Eliott Lapotre
· 30.04.2023
In den Vogesen, unweit des Bikeparks Lac Blanc, verwirklichte sich GT-Rider Eliott Lapotre (30) einen Traum und baute seine eigene Freeride-Line nach kanadischem Vorbild. Den Auftakt bildet dieser Monsterdrop mit Rampen-Take-off.
Hohe Drops faszinieren. Ob Alt oder Jung, Crack oder Einsteiger – jeder Freeride-Fan ist von Drops begeistert. Ich glaube, dieser Baum-Drop ist dafür verantwortlich, dass der Clip so oft geklickt wurde, denn der Stunt sieht ziemlich verrückt aus. Und er war auch verrückt.
Seit einigen Jahren trage ich die Idee von einem Superdrop mit mir rum. Ein Drop ohne Anfahrt. Ich wollte aus den Bäumen fallen. Doch wo und wie? Da hatte ich keine Ahnung. Dann sprach ich mit meinem Freund Antoine Devos. Antoine ist Baumpfleger, Kletterer und Technik-Experte. Er kann nicht nur auf jeden Baum kraxeln, egal wie hoch, er kennt sich auch aus mit Seilen und Flaschenzügen, Statik und Konstruktionen.
Ich dagegen kann das alles nicht, mehr noch: Ich habe sogar Höhenangst. Sprich: ohne Hilfe kein Drop. Und dann ist da noch Antoines Freundin Nolwenn. Sie arbeitet mit Antoine zusammen und simulierte für uns den Drop am Computer. So konnte sie exakt ausrechnen, was wir für die Konstruktion brauchen würden – magic! Sie reichte uns einen Einkaufszettel für den Baumarkt, eine Art Kochrezept für den Drop.
Einer meiner Freunde besitzt Wald, er heißt Guillaume. Und er besitzt einen Bagger. Es wird noch besser: Mein Freund liebt Freeriden und meine verrückten Ideen. Er gab mir grünes Licht für mein Projekt und walzte mit dem Bagger in den Wald. Wir begannen im April 2021 mit meiner Line, fertig wurde sie erst im September 2022.
Ich hab mit einer Menge Arbeit gerechnet, doch wir buddelten viel länger als gedacht, bis “Lost Paradise 2” fertig war. – Eliott Lapotre, MTB-Freerider
Ohne die Freunde wäre sie nie fertig geworden. Und das nicht nur, weil ich durch meine verdammte Höhenangst Antoine mit dem Baum-Drop kaum unterstützen konnte. Er schwang wie Spiderman durch die Zweige, baumelte am Seil in der Luft, wuchtete Balken und Bretter in die Höhe und verzurrte alles zu einer Plattform, während Guillaume mit seinem Bagger den Landehügel auftürmte.
Ich nenne meine Clips „Lost Paradise“. Der Name gefällt mir, denn die Spots sind ein Paradies: versteckt, verboten und irgendwie verloren. Als ich zum ersten Mal auf der Plattform stand, blieb mir die Luft weg. Zwischen den Buchenstämmen hatte ich gerade genug Platz, um mein GT Fury aufzustellen, vorsichtig aufzusteigen und vielleicht eine halbe Pedalumdrehung zu kurbeln. Deswegen bauten wir eine hängende Holzrampe. Sie sollte mir Wumms und Richtung verpassen wie ein Gewehrlauf der Kugel.
Von oben sah die Höhe schrecklich aus, denn der Blick stürzte bis zur Landung sicher 15 Meter in die Tiefe. Vor zur Kante der Rampe konnte ich nicht klettern – viel zu steil. Ich wäre runtergerutscht und abgestürzt. Ihr könnt euch meine Aufregung vorstellen, als ich schließlich bereit war. War ich bereit?
Ich hörte keine Blätter rauschen, ich hörte keine Freunde rufen, mein Herz schlug so laut und so schnell, dass ich nichts hörte. Ich sah nur den Drop. Zweifel blitzten durch meinen Kopf wie Warnsignale. Was, wenn ich zu kurz sprang? Bitte nicht zu kurz! Was, wenn ich zu weit sprang? Bitte nicht zu weit! Meine Freunde freeriden auch, doch den Drop wollte keiner probieren. Ich auch nicht und irgendwie doch. Jetzt kam es auf mich an. Das sind die Momente, in denen ich Freeriden hasse. Und liebe. Denn je höher die Überwindung, desto herrlicher das Glücksgefühl.
Alles bitte, nur nicht zu kurz springen! Deswegen gab ich mir Schwung. Knapp ZEHN Meter waren es vom Ende der Rampe bis zum Landehügel. – Eliott Lapotre, MTB-Freerider
Irgendwann stieg ich auf, trat ins Pedal, rollte zwischen den pinken Markierungen durch und sackte in die Tiefe. Der Aufprall war härter, als ich vermutet hatte. Klonk – doch ich landete, rollte aus, geschafft. Glücklich. Ich ließ mich vom Bike kippen, schloss die Augen und freute mich.
All meine Freunde freuten sich mit mir. Es ist unglaublich, mit wie viel Begeisterung und Idealismus sie mich unterstützt hatten – aus Liebe zum Freeriden. Filmer Jules Bellot war zum Beispiel sieben Stunden aus den französischen Alpen hier hochgefahren, hatte kurz geschlafen, seine Kabelzug-Kamera aufgebaut, gefilmt und war wieder heimgefahren. Einfach so, weil er bei „Lost Paradise 2“ dabei sein wollte. Den Drop haben wir danach gleich wieder abgebaut. Antoine als Baumfreund war das ganz wichtig, er wollte die Buchen wieder befreien.