Interview Brage VestavikJah-Dropper Vestavik - der Freeride-Profi spricht Klartext

Dimitri Lehner

 · 08.06.2025

Brage Vestavik: „Ich spüre jede einzelne Verletzung noch – und ich hatte jede Menge“.
Foto: Philip Platzer / Red Bull
Der norwegische Mountainbiker Brage Vestavik hat sich mit seinem spektakulären Freeride-Edit für die X Games Real MTB 2021 einen Namen in der Szene gemacht. Sein brachialer Fahrstil und waghalsige Stunts wie der 14-Meter-Drop bei der Red Bull Rampage 2021 und die Wiederholung des legendären Jah-Drops 2023 haben ihm internationale Anerkennung eingebracht.

Der norwegische Mountainbiker Brage Vestavik hat sich in den letzten Jahren als einer der spektakulärsten Freerider der Szene etabliert. Geboren am 2. Februar 1999, katapultierte sich der junge Norweger durch sein aufsehenerregendes Video für den X Games Real MTB Wettbewerb 2021 ins Rampenlicht der internationalen Mountainbike-Szene. Sein Edit, das von seinen norwegischen Freunden gefilmt und mit düsterem Wikinger-Metal unterlegt wurde, sorgte für offene Münder und Begeisterungsstürme in der Community.

Von X Games zum Jah-Drop

Vestaviks Fahrstil zeichnet sich durch eine Mischung aus technischer Präzision und scheinbar grenzenlosen Mut aus. In seinem X Games-Video zeigte er massive Drops in Matschlandungen, selbst konstruierte Wallrides in schwindelerregenden Höhen von bis zu 10 Metern und Tricks, die in dieser Form noch nie zuvor gesehen wurden.

Der YouTube-Influencer Elias Schwärzler kommentierte begeistert: "Das krasseste Video, das ich je gesehen habe!" Obwohl Vestavik im offiziellen Wettbewerb nur den zweiten Platz hinter Brandon Semenuk belegte, gewann er den Publikumspreis mit einer bis dahin unerreichten Prozentzahl an Stimmen.

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Von Downhill zu Freeride

Was viele nicht wissen: Brage Vestavik hat seine Wurzeln im Downhill-Racing. Jahrelang nahm der blonde Norweger mit dem markanten Rauschbart an Downhill World Cup Rennen und den berüchtigten Red Bull Hardline Events teil.

Diese Erfahrung im Rennzirkus bildet das Fundament für seine beeindruckenden Fähigkeiten im Freeride-Bereich. Die Kombination aus Geschwindigkeit, technischem Können und der Bereitschaft, große Risiken einzugehen, macht Vestavik zu einem der aufregendsten Fahrer der aktuellen Szene.

Red Bull Rampage & der höchste Drop

2021 erhielt Brage Vestavik eine Einladung zur prestigeträchtigen Red Bull Rampage, dem wohl härtesten Freeride-Wettbewerb der Welt. Die Mountainbike-Community freute sich auf sein Debüt, da man sich von ihm ein spannendes Gegengewicht zur zunehmend slopestyle-lastigen Ausrichtung des Events erhoffte.

Vestavik enttäuschte nicht: Er baute den bis dahin höchsten Drop in der Geschichte der Red Bull Rampage mit einer Höhe von über 14 Metern. Leider verletzte er sich beim Training an diesem massiven Feature und konnte nicht am Finale teilnehmen. Dennoch hatte er mit seiner Linie und seinem Mut einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Der legendäre Jah-Drop

Den vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere und gleichzeitig eine der größten Mutproben im Freeriding erreichte Brage Vestavik im Jahr 2023. Er wagte sich an eine Wiederholung des legendären Jah-Drops, einem 17 Meter hohen Sprung, der in den Anfangsjahren des Freeridings als nahezu unbezwingbar galt.

Der Pionier Josh Bender hatte in den frühen 2000er Jahren vier erfolglose Versuche an diesem Drop unternommen, was die Schwierigkeit und das Risiko dieses Stunts unterstreicht. Vestaviks erfolgreiche Bewältigung des Jah-Drops sorgte für internationales Aufsehen und festigte seinen Ruf als einer der mutigsten und fähigsten Freerider seiner Generation.

Vestaviks Einfluss auf die Szene

Brage Vestaviks Aufstieg hat die Freeride-Szene nachhaltig beeinflusst. Sein kompromissloser Stil und seine Bereitschaft, die Grenzen des Machbaren immer weiter zu verschieben, inspirieren eine neue Generation von Ridern.

Gleichzeitig hat er gezeigt, dass eine solide Basis im Rennsport eine hervorragende Grundlage für spektakuläre Freeride-Leistungen sein kann. Mit seiner Mischung aus technischem Können, kreativem Line-Choice und schier grenzenlosem Mut hat Vestavik die Messlatte für zukünftige Freeride-Projekte deutlich nach oben verschoben.

Brage Vestavik: Was ich schon immer mal sagen wollte ...

Ich wurde in Alaska auf dem Berggipfel abgesetzt und musste alleine runter finden. Da habe ich mich richtig gefürchtet. Das hat mich viel mehr erschreckt als mein hoher Drop im X Games Edit oder der Drop bei der Red Bull Rampage.
Das letzte Edit, das mich beeindruckt hat: “Fool's Errand” von Paul Genovese. Weil kreativ und stylish. Es erinnerte mich an die NWD-Zeiten, doch in einer New-School-Art. Da ist High-Level-Riding zu sehen.
Meine Freundin lebt in Pemperton, B.C. Der Traum-Spot. Wir müssen nur einen Schritt vor die Haustür machen und sind auf den besten Trails der Welt – es ist wirklich unglaublich. Schaut man genauer hin, findet man Stunts aus dem Action-Film NWD.
Brage Vestavik bei seiner Version von “Gravel-Biken”.Foto: Ale Di Lullo / Red BullBrage Vestavik bei seiner Version von “Gravel-Biken”.
Mein Vater ist mein größter Held. Das klingt komisch, ist aber so. Er hat mich mein Leben lang unterstützt, nie zu sehr gepusht und mir immer meine Freiheit gelassen. Er ist 61 Jahre alt und topfit – wir biken oft zusammen.
Ich weiß, vegan ist hipp. Doch eines darf in meinem Kühlschrank nie fehlen: Fleisch. Als ich drei Wochen für einen Film-Shoot bei Freeride-Star Andreu Lacondeguy wohnte, grillten wir jeden Tag Steaks. Das schmeckt mir immer: Steak & Bier.
Es heißt, die jüngere Generation sei verweichlicht. In Norwegen stimmt das nicht. Wir hacken im Winter Löcher ins Eis, gehen baden und haben eine Mordsgaudi.
Ich habe schon viel mehr gemacht, als ich mir je erträumt hatte – Stichwort: Bucketlist. Alles weitere kommt mir wie ein Bonus vor.
Meine Freundin hat letztes Jahr mit Biken angefangen, doch kann schon mithalten. Sie wuchs auf mit Skifahren und Schneemobil-Fahren. Sie hat keine Berührungsängste, sie ist “Bad Ass”.


Im Whistler-Bikepark bin ich schon seit Jahren nicht mehr gefahren. Mir gefallen die Trails drum herum besser. Auch am Northshore in Vancouver. Überall sind geschichtsträchtige Spots versteckt, die ich aus den “New World Disorder”-Filmen kenne. Das ist super.
Roh, wild, mit Brechstange, wenn’s sein muss. Und es muss sein: Brage Vestavik beim Freeriden.Foto: Gisle Johnsen / Red BullRoh, wild, mit Brechstange, wenn’s sein muss. Und es muss sein: Brage Vestavik beim Freeriden.
Unser Lebensstil in Norwegen ist etwas rustikaler als sonst wo auf der Welt. Wir haken zum Beispiel im Winter Löcher ins Eis und gehen baden. Das haben wir als Familie schon gemacht als ich klein war. Es ist ein Draußen-Leben, das wir dort leben.
Früher bin ich viel Skigefahren. Dann irgend wann nicht mehr. Ich könnte mir ein Leben vorstellen, wo ich die Hälfte des Jahres skifahre und die andere mit dem Bike unterwegs bin.
Eigentlich mache ich keinen Urlaub im klassischen Sinn. Der letzte Urlaub führte mich für eine knappe Woche nach Hawaii letzten November. Jason von GT Bikes lud mich ein und wir flogen nach Kauai. Das bot sich an, denn ich verbrachte einige Zeit in Kalifornien, um für meine Sponsoren zu arbeiten; meine Freundin war auch dabei. Deswegen fühlte sich das auch ein bisschen nach Urlaub an.
Früher bin ich Downhill-Worldcup gefahren. Doch schon lange nicht mehr. Und jetzt verfolge ich das Renn-Geschehen nicht einmal mehr. Vor ein paar Jahren habe ich das noch gemacht. Das liegt in erster Linie aber daran, dass der Worldcup nicht mehr über Red Bull TV übertragen wird. Da war es sehr leicht, sich das anzusehen.
Ich hatte schon viele Verletzungen in meiner Karriere und jede einzelne spüre ich auch noch. Am meisten quält mich mein Rücken. Da bekomme ich jetzt die Rechnung präsentiert von all der harten Arbeit beim Trailbau, Schaufeln, Heben, Stemmen, Schleppen.

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