Text: Matthias Fischer, Jens Klötzer
Die erste Hürde des Prophete Graveler nehmen wir bereits vor dem Kauf, da das Gravelbike ausschließlich online erhältlich und nicht in den Supermärkten vor Ort zu finden ist. Heißt also weder Beratung noch Probesitzen – dafür mit 699 Euro ein sehr verlockender Preis. Ein baugleiches Modell, hergestellt von Prophete in Rheda-Wiedenbrück, wird auch bei Aldi angeboten und ist - Stand jetzt - sogar nochmal 50 Euro billiger als bei Lidl. Diese extrem niedrigen Preise können jedoch stark tageweise variieren.
Bei solchen Preisen muss es Haken geben – und der erste ist bereits in den Spezifikationen auf der Webseite zu finden: Es wird nur eine Einheitsgröße von 55 Zentimetern angeboten, ohne zusätzliche Erklärungen oder eine Geometrietabelle. Das Rad ist dementsprechend nicht unbedingt für die breite Masse gemacht. Personen, die eher klein oder groß gewachsen sind, sollten lieber Abstand nehmen. Mit einer Körpergröße von 1,80 Metern hoffen wir einigermaßen bequem Platz finden zu können.
Andererseits lässt ein erster Blick auf die Komponenten des Gravelbikes auf Schnäppchenpotenzial hoffen: Tektro-Bremsen, Shimano-Schaltung und Continental-Reifen zeigen, dass immerhin die wichtigsten Anbauteile von renommierten Herstellern stammen. Beim Auspacken aus dem Karton zeigt sich jedoch die nächste Schwäche: Zwar haben wir nicht mit einem leichten Rad gerechnet, aber mit über 12 Kilogramm kämpfen unsere Werkstatt-Kollegen sonst nur bei federwegsstarken MTBs.
Auf der gezielten Suche nach positiven wie negativen Aspekten, fallen uns die Rohrverbindungen auf. Diese sind, zugegebenermaßen nicht unerwartet, eher grobschlächtig, aber verschliffene Schweißnähte machen ein Rad nicht schneller. Schalt- und Bremszüge verlaufen im Rahmen, jedoch sind die Einlässe scharfkantig und somit natürliche Feinde für Zughüllen. Die Befestigung von Gepäckträgern und Schutzblechen wäre an Gewindeösen möglich; ein Seitenständer wird mitgeliefert.
Veraltete Technik könnte bei der Beschaffung von Ersatzteilen problematisch werden: Während ein Vierkanttretlager noch aufzutreiben sein könnte, dürften Laufräder mit 135-Millimeter-Schnellspann-Naben schwieriger zu finden sein - Gravelbikes nutzen seit Jahren Steckachsen. Solange das hohe Gewicht keine Rolle spielt, fährt sich das Prophete Graveler auf Straßen und in leichtem Gelände überraschend gut. Im anspruchsvollen Gelände stoßen unerfahrene Fahrer jedoch schnell an ihre Grenzen, da das Rad nicht nur schwer ist, sondern auch träge lenkt. Gabel, Rahmen und Sattelstütze sind extrem steif und bieten kaum Komfort. Demnach werden alle Stöße direkt auf den Körper übertragen. Dies könnte durch einen geringeren Reifendruck abgefedert werden, allerdings bieten die schweren Drahtreifen mit dicken Schläuchen hierfür wenig Spielraum.
Weder die Felgen noch die Reifen sind tubeless-tauglich. Breitere Reifen lassen sich kaum montieren: Viel mehr als die montierten 40 Millimeter würden nicht durchpassen. Die Komponenten stammen überwiegend von günstigen Markenherstellern. Während der Testphase funktionierten Schaltung und Bremsen zuverlässig und zufriedenstellend. Die mechanischen Tektro-Scheibenbremsen bieten zwar nicht die gleiche Druckpunkt- und Bremsleistung wie hydraulische Bremsen, sind jedoch besser als Felgenbremsen.
Auch Shimanos Claris-Schaltung arbeitet einwandfrei, das Gangspektrum ist allerdings stark eingeschränkt. Dies hat weniger mit den lediglich acht Ritzeln zu tun; vielmehr ist die 50/34-Kurbel eher für den Straßen- als für den Geländeeinsatz ausgelegt, sodass in Kombination mit der 11-34-Kassette vor allem kleine Gänge fehlen. Besonders ungeübte Gravelbiker/innen oder solche mit bepackten Bikes könnten damit bei Anstiegen Schwierigkeiten bekommen.
Ein deutlicher Schwachpunkt ist der Lenker. Seine Form lässt zu wünschen übrig, was eine vernünftige Positionierung der Hebel und eine sinnvolle Ausrichtung quasi unmöglich macht. Zusätzlich verstärkt das billige Lenkerband das unangenehme Griffgefühl und der rutschige Sattel verschlechtert das Fahrerlebnis weiter. Für ernsthaftes Radfahren empfehlen wir daher, diese Komponenten auszutauschen. Allerdings geht damit der Preisvorteil verloren, der bisher der große Pluspunkt des Rades war. Als preiswertes Einsteigermodell oder als Zweitrad für den Winter könnten wir uns das Rad jedoch gut vorstellen.
Die Qualität des Gravelbikes ist für den Preis akzeptabel, allerdings muss man Abstriche bei Komfort und Ausstattung machen. Besonders im Winter könnte die Langlebigkeit des Rads ein Problem darstellen. Wer ernsthaft an Graveltouren interessiert ist, sollte besser auf das Prophete Graveler vom Discounter verzichten. Im Fachhandel findet man eine größere Auswahl an Rahmengrößen und besseren Komponenten. Sogar Fahrräder namhafter Hersteller im 1000-Euro-Bereich bieten eine höhere Qualität und sind nicht selten reduziert erhältlich – es ist also nicht notwendig, viel mehr Geld auszugeben. Auch ein hochwertiges, wenig benutztes Gebrauchtfahrrad wäre insgesamt die bessere Wahl.