Range Extender: Wir haben dafür umfangreiche Umfragen bei unseren Fahrern und auch den Händlern gemacht. Dabei haben sich zwei Dinge herauskristallisiert. Erstens: Vielen ist die Wasserflasche wichtiger als der Extender. Und zweitens interessieren sich zwar viele Kunden beim Händler für einen Extender, Verkaufszahlen sind bislang aber sehr gering. Wir setzen für lange Ausfahrten deswegen lieber auf ein schnelles Ladegerät. Das ist auch beim Gewicht die bessere Option.

Auf Spaß auch im Uphill kommt es Roland Czuday an. Der Produktmanager schielt auch immer wieder auf die Enduro-Rennserie E-EDR und auf anspruchsvolle Uphill-Trails, wie sie gerade in Finale oder Morzine entstehen.Foto: Mia KnollAuf Spaß auch im Uphill kommt es Roland Czuday an. Der Produktmanager schielt auch immer wieder auf die Enduro-Rennserie E-EDR und auf anspruchsvolle Uphill-Trails, wie sie gerade in Finale oder Morzine entstehen.

Flexende Kettenstreben kennen wir bislang vor allem von Cross Country Bikes. Passt das System auch zu einem Hinterbau mit 150 Millimetern Federweg?

Mit dem richtigen Dämpfertune harmoniert Flexpivot sehr gut auch mit einem Hinterbau mit mehr Federweg. Beim Bottom-Out hat die flexende Strebe sogar klar positive Eigenschaften. Im Verhältnis zu den sonstigen Kräften im Hinterbau ist die Kraft zum Einfedern des Flexpivots übrigens relativ gering. Die Kinematik wird dadurch kaum beeinflusst. Und es ist natürlich ein Gewichtsthema: Wir sparen dadurch 150 bis 200 Gramm, haben weniger Lager und schlanker baut das System auch noch.

Beim Thema Light-Bikes geht’s ja auch viel um das agile Handling. Wäre da eine weniger extreme Geometrie nicht vorteilhaft? Stichwort: Kettenstrebenlänge und Lenkwinkel?

Beim Lenkwinkel geben wir über das Acros-System ja zwei Optionen mit. Damit lässt sich das Rad gut auf extremes oder etwas moderateres Gefälle anpassen. Bei den Kettenstreben geht es uns um die Balance. Die Front wird durch die längeren Reach-Werte und flachere Lenkwinkel immer länger. Entsprechend muss auch das Heck etwas mitwachsen, sonst wird das Handling unausgewogen. Beim Moterra SL liegt die Kettenstrebe deswegen bei moderaten 449 bis 458 Millimetern, je nach Rahmengröße. Für uns ist das der Sweet-Spot zwischen Up- und Downhill und ein Wert, der gut mit der Länge der Front harmoniert.

Beim Moterra SL gibt es kein günstiges Einstiegsmodell, die Geometrie setzt Ausrufezeichen. Für welchen Fahrertyp ist genau dieses Bike die richtige Wahl?

Bisher hatten wir nur ein E-MTB für Alles im Portfolio. Mit dem Moterra SL wollen wir jetzt gezielt den anspruchsvollen Fahrer ansprechen. Denjenigen, der schon gut fahren kann und der sich noch weiterentwickeln will, für den das E-Bike mehr ist, als nur eine Aufstiegshilfe. Ihm wollen wir das passende Werkzeug geben, mit dem er seinen Sport richtig ausleben kann. Wer ein einfacheres Handling und etwas mehr Touren- und Alltagstauglichkeit will, für den ist das klassische Moterra nach wie vor eine gute Wahl.

Beim Launch-Event in Portugal konnten wir uns einen ersten Eindruck vom neuen Moterra SL verschaffen.Foto: Kike AbelleiraBeim Launch-Event in Portugal konnten wir uns einen ersten Eindruck vom neuen Moterra SL verschaffen.

Meistgelesen in der Rubrik Fahrräder