MYBIKE Online
· 18.03.2024
Text: Kerstin Börß
Die Radtasche kurz geschultert, der Helm schon auf dem Kopf – mit schnellen Schritten geht es am Morgen raus aus der Haustür in Richtung Fahrrad. Es war am Vorabend spät geworden und somit einfach keine Energie mehr vorhanden gewesen, um das Rad noch die steile Treppe hinunter in den Keller zu hieven. Der Blick fällt auf den Laternenpfahl. Hier sollte eigentlich das Rad stehen. Die Augen wandern jetzt angespannt zu den weiteren Laternenpfählen der Straße. War es vielleicht doch ein anderer? Nun steigt der Puls. Schnell wird die Straße komplett abgelaufen, bis die Suche doch wieder am Laternenpfahl direkt vor der Haustür endet. Die Reste des Schlosses, die auf dem Boden liegen, bringen Gewissheit: Das Fahrrad ist weg.
“Warum habe ich es gestern nicht einfach in den Keller gebracht?” Sofort schießen solche Fragen durch den Kopf. Und ein zentraler Gedanke kreist auch um das Thema Versicherung: “Hätte ich mich doch darum gekümmert…!” Auf der To-do-Liste stand das ja schon lange. Irgendwo zwischen den Vorsätzen, abseits des Radfahrens etwas für Fitness und Rumpfstabilität zu tun und mit der jährlichen Inspektion dieses Jahr wirklich nicht wieder bis zum Sommer zu warten. Ein Blick auf die Kriminalstatistiken tröstet zwar nicht wirklich, bringt aber doch immerhin die Erkenntnis: Auch wenn man sich mit dem Helm auf dem Kopf vor dem verwaisten Laternenpfahl sehr alleine vorkommt, ist man genau das keinesfalls.
Im Jahr 2022 wurden zum Beispiel über 250.000 Räder gestohlen – und das betrifft nur die bei der Polizei gemeldeten Fälle. Die Aufklärungsrate ist gering. Zudem werden verstärkt teure Räder entwendet. Das Thema Versicherung sollte also schleunigst nach oben rutschen auf der Agenda – und zwar am besten, bevor was passiert ist. Das Gute: Es gibt mittlerweile eine Riesenauswahl an Versicherungsmöglichkeiten rund ums Fahrrad. Die Kehrseite dessen: Das kann einen auch überwältigen.
Deshalb fängt man am besten ganz vorne an: Welche Versicherungen habe ich schon? Denn auch eine, die auf den ersten Blick nichts mit dem Fahrrad zu tun zu haben scheint, kann sich als Hilfe entpuppen. Da kommt zuallererst die Hausratversicherung in den Sinn. “Bei der Frage, ob das Fahrrad ausreichend über die Hausratversicherung geschützt ist, geht es vor allem um zwei Punkte: den Wert des Fahrrads und das individuelle Absicherungsbedürfnis. Denn über die Hausratversicherung ist das Fahrrad zu Hause gegen Einbruchdiebstahl aus einem geschlossenen Raum versichert”, sagt Julia Alice Böhne vom Bund der Versicherten.
Dabei betont sie besonders “zu Hause”. Denn dieser Aspekt ist wichtig. Sobald das Fahrrad nämlich nicht zu Hause im verschlossenen Keller, sondern draußen an einer Laterne oder an einem Fahrradständer angeschlossen war und gestohlen wurde, zahlt der Versicherer grundsätzlich nicht, da es sich dann um einen einfachen Diebstahl handelt. Aber keine Sorge, hier gibt es relativ einfach Abhilfe. Denn meistens lässt sich dieser einfache Diebstahl von Fahrrädern über zusätzliche Klauseln und gegen einen Beitragszuschlag im Rahmen einer Hausratversicherung absichern. Hier wird dann der Wert des Fahrrads wichtig. Denn wer im heimischen Keller sehr teure Schätzchen stehen hat, könnte hier an seine Grenzen kommen.
“Viele Hausratversicherer bieten einen Diebstahlschutz für das Fahrrad bis zu einem bestimmten Prozentsatz der Versicherungssumme oder bis zu festgelegten Summen gegen einen Mehrbeitrag an”, erklärt Böhne. “Manche Anbieter sehen auch eine beitragsfreie Mitversicherung bis zu bestimmten Prozentsätzen der Deckungssumme oder gesonderten Obergrenzen vor.” Hier bestehe dann die Möglichkeit, gegen einen Mehrbeitrag diese Entschädigungsgrenzen zu erhöhen. In vielen Fällen sei die abschließbare Höhe aber begrenzt, ergänzt Böhne und nennt ein Beispiel: “Hat man eine Versicherungssumme von 100.000 Euro versichert und ist der Betrag für Fahrraddiebstahl auf zehn Prozent der Versicherungssumme gedeckelt, erstattet der Versicherer maximal 10.000 Euro.”
Es gibt bei den Versicherungen aktuell noch große Unterschiede. Es lohnen sich also unbedingt Vergleiche. “Viele Anbieter versichern nämlich lediglich wenige Tausend Euro”, sagt Thomas Giessmann, der ein Vergleichsportal für Fahrradversicherungen betreibt. “Je nach Wert des Bikes und je nach Versicherergrenze ist es also schlicht nicht sinnvoll möglich, das Bike über die Hausrat abzusichern, auch wenn es häufig günstiger als eine separate Versicherung wäre.” Erfreulicherweise gehe der Trend aber in eine positive Richtung, und es werden laut dem Experten immer mehr Versicherer, die problemlos Räder im Wert von 10.000 Euro und auch mehr versichern könnten.
Neben der Hausratversicherung gibt es auch eine sehr große Anzahl separater Fahrrad- oder E-Bike-Versicherungen. Hier geht es beim Versicherungsschutz dann je nach Anbieter nicht mehr allein um Diebstahl und Einbruchdiebstahl, sondern auch um Raub und Vandalismus sowie Leistungen bei Unfall- und Sturzschäden. Besonders interessant für Besitzer von E-Bikes sind zudem Themen wie Elektronik- und Feuchtigkeitsschäden. Julia Alice Böhne umreißt die gängigen Charakteristiken: “Die Räder sind versicherbar bis zu einem bestimmten Kaufpreis und Alter des Fahrrades. Die Höhe der Entschädigung hängt vom jeweiligen Tarif ab. Häufig gelten auch Selbstbeteiligungen als vereinbart, oder es erfolgt lediglich eine Zeitwertentschädigung.”
Da die Angebote unterschiedlich ausfallen, sollte man sie jedoch genau miteinander vergleichen – auch mit dem Angebot der jeweiligen Hausratversicherung. Zum Vergleichen rät auch Thomas Giessmann, der mit seiner Website fahrsicherung.de einen Beitrag dazu leisten möchte. Laut ihm gibt es heute zwar schon viele Versicherer mit Top-Leistungen auf dem Markt, die sich untereinander kaum noch unterscheiden. Doch ein großer Teil habe auch immer noch Leistungsdefizite oder Klauseln in den Bedingungen, bei denen Nachteile für Kunden lauern. Als eine sehr beliebte Leistung bei Fahrradversicherungen nennt Giessmann Verschleißbaustein.
Meistens beträfen auch die bei Fahrradversicherungen eingereichten Schäden solche Verschleiß- oder Kaskoschäden und weniger den Diebstahl. “Allerdings muss den Kunden hier auch klar sein: Sowohl der Kunde als auch der Versicherer können nach einem Schaden kündigen.” Und nach zu vielen eingereichten Verschleißschäden sei es dann nun einmal der Versicherer, der dem Kunden kündige. Um das zu verdeutlichen, wählt der Experte ein bewusst überzeichnetes Beispiel: “Wer 15 Mal den Bremsbelag erneuern lassen wollte, steht dann nach der Kündigung plötzlich mit einem großen Schaden wie einem Rahmenbruch ohne Versicherung da. Daher gilt hier durchaus: Nutze die Versicherung, aber nutze sie sinnvoll und bedacht.”
Welche Versicherung und welche möglichen Bausteine passen, ist im Endeffekt eine persönliche Entscheidung. Diese wird durch objektive Aspekte wie den Preis des Fahrrads genauso beeinflusst wie durch ganz subjektive Faktoren. Eine Frage wie “Fühle ich mich einfach wohler mit einem Rundum-Paket?” gehört da genauso dazu wie “Habe ich einen hohen Verschleiß?” und andere. Und um die Auswahl noch etwas größer zu gestalten, sei gesagt, dass Giessmann zufolge manchmal auch Kombi-Varianten interessant sein können.
Wer zum Beispiel mehrere Räder besitzt, kann das Diebstahlrisiko über eine Hausratversicherung mit hohem Limit abdecken. Und dann vielleicht für das Rad, das besonders viele Jahreskilometer abreißt, noch eine Fahrradversicherung (diese dann ohne Diebstahl-Option) abschließen. Bei solchen Kniffen wird einmal mehr klar: Das Thema kann sehr vielschichtig sein. Doch fangen Sie nicht unnötig mit dem an, was kompliziert ist. Vielleicht informieren Sie sich zuerst mal darüber, welche Konditionen in Ihrem alten Hausratvertrag, falls sie einen haben, festgehalten sind. Der erste Schritt ist deshalb vielleicht der zu dem Regal, wo Ihr Versicherungsordner steht.
Ganz gleich, ob man schon eine Versicherung hat oder auf der Suche nach einer ist: Auf manche Themen und vermeintlich kleine Details sollten Sie unbedingt achten – von Schlossvorgaben bis hin zu Carbonrahmen.
Die Freude, mit dem Kauf eines gebrauchten Fahrrads im Top-Zustand ein Schnäppchen gemacht zu haben, kann beim Blick auf die Versicherungsbedingungen etwas getrübt werden. “Es gibt einige Versicherer, die nach wie vor keine Gebrauchtbikes versichern”, sagt Thomas Giessmann von der Website fahrsicherung.de. Andere lassen sich das teuer bezahlen oder bieten nur eingeschränkte Leistungen.
“Außerdem ist es bei den meisten Versicherern Grundvoraussetzung, dass die Erstkaufrechnung des Bikes vorliegt. Auch der Verschleißbaustein ist bei vielen Versicherern auf drei oder fünf Jahre ab Erstkaufdatum begrenzt.” Hier lohnt also unbedingt eine gute Recherche und gründliches Vergleichen. Zudem gibt es je nach Anbieter Unterschiede, ob sich die Versicherungshöhe am Gebrauchtkaufwert, dem Betrag auf der Erstkaufrechnung oder an der unverbindlichen Preisempfehlung orientiert.
Superleicht und wunderbares Fahrgefühl: Carbon hat in der Radszene viele Fans. Und die Versicherer scheinen da langsam mitzuziehen. Die meisten versichern mittlerweile auch Bikes aus Carbon. Doch da es noch nicht alle machen, muss – wer mit Carbonrad unterwegs ist – auch auf diesen Aspekt unbedingt achten.
Mit dem eigenen Fahrrad neue Straßen und Ecken der Welt entdecken: Das ist der Traumurlaub vieler. Doch wer sein Fahrrad mit ins Ausland nehmen möchte, sollte sich vorher beim Versicherer – ob Hausrat- oder Fahrradversicherung – erkundigen, ob der Schutz auch für das Reiseland gültig ist.
6 bis 22 Uhr: In manchen alten Versicherungen beschränkt sich der Schutz vor Fahrraddiebstahl auf diese Zeit. Doch das ist zum Glück nicht mehr sehr geläufig. “Die meisten Versicherungsgesellschaften bieten mittlerweile einen 24-Stunden-Schutz an und verzichten somit auf den sogenannten Nachtzeitausschluss. Wir empfehlen, nur Tarife abzuschließen, die auch ohne gesonderten Einschluss auf die Nachtzeitklausel verzichten”, rät der Bund der Versicherten.
Bügel- oder Faltschloss und gewisse Sicherheitslevels: Oft werden in Versicherungsbedingungen Vorgaben zu Schlossformen gemacht, auch die Originalrechnung für das Schloss kann dazugehören. “Wird das Fahrrad gestohlen und es war unzureichend gesichert, zahlt die Versicherung keinen Cent”, erklärt Julia Alice Böhne vom Bund der Versicherten. Der optimale Fall sei, dass in den Versicherungsdetails sowohl Schlosswert als auch Typ egal sind und zudem ein Abschließen des Rads genügt, sagt Thomas Giessmann.
“Auch wenn es natürlich sinnvoll ist, das Bike im Freien immer an einen festen Gegenstand anzuschließen, so gibt es in der Praxis einfach die Fälle, in denen es nicht möglich oder zu aufwendig ist.” Daher empfiehlt er, bei den Versicherungen stets die einfachere Variante zu wählen, um im Diebstahlfall nicht leer auszugehen. Das Bike in den eigenen vier Wänden abschließen zu müssen sei glücklicherweise sowieso nicht die Regel.
Wie viele Zähne das große Kettenblatt des Lieblingsfahrrads hat, das wissen die meisten, ohne nachzuzählen. Aber die Rahmennummer? Fehlanzeige… Dabei ist diese immer noch wichtig. “Man sollte unbedingt Kaufbelege und die Unterlagen des Herstellers über das Rad sowie die Rahmennummer aufbewahren. Damit kann man im Schadensfall Eigentum und Wert nachweisen. Zusätzlich ist es sinnvoll, das Fahrrad bei der Polizei registrieren zu lassen. Kommt es zum Diebstahl, sollte man sich sofort an die Polizei wenden und dann deren Tagebuchnummer dem Versicherer melden”, sagt Böhne.
Das Wort E-Bike wird oftmals für sämtliche Fahrräder mit Antrieb benutzt – ganz gleich, wie schnell das Gefährt nun gerade über den Asphalt düst. Exakte Begriffe und genaue Geschwindigkeitsangaben werden erst wichtig beim Blick auf die Fahrradversicherungen. Der Bund der Versicherten macht darauf aufmerksam, dass einzig solche Elektro-Fahrräder, die maximal 25 Stundenkilometer schnell sind und bei denen die Motorleistung 250 Watt nicht überschreitet, über die Hausratversicherung gegen Diebstahl abgesichert werden können.
Dabei handelt es sich dann meistens um Pedelecs, also Fahrräder mit einer Trittunterstützung bis 25 km/h. Diese Faktoren werden übrigens auch bei der Privathaftpflichtversicherung interessant, wenn man bei einer Fahrt mit dem Elektro-Bike jemand anderem einen Schaden zufügt. Aber auch beim Thema Privathaftpflicht gilt genau wie bei Hausrat und Co.: Am besten klärt man die Details gründlich mit dem Versicherer ab.