Text: Mike Kluge, Sissi Pärsch, Josh Welz
Sie ist die Mutter aller Etappenrennen. Schmutzig, ekstatisch, episch – so lockt die BIKE Transalp seit 1998 Profi- und Hobby-Racer aus aller Welt durch die spektakulärsten Regionen der Alpen. Zwei herausragende Punkte prägten die Strecke der Maxxis BIKE Transalp 2024. Im Norden thront die Zugspitze. Sie ist nicht nur der höchste Punkt Deutschlands, sondern auch auf der Tiroler Seite in der Zugspitzarena ein dominanter Gigant. Wer hier an die Startlinie dieses legendären Rennens rollt, blickt ehrfürchtig auf die Felsbastion, die sich über dem Tal in den sonnigen Himmel erhebt. Am anderen Ende liegt der Gardasee, ein Sehnsuchtsort, der wie kein anderer mediterranes Klima mit rauer Bergwelt vereint. Die Berge am Gardasee sind zwar nicht besonders hoch in alpinen Dimensionen, wirken aber vom nur 70 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Ufer aus umso beeindruckender.
Erstmals in der 26-jährigen Geschichte der BIKE Transalp gab es dieses Jahr auch für E-Mountainbiker also die Gelegenheit, ein bisschen Rennluft zu schnuppern und das faszinierende Erlebnis Transalp mit Profi- und Hobby-Racern aus der unmotorisierten Disziplin zu teilen. Die Resonanz auf diese Premiere war im Vorfeld der Transalp selbst in der Rennszene fast durchweg positiv. Marathon-Legende Karl Platt zum Beispiel bezog schon früh Position pro E-Mountainbike auf der Transalp: „Ich fahre selbst gerne E-MTB, und die Transalp ist ein Wahnsinnserlebnis – das sollte man niemandem verwehren”, sagte der vielfach gekrönte König der BIKE Transalp - und empfahl: “Man kann es definitiv so organisieren, dass sich Muskelbiker und E-Biker nicht in die Quere kommen.“
Und genau das hatten die Verantwortlichen um Streckenchef Marc Schneider natürlich im Blick: Die friedliche Co-Existenz von Mountainbikern mit und ohne E-Unterstützung sollte der Grundstein für einen langfristigen Erfolg der Propain EMTB Transalp sein. Zwar sollten beide Gruppen dieselbe Strecke bewältigen, damit man sich aber nicht ins Gehege kommt, würden die E-Biker mit ausreichend Abstand hinter dem Feld der Muskelbiker starten.
Wichtige Botschaft für alle E-Mountainbiker: Auf den Etappen gibt es keine Zeitnahme vom Start bis ins Ziel. Jeder E-Mountainbiker soll Trails, Landschaft und Atmosphäre vor allem genießen können. Trotzdem ist freilich der Sportsgeist gefordert: Mit teilweise über 3000 Höhenmetern pro Etappe, knackigen Abfahrten und technisch anspruchsvollen Uphills kommt es auf Fahrtechnik, Kondition und nicht zuletzt das Akku-Management der Teilnehmer an. Außerdem: Dort wo mancher Bio-Biker schieben oder tragen wird, können gute E-MTB-Fahrtechniker fahren. Dann aber, das weiß jeder Uphill-Ambitionierte, treibt es einem den Puls auch auf dem E-MTB in höchste Sphären. Und etwas Wettkampf-Würze gibt es bei der Propain EMTB Transalp dann natürlich auch: Denn auf jeder Etappe warten spezielle Challenges mit Zeitnahme, die die fahrtechnischen und konditionellen Skills der E-Biker fordern.
Soweit die Theorie und Vorplanung. Aber wie lief die erste EMTB-Transalp nun? Das Fahrerfeld war mit knapp 30 Startern noch recht übersichtlich. Darunter aber einige bekannte Namen. Den prominentesten Starter haben wir dafür gewinnen können, für uns Tagebuch zu führen: Mike Kluge. Die Radsport-Legende mit der Berliner Schnauze hat mittlerweile 45 Jahre Rennsport auf dem Buckel und so viele Titel in unterschiedlichen Disziplinen gesammelt wie kein anderer deutscher Radprofi. Schon länger hat sich Mike abseits der Straße komplett dem E-Mountainbiken verschrieben.
Ich bin dafür bekannt, Dinge zu tun, die eher unpopulär oder unerwartet sind. Mich reizen einfach neue Sachen. So bin ich vom Cyclocross zum Mountainbike, vom Cross-Country zum Downhill gekommen.
Mit dem E-MTB verbindet mich inzwischen eine fast schon ungewöhnlich lange Liebe. Seit über zehn Jahren ist es das Gefährt meiner Wahl. Und noch immer langweilt es mich keine Sekunde. Es wird immer nur besser, weil die Entwicklung superspannend ist und es noch so viel Potential gibt – in allen Bereichen. Den Rennsport zähle ich mit dazu. Welches Format funktioniert wie unter welchen Konditionen?
Die BIKE Transalp hat mich schon zu meiner aktiven Zeit fasziniert und ich wollte immer mitfahren. Es ging sich nie aus. Jetzt also als E-MTB-Athlet… Was ich mir erwarte? Eine einprägsame Zeit mit vielen Erlebnissen und neuen Leuten. Einige Erkenntnisse über Technik und Rennformat. Hier und da mal schnelle Wertungsprüfungen. Und auch den Beweis, dass E-MTB und Bike miteinander funktionieren. Es wird spannend werden – und es wird eine richtig gute Zeit werden.
Ich muss gestehen, ich war ein wenig aufgeregt. Für uns E-MTB-Teilnehmer ist es kein Rennen, aber die Atmosphäre packt dich einfach. Und es ist mein erstes Etappenrennen. Außerdem ist es ein kleines Abenteuer mit dem Batteriemanagement.
Die Stimmung ist schon mal der Hammer. Ich bin Schönwetterfahrer und bei dem Juli habe ich mir echt Sorgen gemacht. Aber zumindest heute war es top, die Sonne hat gestrahlt und die Landschaft haut dich einfach um. Start am Fuße der Zugspitze in Ehrwald – es kann kaum spektakulärer sein.
Ich habe gestern erst meinen Team-Kollegen kennengelernt: Martin „Matze“ Schneider ist grob in meiner Altersklasse und ist die BIKE Transalp schon sechsmal gefahren. Jetzt ist es für ihn die Premiere auf dem E-MTB. Er ist ein super Typ und die Etappe war ein großer Spaß mit ihm. Außerdem hat er mich an die Wertungsprüfung erinnert. Die hätte ich fast verpasst heute, ich war etwas verträumt. Lief okay, aber ich muss noch reinkommen…
Ich kann euch gar nicht sagen, wie anders man an den Start geht, wenn die Region per se schonmal total geil ist. Als Rennfahrer hast du dafür nie Zeit. Da ballerst du. So ist das ein viel intensiveres Erlebnis. Im Wertungsabschnitt gibst du Gas, aber danach fährst du einfach weiter und kannst alles genießen. Dieses Gefühl ist für mich neu. Wir schauen und reden viel, auch mit Bikern, mit denen wir zusammenkommen. Dafür ist dieses Format super geeignet. Es ist cool, alle unter ein Dach zu bringen.
Ich weiß, es ist kein Rennformat, aber so ganz bekommt man den Ehrgeiz wohl nie aus mir raus. Es sind ein paar extrem starke Teams unterwegs. Die Jungs vom Propain-Team oder zwei Österreicher, wo der eine zu mir meinte, er fahre im Jahr um die 12.000 Kilometer auf dem E-MTB. Ich komme vielleicht auf 4.500… In der letzten Zeit saß ich sowieso mehr im Auto als auf dem Rad. Im Gegensatz zum Team mit Philipp Foltz und Claus Fleischer. Philipp ist der E-MTB Guide-Pioniere auf La Palma und Claus Geschäftsleiter von Bosch eBike Systems. Ich habe mich köstlich amüsiert, als Claus heute beim Batteriewechsel länger gebraucht hat, weil er nicht das richtige Tool dabei hatte…
Vielleicht noch zur Erklärung der Batteriewechsel: Die Stationen liegen etwa auf der Hälfte der Strecke. Wir müssen die Akkus natürlich nicht transportieren, das wird uns alles abgenommen und läuft wirklich perfekt. Die liegen dann aufgeladen und blitzblank geputzt bereit. Mit zwei Akkus war es bisher kein Problem, etwa heute auf einer Strecke mit rund 50 Kilometer und 2.000 Höhenmetern. Aber wenn dann die Etappen mit 90 Kilometer anstehen, da musst du schon schlau und ressourcenschonend fahren.
Die Wertungs-Stage war mit 20 Kilometer deutlich länger und es war wirklich alles dabei: Matsch, technische Uphills, rutschige Wiesen, Blick auf den Reschensee und wirklich verblockte Trails. Wir fahren immer ein bisschen in der Gruppe und ich bin viel mit den Propain-Jungs gefahren, das war wirklich cool. Auf den Trails ging es teilweise gut ans Limit, wobei es mit Janiks Hinterrad auch mal über den Abhang hinausging.
Unten auf Südtiroler Seite war das Depot, wir haben gewechselt und ab da ging es geschmeidig weiter – bis zum Oberen und Unteren Spin Trail. Die waren richtig ausgewaschen. Da musst du schon wissen, was du tust. Von den Bikern, die per se ja mit weniger Federweg unterwegs sind, haben sich einige schwer getan. Aber ich habe die Etappe super genossen und bin auch zufrieden: zweitbeste Zeit heute.
Was für ein Tag! Obwohl ich morgens mit wirklich schweren Beinen aufgewacht bin. Mein Problem ist (und auch meine Schuld, muss man sagen), dass ich mit dem Shimano EP8 untermotorisiert fahre. Da haben die Bosch- und Brose-Fahrer bedeutend mehr Power. Die schieben halt einfach mal 2 km/h mehr. Das merkt man brutal und entsprechend muss ich mehr investieren. Gestern habe ich mich schon in den Windschatten reingeklemmt und mich arg gequält, aber ich wollte nicht abreißen lassen. Ich habe deswegen auch nicht umbereift, was ich hätte tun sollen. Mehr Profil wäre wirklich gut gewesen. Aber ich muss das Unterstützungsdefizit ausgleichen.
Aber zu heute: 90 Kilometer, 25 Kilometer Stage. Es waren viele Abschnitte in dem Bereich 25+ km/h – meine Todeszone sozusagen. Ich war total am Arsch. Ich musste so brutal über Kraft fahren. Trotzdem Bestzeit – und das fühlt sich im Gegensatz zu den Beinen gut an.
Ich liebe dieses Format. Morgens entspannt zu starten, mit den Leuten die Natur, die Berge, die Aussicht genießen, ein wenig fachzusimpeln. Und das heute auf der Königsetappe. Und sie verdient ihren Titel! Das war schon ein ganz schönes Programm, speziell die Abfahrten vom Gavia. Ich wäre da nicht gern Biker gewesen. Schon mit den E-MTB-Boliden, die wirklich satt liegen und bedeutend mehr Fahrwerk haben, muss man schauen. Leider bin ich auch in einer Passage auf andere Fahrer aufgefahren und habe mich überschlagen. Speiche gerissen, Reifenschaden…
Ich habe gewechselt und es ging weiter, aber ich hatte später einen Querrutscher und noch einen Platten – in der Wertungsprüfung. Es waren noch vier Kilometer zu fahren und ich hatte keinen Schlauch mehr. Und so kam ich an: Mantel zerfetzt, Platten, gerissene Speiche. Ich konnte meine Position halten, aber wieder nur unter vollem Einsatz. Mit zu wenig Drehmoment und on top einem, naja, beschissenen Rollwiderstand am Hinterrad.
Mein Arm ist ein wenig offen vom Sturz gestern und mein Nacken krumm, aber die Wunden sind geleckt. Heute war es wieder schwer, das hätte ich mir vorab gar nicht so gedacht. Ich dachte, nach der Königsetappe wird es entspannter. Aber die Anstiege waren extrem knackig, da gehst du auch mit dem E-MTB ans Limit – und du weißt genau, wenn ich da absteigen muss, dann wird’s richtige Schwerstarbeit. Unsere Stage mit 25 Kilometer war wieder lang und dazu viel in dem Bereich 26-29 km/h. Ich habe da einfach keine Chance, leider.
Bezeichnend war auch die Abfahrt am Caserole: Erst ein langer, rutschiger, anspruchsvoller Hohlweg – und danach haben wir uns alle wieder versammelt, sind zusammen weitergefahren und haben unsere Erlebnisse besprochen. Das ist so ein tolles Gemeinschaftsgefühl, mit Matze und mit den Brüdern vom Propain-Team, die ja eine ganz andere Generation sind. Das ist wirklich etwas Besonderes.
Ich hatte heute nicht mehr so gute Beine und musste abreißen lassen. Die Wertungsprüfung war sehr technisch, anstrengend und steil – du musstest alle Register ziehen, um mit dem E-MTB hochzukommen. Die Biker, die wir eingeholt haben, mussten alle schieben. Für mich ging es dann nur noch darum, gesund anzukommen und zu genießen.
Es war ein emotionales Finale der Woche. Nach sieben Tagen sagt man normalerweise: jetzt reicht’s mir. Aber ich kann mir sofort vorstellen, nächstes Jahr wieder zu fahren. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass das Wetter über die Woche so sensationell war, ich das Traumpanorama genießen konnte und so coole Erlebnisse mit den anderen hatte. Mit dem dritten Platz in der Gesamtwertung bin ich auch happy. Es war die Etappe zum abfeiern!
Jeden Tag aufs E-MTB zu steigen und zu wissen, dass es ein grandioses Erlebnis in einer unglaublichen Landschaft wird, ist einfach unglaublich. Die Team-Zugehörigkeit mit Matze, das an die Grenzen gehen und gleichzeitige Genießen – es war mir ein Fest. Gerne mehr von sowas!