3254 Höhenmeter an einem Tag! Letztes Jahr waren sie mit einem lauten Knall vorbei. Ein Hagelsturm prasselte frühmorgens auf das Starterfeld in Bormio ein, Stromausfall – die Etappe musste aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. Ausgerechnet die Königsetappe! Der Scharfrichter, vor dem auch die Profis unruhig schlafen und der besonders tief ins Muskelfleisch schneidet. Nicht alle Teilnehmer der Transalp 2023 waren traurig darüber, dass ihnen diese Monster-Aufgabe erspart blieb. Auch, wenn es natürlich schade um den legendären Gavia-Pass war.
Dabei hat so eine Königsetappe bei einer Transalp eine ganz wichtige Funktion: Sie sorgt dafür, dass man auf den vorherigen Etappen unterbewusst nicht zu viel Gas gibt. Hat man sie schließlich hinter sich, dann durchflutet sie mit Stolz und dem wohligen Gefühl, dass man den Rest bis zum Gardasee jetzt auch noch schafft. Allerdings wollen knapp 100 Kilometer und über 3000 Höhenmeter an einem Tag auch erst mal abgekurbelt werden. Vor allem wenn man bereits seit drei oder vier langen Transalp-Tagen im Sattel sitzt und vielleicht noch nie zuvor eine Tour mit solchen Daten unternommen hat.
Kleinkurbeln, lautet das Schlüsselwort. Wichtig ist, dass man die langen Anstiege locker angeht, seinen Puls vom Start weg im Blick behält und seinen Rhythmus findet. Dabei regelmäßig essen und trinken, keine langen Pausen machen, konzentriert bleiben und keine Stürze oder Pannen riskieren. Das würde zusätzlich Kraft und Nerven kosten. Ja, es wird ein langer Tag, aber wer von Beginn an ruhig und beständig sein Tempo abspult, der wird den Zielbogen in Malè definitiv erreichen.
Danach am besten die Kohlenhydratspeicher sofort wieder auffüllen, viel trinken, sich eventuell noch eine Massage gönnen und dann früh ins Bett. So stehen Sie am nächsten Morgen wieder entspannt am Start. Nur, dass Sie den Gardasee jetzt schon fast riechen können!
Die Königsetappe! Aber nicht nur in konditioneller, sondern auch in landschaftlicher Hinsicht. Die Strecke schraubt sich nämlich von Bormio den legendären, 2621 Meter hohen Gavia-Pass hinauf, erreicht dort den höchsten Punkt der Transalp 2024 und wechselt nahtlos vom Stilfserjoch-Nationalpark in den Adamello-Naturpark hinüber. Ein Kulissenwechsel, der sich auch fahrtechnisch bemerkbar macht, denn auf der Südseite des Gavia gilt es den wohl kernigsten Trail der Transalp zu bezwingen: 300 Tiefenmeter, kurvig, steil und mit Felsstufen durchsetzt, bis nach Sant'Apollonia hinunter. Wer technisch nicht so versiert ist oder einfach nichts riskieren möchte, sollte an einigen Schlüsselstellen besser absteigen. So spart man auch Kräfte, die man kurz darauf wieder braucht, denn nach der Abfahrt baut sich schon wieder der nächste lange Anstieg auf: Weitere 800 Höhenmeter in Form von Asphaltkurven und Schotterserpentinen stapeln sich in einem Wiesenhang. Vorbei am kleinen Bergdorf Case di Viso klettert man bald sehr aussichtsreich dem Tages-Highlight entgegen: der Alta Via Camuna.
Dabei handelt es sich um einen sieben Kilometer langen, alpinen Wiesenpfad, der sich um die Bergflanken der Cima Bleis wickelt und den Einstieg in das Belohnungsprogramm dieser Etappe markiert. Denn von nun an geht es im Prinzip 50 Kilometer lang mehrheitlich bergab, bis auf den Talboden des Val di Sole hinunter. Kleinere Gegenanstiege schieben sich zwar immer mal wieder dazwischen, weil zum großen Tagessoll noch ein paar Höhenmeter fehlen. Doch davon bekommen die Augen nichts mit: Sie versuchen das Adamello-Panorama zu erfassen, das sich da jetzt gen Süden immer imposanter aufbläst.
Am Tonale-Pass (1883 m) überrollt man schließlich die Grenze zum Trentino und bald darauf tut sich nach unten die große Kerbe des Val di Sole auf. Hier könnte man zwar ganz einfach dem Talradweg bis Malè folgen. Doch leider fehlen immer noch ein paar Zähler auf dem Höhenmeter-Konto und so sammelt die Route auf dem Waldweg eine Etage darüber noch ein paar Anstiege auf. Leider sind da auch ein paar Kurzrampen dabei, die so kurz vor Schluss noch mal an den Nerven zündeln. Doch umso größer ist am Ende die Party-Stimmung, wenn der Kurs auf einmal durch historische Häusergassen zirkelt und auf den Zielbogen am Marktplatz von Malè zuhält.
Die BIKE Transalp 2024 startet Sonntag, den 14. Juli, in Ehrwald und endet am 20. Juli in Arco am Gardasee. Die Streckendaten insgesamt: 520 Kilometer/17.215 Höhenmeter/7 Etappen.
Einmal im Jahr trifft sich die internationale Downhill-Elite im Val di Sole, um den härtesten Worldcup der Saison auszufechten. Doch die Gipfel um den Transalp-Etappenort Malè können auch sanft.
Die kleine Gemeinde am nördlichen Eingang des Val di Sole gehört nicht gerade zu den klassischen, allzeit gut besuchten Bike-Zentren des Trentinos. Eher zu den ruhigeren. Wahrscheinlich, weil es etwas abseits der Hauptreiseroute Brenner-Autobahn liegt. Wer hierher zum Mountainbiken kommt, ist entweder ein Alpenüberquerer, der über Tonale- und Gavia-Pass geklettert kommt und auf der Durchreise gen Süden ist. Oder er ist Downhiller und hat vielleicht sogar einen Worldcup-Termin im Val di Sole-Bikepark bei Malè.
Doch es gibt Tourenbiker, die gezielt dieses etwas abgelegene Tal ansteuern. Das sind diejenigen, die gern abseits ausgefahrener Trail-Kehren unterwegs sind und das ursprünglichere Trentino zu schätzen wissen. Die große Talkerbe des Val di Sole erstreckt sich nämlich vom Val di Non über den Tonale-Pass, mündet ins Veltlin und endet fast schon am Ufer des Comersees. Würde man auf dieser Route an jedem Touren-Highlight Halt machen, wäre man wohl eine ganze Woche unterwegs. Rechts und links im Spalier stehen hier nämlich: Ortlergruppe, Presanella und Adamello, die Brenta-Dolomiten, die Bernina und am südlichen Talende flankieren linkerhand sogar noch die einsamen Bergamasker Alpen. Dazwischen zweigen noch die Seitentäler mit ihren lohnenswerten Trail-Abstechern ab. Die darf man im Grunde auch nicht unbesucht liegen lassen.
Zum Beispiel wartet das Val Poschiavo mit seinen leicht modifizierten, aber natürlich anmutenden Abfahrten. Bergauf hilft hier die berühmte Bernina-Bahn. Unbedingt auf die To-Ride-Liste gehören auch die kurvenreichen Supertrails „Tornantissima“ am berühmten Mortirolo-Pass und die Militär-Trails an der Montozzo-Scharte und im Val di Peio. Für die meisten Touren sollte man etwa für 1500 Höhenmeter Kondition mitbringen, wird dafür aber mit unverstelltem Panorama und freier Fahrt auf den Trails belohnt. Eine Aufstiegshilfe gibt es seit ein paar Jahren am Tonale-Pass: hier wartet inzwischen ein Bikepark mit Gondel und fünf flowigen Panorama-Abfahrten.
Wer das Val di Sole aber mal mit richtigem Bike-Rummel erleben möchte: Hier sind die Locals Meister im Organisieren internationaler Großevents. Nicht umsonst hat sich das Tal als Austragungsort des Downhill-Worldcups fest etabliert. Was auch an einer sehr engagierten Mannschaft von Trail-Bauern liegt. Und genau diese Jungs werden sich auch um die Alta Via Camuna kümmern, über die dieses Jahr die Teilnehmer der Maxxis BIKE Transalp ins Val di Sole hinunter surfen werden. Der sieben Kilometer lange Panorama-Supertrail, von dem auch die Raceteams aus Übersee und Südafrika noch lange träumen werden.
Die Region Die Gemeinde Malè (740 m)liegt knapp 35 Kilometer nord-westlich von Trient, am Eingang des Val di Sole, und ist das Verwaltungszentrum des Tals. Umringt von Stilfserjoch-Nationalpark, Adamello-Naturpark und Brenta-Dolomiten gibt es hier für Tourenbiker jede Menge zu tun. Info: www.visitvaldisole.it
Bikepark Val di Sole Selbst die besten Downhill-Profis werden nervös, wenn wieder ein Worldcup (10. –16.6.24) oder eine WM auf der selektiven Downhill-Strecke „Black Snake“ im Bikepark bei Daolasa ansteht. Aber der Park bietet auch noch vier sanftere Strecken. Saison: 8. Juni – 22. September, Info: www.centrobikevaldisole.com
Bikepark Ponte di Legno-Tonale Bikepark mit großem Servicecenter am Tonale-Pass, Info: bike.pontedilegnotonale.com