Marc Strucken
· 25.10.2024
Geschmackssache: Weiße Fahrräder - ja oder nein?! Bei den ersten Runden im prallen Sonnenschein macht das Sciu Mace Explorer einen sehr edlen Eindruck. Auch auf Menschen, die einem begegnen. Dieser Blickfang wird noch verstärkt, wenn man das matt-weiße Gravelbike ordentlich durch das Dreck gescheucht hat und der unschuldig-helle Lack matschfarbene Schmuckelemente von Mutter Natur bekommen hat. Erster Bewertungspunkt daher: Der Lack von unserem Schneewittchen ist recht schmutzanfällig, vor allem ölige Finger sollte man vermeiden!
Aber das sind Oberflächlichkeiten; was kann das Gravelbike der Hamburger Marke Sciu auf der Schotterpiste? Nach der ersten Tour sagt das “Popometer” - also der rein subjektive Eindruck - komfortabel, spurtreu und für das Gewicht von 8,6 Kilo nicht irre schnell unterwegs. Dafür aber ein/e Freund/in nach dem ersten Kennenlernen. Man sitzt recht komfortabel, was die Position angeht. Das bestätigt auch unser Laborwert mit einem STR von 1,55. Die Spurtreue, die allerdings im Stehen oder bei sehr langsamer Fahrt ins Kippen des Vorderrades umschlägt, bestätigt sich in einem Lenkwinkel von 70,5 Grad bzw. einem Nachlauf von 69 Millimetern. Das Sciu Mace Explorer ist also, einmal in Fahrt, schwer aufzuhalten.
Vor allem die bei unserem Testbike montierten Schwalbe G-One RS, die auf den Newmen Felgen mit 25 mm Maulweite auf gemessene 46,5 mm Breite gezogen werden, sorgen für viel Komfort, aber auch Sicherheit. Nicht so leicht finden ließ sich der Sweetspot zwischen gutem Rollwiderstand und Grip/Dämpfung. Entweder zu hart und hoppelig für Schotter und Wald oder zu weich für die Straßenabschnitte. Die Reifenfreiheit im Rahmen ist groß, Sciu macht keine Angaben zur maximalen Breite, aber gut 10 mm breitere Reifen wären sicher auch fahrbar, also 55 mm bzw. 2,1 Zoll.
Die Ausstattung des Sciu Mace splittet sich in 2 Linien und 3 Ebenen: Das Mace Race hat eine Gabel ohne Anschraubpunkte und die - bei uns montierten - G-One RS. Das Mace Explorer hat beidseitig 3 Bohrungen an der Gabel und Schwalbe G-One Bite Evo. Beide Linie unterteilen sich in Mace 2, 5 und 7, die sich in der Ausstattung des Antriebs unterscheiden:
Wir haben somit unsere Testrunden mit der 12-fachen Sram Apex AXS gemacht, die reibungslos und exakt ihre Arbeit verrichtet hat. Auch die Übersetzung war für das hügelige Voralpenland ausreichend: vorn 40 Zähne und hinten eine Kassette mit 10-44 Zähnen. Für lange Steigungen oder viel Gewicht durch Bikepacking-Taschen empfiehlt Kollegin Sandra Schuberth ein kleineres Kettenblatt und, wenn es passt, eine größere Kassette.
Bremsseitig sind 160er Scheiben verbaut, die bei unserem Test-Sciu erwartungsgemäß zupackten und das Gravelbike kontrollierten. Die Bremsleitung tritt erst kurz vor der Bremse aus dem Rahmen bzw. aus der Gabel, was zum sehr sauberen Look des Sciu Mace beiträgt. Vor allem am Lenker sind keine Kabel (Funkschaltung) oder Leitungen (komplett intern verlegt) zu sehen.
Der Ritchey-Lenker mit 420 mm Breite und dem 90 mm langen Vorbau sorgten zusammen mit dem Sitzwinkel von 72,5° für eine nicht zu gebückte, aber gut über dem Tretlager positionierte Sitzhaltung. Im Vergleich zum zuletzt von mir getesteten Gravelbike Liteville 4-One fehlte mir aber der direkte Vortrieb. Vielleicht würden leichtere Laufräder samt Reifen den Eindruck verbessern? Die Das gesamte Laurad-Paket mit Newmen Alu-Felgen kommt auf 3395 Gramm auf unserer Laborwaage.
Ansonsten bietet das Sciu Mace Explorer wie beschrieben jeweils 3 Ösen an der Gabel, 2 vormontierte Fidlock-Flaschenhalter und 2 weitere Ösen auf dem Oberrohr. Auch Schrauben für Schutzbleche sind am Rahmen sowie an der Gabel montiert. Damit das Gravelbike auch rahmenseitig gut gerüstet für lange Touren. Auch das extra-griffige und stark dämpfende SQlab Gravel Lenkerband hat uns gut als Serienausstattung gefallen. Dafür ist der WTB-Sattel eher so geht so. Ein Staufach, Tools oder andere “Extras” gibt es keine.
Die Sattelklemmung ist technisch gesehen das einzige Manko in meinen Augen. Zwar ist die Lösung sehr “aero” und optisch geht es kaum unauffälliger, aber wenn man die Sattelstütze komplett aus dem Rahmen zieht, fällt der Exenterblock in den Rahmen! Ok, oft zieht man die Stütze nicht raus - zugegeben, aber zum Beispiel beim Transport in einem kleineren Auto kann das doch vorkommen. Auch muss die Schraube mit für Carbon-Rahmen sehr viel Drehmoment (ca. 10 Nm) zugeknallt werden, damit die Stütze wirklich stabil im Sitzrohr steckt.
Das “Popometer” täuschte nicht, auch unsere Messwerte aus dem Labor zeigen, dass das Sciu Mace Explorer ein sehr spurtreues, gutmütiges Gravelbike ist, auf dem sich der Tester mit 1,72 m in Größe M sehr wohl gefühlt hat. Keine zu sportliche Sitzhaltung ermöglicht lange Touren ohne vorzeitige Ermüdung. Findet man den richtigen Reifendruck bietet das Bike ein ausgewogenes Verhältnis aus Komfort und Vortrieb. Es bleibt aber auch der Eindruck, dass das recht niedrige Gewicht sich nicht ganz im Vortrieb widerspiegelt, was vermutlich an den Alu-Laufrädern liegt. Carbon-Felgen gibt es erst in der Top-Version Mace 7.
Die zahlreichen Anschraubpunkte sind praktisch für das Bikepacking. Die mitgelieferten Fidlock-Flaschenhalter sind super - wenn man das System bereits nutzt; sonst sind die alten Pullen, die schon den Küchenschrank bevölkern, nutzlos.
So edel das Sciu Mace 3 aussieht, so sanft und elegant fährt es sich auch. Es macht Freude auf der Feierabendrunde genauso wie auf der langen Tour mit Gepäck. Durch das niedrige Gewicht des Rades fällt ein bisschen mehr Zuladung auch nicht weiter auf.
(getestet wurde das Fahrrad in M, darauf beziehen sie alle Laborwerte, hier mit *)
Mace 5 Explorer: GX Eagle AXS Schaltung + FORCE eTap AXS Schalt/-Bremseinheit
Mace 7 Explorer: XX1 Eagle AXS Schaltung + RED eTap AXS Schalt/-Bremseinheit
Zudem Mace 3, 5 und 7 Race: Gabel ohne Montagepunkte, Schwalbe G-One RS Evo, Super Race