Laurin Lehner
· 22.05.2023
Christian “Texi” Textor (32) ist Deutschlands schnellster Enduro-Fahrer. Der Siegerländer wechselte zu Beginn des Jahres zum Franken-Versender YT Industries. Mit seinem neuen Arbeitsgerät YT Capra startet er bei dem Enduro-Worldcup. Am 3. Juni startet der dritte Enduro-Worldcup (Finale Ligure). Und sein Team hat ein Privileg, von dem die meisten Racer nur träumen können. Zeit also einen Blick auf Textors Arbeitsgerät zu werfen.
Davon träumen viele Racer: Das YT Mob hat in Sachen Komponenten freie Wahl. Heißt: Bremsen, Federelemente, Schaltung oder Reifen kann jeder Fahrer selbst auswählen und ist an keine Team-Kooperationen gebunden. “Das ist die Philosophie des Teams und purer Luxus”, sagt Christian Textor. Doch dieses Privileg hat auch seine Nachteile: “Es gibt so viel Auswahl - im Grunde bräuchte man Monate, um alle Komponenten zu testen und zu vergleichen”, sagt Texi. Zu Beginn des Jahres hat sich das Team in Finale Ligure auf die neu gegründete UCI-Worldcup-Saison vorbereitet. Hier fiel die Wahl in Sachen Parts und Teile. Zwei Worldcups hat Texi mittlerweile hinter sich und ist um Erkenntnisse reicher: “Testen ist schön und gut, das Bike im Rennen zu fahren ist etwas anderes”, sagt Texi.
Ich bin kein Fan des Trends von mega großen Rahmen. Das Capra ist von der Länge her gemäßigt. So gelingt die Balance zwischen Laufruhe und Agilität sehr gut. Es gibt mir deutlich mehr Sicherheit, als mit meinem alten Rad. So bin ich damit deutlich schneller unterwegs.
Ich habe mich mit meinen 1,83 Metern Körpergröße für einen L-Rahmen (Carbon) entschieden. Der Reach von 467 Millimetern fällt moderat aus. Nach einigen Tests montierte ich einen XL-Hinterbau und kam damit besser zurecht. Damit ist die Kettenstreben länger (443 mm). So stehe ich zentraler im Rad und bekomme mehr Druck auf die Front. Im Grunde ist es, wie ein Stuhl mit Rückenlehne – der Hinterbau gibt mit mehr Gegenhalt. Ich fahre 29-Zoll vorne und hinten – um mit Mullet ausführlich zu experimentieren hatte ich leider noch keine Zeit. Doch aktuell habe ich kein Bedürfnis ein kleineres Hinterrad zu fahren.
Ich fahre mein Fahrwerk vergleichsweise weich – das gibt Komfort und garantiert ausreichend Grip. Bei den aktuellen technisch, verblockten Strecken liege ich damit meist richtig. Im Heck (180 mm) habe ich mich für einen Stahlfeder-Dämpfer entschieden mit einer 375er-Feder. Das Setup war damit schnell gefunden. Mir liegt das Sahne-Ansprechverhalten, zudem passt es gut zu dem progressiven Hinterbau des Capras.
Meine Grund-Setup im Heck:
Dämpfer: RockShox Super DEluxe Ultimate Coil (180 mm)
Feder: 375-Feder
Rebound: 10 Klicks*
Highspeed-Compression: ganz offen
Low-Speed-Compression: 3 Klicks*
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Vorne fahre ich die RockShox ZEB Ultimate (170 mm). Ich verzichte auf Tokens, denn grundsätzlich lässt sich die Gabel auch so progressiv genug einstellen – so kann ich vielen Biker da draußen raten, erstmal mit der Highspeed-Compression zu arbeiten, statt die Luftkammer gleich mit Tokens zu verkleinern. Denn die Fahrwerks-Hersteller haben sich bei dem Volumen der Luftkammern etwas gedacht.
Meine Grund-Setup in der Gabel:
Dämpfer: RockShox ZEB Ultimate (170 mm)
Luftdruck: 65 Psi
Rebound: 8 Klicks*
Highspeed-Compression: 3 Klicks*
Low-Speed-Compression: 10 Klicks*
* von geschlossen
Ich mag Alu-Lenker (31,8er Durchmesser), weil er besser dämpft und nicht vibriert. Bei der Breite komme ich mit 760 Millimeter gut zurecht. Viele Enduro-Worldcupper fahren noch schmalere Lenker. Wenn die Strecke schmal ist, kürze ich sogar auf 740-Millimeter, manche sogar 720-Millimeter. Ich kann allen Fans von breiten 800er-Lenker nur raten, mal einen schmaleren Lenker auszuprobieren. Gerade im Enduro-Terrain, in dem man oft sein Bike von einem Turn in den anderen schaukelt, hilf das enorm. Du brauchst weniger Armlänge, um das Bike in die Kurve zu lehnen und hast so bessere Haltekräfte und damit mehr Kontrolle. Aktuell fahre ich ein 50-Millimeter-Vorbau, tendiere aber zu einem mit 45-Millimeter. 35-Millimeter-Vorbauten sind mir definitiv zu kurz. Die TRP-Bremsen entwickeln viel Bremsfeedback über den Hebel, das liegt mir. Zudem sind sie gut zu dosieren und liefern auch über lange Abfahrten hinweg konstante Leistung.
Maxxis, Conti oder Schwalbe – diese Reifen-Hersteller gewinnen Rennen auf der ganzen Welt aber besitzen dennoch Unterschiede im Charakter. Alle Reifen dieser Hersteller sind gut und am Ende kommt es auf persönliche Präferenzen an. Mir liegen Schwabe-Reifen, weil ich sie seit gut zehn Jahren gewöhnt bin und mir die Eigenschaften liegen. An kein anderes Bauteil muss man sich so lange gewöhnen um maximal zu vertrauen: Anbremsverhalten, Dämpfung, Grenzbereiche auslosten. Ich fahre Magic Mary, im Super DH-Casing und der Ultrasoft-Gummimischung, vorne und hinten. Mir liegt ein präziser Fahrstil, und durch Kurven fahre ich gerne wie auf Schienen – das klappt mit den Reifen sehr gut. Es gibt Fahrer, die mögen das gar nicht, wenn Reifen gar nicht anfangen zu rutschen.
Wenn die Strecken sehr grob sind, packe ich hinten noch den Cushcore XC-Insert auf die Felge. Grundsätzlich bin ich kein Fan von Inserts, weil sie die Dämpfungs-Eigenschaften negativ beeinflussen und Grip hemmen. Das Gas allerdings rausnehmen zu müssen, weil man Angst um die Felge hat, ist auch keine Option. Dann lieber einen Inster hinten draufziehen.
Texis Grund-Setup: Luftdruck Reifen (Tubless)
Vorne: 1,5 Bar
Hinten: 1,7 Bar
O-Chain entkoppelt die Pedalrückschlags-Kräfte, die übers Hinterrad eingeleitet werden. Das bringt Ruhe in Kurbeln und Pedale und sorgt damit schlussendlich auch für mehr Ruhe und Kontrolle. Zudem arbeitet das Fahrwerk sauberer, weil es freier von den Kräften (Kettenzug) ist.
Stell dir vor: Eine offene Kurve, du hast einen Fuß draußen, mit dem anderen stehst du tief auf einem Pedal. Normalerweise gibt der Untergrund hier die Schläge ungehemmt an den Fuß weiter - diese Schläge werden dank O Chain deutlich reduziert.
Ich bin eigentlich Fan von simpler Technik ohne Akkus. Die Sram XX AXS schaltet allerdings so präzise, dass ich Gefallen daran gefunden habe. Das ist Next-Level! Dazu ein Kabelzug weniger, der das Cockpit cleaner aussehen lässt. Die Montage ist einfach. Allerdings muss man dazu sagen: Kaufen muss ich mir die Schaltung nicht. Die Vorteile sind teuer erkauft.
Alu-Laufräder besitzen bessere Notlaufeigenschaften. Ich konnte bei Rennen schon beobachten, wie Carbon-Laufräder geplatzt sind. Das passiert bei Alu nicht. Zudem sind mir die meisten Carbon-Laufräder zu steif oder springen, wenn schnelle Schläge kommen. Gerade bei Nässe in Steinfeldern ist das gut spürbar. Das fühlt sich dann so an, als hätte man zu viel Luft in die Reifen gepumpt oder ein zu hartes Setup in den Federelementen. Kurzum: Alu-Laufräder sorgen für mehr Ruhe in Holter-Di-Polter.
Ich musste viele Jahre selber schrauben. So verbrachte ich viel Zeit in der Werkstatt, oft bis Nachts um Eins, um mein Bike Race-Ready zu schrauben. Das muss ich jetzt nicht mehr. So bin ich dankbar für meinen Mechaniker Patrick Eckl. Das Schrauben an sich, macht mir aber Spaß, so lange es sich in Grenzen hält.