Auf den Test des Bulls Vuca Evo AM 2 E-Allmountains war nicht nur Dauertester Andreas Kern besonders gespannt. Die vielen beweglichen Teile eines E-MTB bieten jede Menge potenzielle Fehlerquellen. Einige davon versucht die Motor-Getriebeeinheit Pinion E1.12 MGU auszumerzen. Eine andere soll der Antriebsriemen Gates CDX eliminieren. Auch Testfahrer Andi hat in seinem Leben schon diverse Ketten gerissen. Als BIKE Touren-Autor ist er ständig im alpinen Gelände unterwegs und muss sich auf sein E-Mountainbike verlassen können. Im Langzeit-Test jagte er über 66.000 gnadenlose Höhenmeter auf sein Bulls Vuca Evo AM 2 - und riss dabei einen Riemen.
Auf den ersten Blick passt das Bulls Vuca Evo AM 2 mit der verschleißarmen Kombi aus Pinion-Getriebe und Gates-Riemen perfekt zu unserem Dauertest-Vielfahrer Andreas Kern. Umfangreiche Runden durch die Alpen sind für den Partenkirchener und BIKE-Touren-Autor ein tägliches Geschäft.
Dauertester Andreas Kern arbeitet als freier Touren-Autor für BIKE. Einige seiner letzten Geschichten gibt’s hier zu lesen:
Carbonriemenantrieb, Motor-Getriebe-Einheit und Allmountain-Fahrwerk: Das Bulls Vuca EVO AM 2 von Bulls war bei seiner Vorstellung 2023 so innovativ, dass es anschließend glatt im Deutschen Museum ausgestellt wurde. Trotzdem ist es ein merkwürdiges Gefühl, wenn dich wildfremde Menschen spontan ansprechen. Nicht weil du so nett bist, sondern weil dein fahrbarer Untersatz mit Hauptrahmen aus Carbon und Hinterbau aus Alu so aufregend aussieht. „Keine Kette mehr – und das funktioniert?“, war im letzten Jahr die mit Abstand beliebteste Frage von fahrradaffinen Passanten, gefolgt von: „Da unten sind Motor UND Getriebe drin?“ und „Dieses Bike ist doch sicher unbezahlbar?“
Fangen wir mit der letzten Frage an und arbeiten uns Stück für Stück zurück. 8500 Euro UVP sind schon eine Ansage. Andererseits beginnt bei anderen Herstellern der Spaß hier erst. Um das Fazit gleich am Anfang zu spoilern: Dieser Invest lohnt sich! Erhält man doch ein topmodernes E-MTB mit schluckfreudigem Allmountain-Fahrwerk (150 Millimeter Federweg vorne und hinten), innovativer Motor- und Getriebe-Einheit (zwölf butterweich zu schaltende Gänge und viel Bums bergauf) und extra viel Saft (austauschbarer Akku mit bis zu 1.055 Wattstunden). Klingt nach eierlegender Wollmilchsau im Fahrradkostüm. Für mich persönlich muss ein E-Mountainbike im Prinzip nur eines: funktionieren. Und zwar immer und überall. Bergab sollte es außerdem später an seine Grenzen stoßen als ich selbst.
Thema Motor und Getriebe: Fast 70.000 Höhenmeter in einem Jahr sind schon eine brutale Quälerei für den Antrieb. Noch dazu, weil ich mich auf meinen Touren dem zulässigen Gesamtgewicht von 150 Kilogramm gefährlich nähere. Aber die Ansage lautete „Dauertest“ und nicht „Kinderfasching“. Also prügelte ich das Bulls von Juli 2024 bis heute relativ gnadenlos die Berge hoch und runter. Bis auf 3.200 Meter, über Scaletta, Sertig-Pass und Schlappiner Joch: In Sachen Funktion und Fahrwerk liegt das Vuca ziemlich weit vorne.
Meine Lieblings-Folterstrecke – von Partenkirchen zur Osterfelder-Gipfelstation – musste das Vuca insgesamt ein Dutzend Mal ertragen: 1.300 Höhenmeter Vollgas im Fly-Modus bedeutet: 58 Minuten allerhöchste Anstrengung für die Motor-Getriebe-Einheit. Ein besonderes Testpiece ist auch der Heimgarten. Ich kenne kaum eine steilere Rampe als die kurz vor der Hütte. Hier kommt der Motor heftig ins Schnaufen. Mehr noch als das Drehmoment entscheiden bei solch extremen Uphills aber Feingefühl, Fahrtechnik und ein Quäntchen Glück. Oben angekommen, fühlt sich das Pinion-Gehäuse nur handwarm an. Motor und Getriebe schnurren nach einem Jahr Volllast wie am ersten Tag. Check! Viel mehr leiden unter Gewicht und Laufleistung die Bremsen. Physik lässt sich nicht wegdiskutieren. Alle knapp 15.000 Höhenmeter wechselte ich die Beläge, nach 30.000 beide Scheiben.
Und nun zum Riemenantrieb: Wir schreiben den 20. Juni 2025. Auf einem sausteilen Trail im Tannheimer Tal trete ich unvermittelt ins Leere. Ungläubiges Staunen nach dem Beinahe-Sturz: Der Carbonriemen ist glatt gerissen. Natürlich habe ich keinen Ersatz dabei. Also bleibt mir nichts anderes übrig als antriebslos zurück auf Los zu gehen. Nur gut, dass mich auf dieser einsamen Tour keine Passanten fragen, wie der Zahnriemen funktioniert.
Wie kann ein Carbonriemen reißen? Hersteller Gates vermutet, dass ein Stein zwischen Kettenblatt und Riemen kam und irgendwann zum Durchreißen führte. Ich bin kein Raketenwissenschaftler. Aber in Zeiten, in denen die Menschheit zum Mars fliegen will, sollte ein Carbonriemen meiner Meinung nach nicht reißen dürfen – ansonsten kommen doch Zweifel am Sorglos-Ansatz des Konzeptes auf. In Zeiten der guten alten Kette konnte man diese wunschgemäß in einer Minute kürzen (oder zur Not einen Singlespeed improvisieren), in modernen Pinion-Zeiten muss man einen Ersatzriemen auf Tour dabeihaben. Damit einen die wildfremden Menschen, welche einen spontan ansprechen, nicht auslachen, weil man laufradelt wie der Freiherr von Drais anno 1817.
| Ersatzteil | Preis |
| Reifen | 65 Euro |
| Bremssattel | 125 Euro |
| Bremsbeläge | 120 Euro |
| Bremsscheiben | 80 Euro |
| Zahnriemen | 89 Euro |
| Wertverlust* | ca. 3000 Euro |
*auf Basis des aktuellen Gebrauchtpreises für ein gut erhaltenes Modell, Stand 12.11.2025
Das innovative Vuca EVO AM 2 ist vollgestopft mit modernster Technologie. Die Fahreigenschaften überzeugen. Auch die Motor-Getriebe-Einheit funktionierte tadellos, der Verschleiß ging für ein E-MTB dieser Gewichtsklasse in Ordnung. Nur der gerissene Carbonriemen überschattete den ansonsten problemlosen Dauertest des Bulls. - Andreas Kern, BIKE-Dauertester