Stefan Frey
· 04.03.2022
Die Auswahl an Bike-Schuhen ist riesig, doch nicht jedes Modell passt zu jedem Einsatz-Zweck. Ob Race oder Trail – wir klären, welcher Schuh für Sie optimal ist.
Welcher Mountainbike-Schuh ist der richtige für mich? Das Angebot ist riesig, den einen MTB-Schuh für alles gibt es aber leider genauso wenig wie den Osterhasen oder den Weihnachtsmann. Bevor man sich also für ein Modell entscheidet, sollte man sich über seine Anforderungen im Klaren sein.
Suche ich einen leichten und steifen Schuh für schnelle Runden auf der Cross-Country-Strecke, der jedes Muskelzucken in Vortrieb umsetzt? Oder brauche ich robuste Treter für Trail- und Enduro-Einsätze, mit denen man sicher auf dem Pedal steht und auch mal eine Schiebepassage meistert? Wir erklären anhand der wichtigsten Kriterien, welcher Bike-Schuh optimal für Ihren Einsatzzweck ist.
Wenn jedes Gramm zählt, gibt es nur eine Wahl und zwar einen richtig leichten Race-Schuh. In unserem letzten Race-Schuh-Test lagen die Gewichte im Schnitt bei 754 Gramm (Größe 44), während die Modelle im 2022er-Trail-Schuh-Test (BIKE 04/2022) durchschnittlich 961 Gramm wogen.
Mit gerade mal 653 Gramm (Größe 44) ist der Specialized S-Works Recon wohl aktuell einer der leichtesten Schuhe überhaupt. Interessiert? Dann sollten sie schon mal anfangen, etwas Kleingeld zur Seite zu legen. Für die Leicht-Treter werden aktuell 430 Euro aufgerufen >> bei Bobshop* oder BikeInn* erhältlich.
Doch auch im Einsteiger-Segment tummeln sich ein paar richtig leichte Exemplare. Der Shimano SH-XC501* wiegt nur 682 Gramm und kostet keine 150 Euro. Ein echtes Schnäppchen für Marathon-Biker, zumal man mit seiner Michelin-Sohle auch abseits des Pedals noch gut zurechtkommt – aber dazu später mehr.
Für alle, die Gewicht eher als nebensächlich erachten, bietet die Trail-Kategorie eine Fülle unterschiedlichster Modelle. Los geht es ab etwa 850 Gramm (Größe 44). Robuste Exemplare wiegen aber schnell mal ein Kilo und mehr. Beispielsweise ist der Crankbrothers Mallet E Speed Lace* mit 910 Gramm ein solider Allrounder, der guten Schutz, hohen Tragekomfort und eine ausreichend steife Sohle bietet.
Wer möglichst schnell von A nach B kommen möchte, ist natürlich bei den Race-Schuhen gut aufgehoben, allerdings mit einer Einschränkung: Maximalen Vortrieb generieren nur die Modelle mit Carbon-Sohlen, auch das hat unser letzter Vergleichstest gezeigt. Preiswerte Race-Schuhe bis etwa 160 Euro sind in der Regel mit einfachen Nylon-Sohlen ausgestattet. Die liefern zwar passable Werte bei der Kraftübertragung, weisen aber noch deutlichen Flex und somit spürbaren Kraftverlust auf.
Leichte Steifigkeitsvorteile gegenüber reinen Nylon-Sohlen bringen Modelle mit einem Mix aus Nylon und Carbon, doch die sind selten geworden im unteren Preissegment. Richtig flott voran geht's ab etwa 200 Euro. Dann laminieren die Hersteller die Schuh-Sohlen aus Carbon, was für ein deutliches Plus an Steifigkeit sorgt. Für richtig schnelle Rundenzeiten sollten Racer also lieber etwas mehr investieren.
Übrigens: Nur weil Trail-Schuhe mehr dem Allround-Anspruch gerecht werden müssen, heißt das nicht automatisch, dass ihre Sohlen sich wie Bananen um die Pedale biegen. Stabile Modelle können durchaus mit den Steifigkeitswerten der preiswerten Race-Schuhe mithalten. So lassen sich auch lange Touren mit vielen Höhenmetern kraftsparend bewältigen.
Das Zusammenspiel von steifen Carbonsohlen und harten Profilblöcken macht das Laufen mit Race-Schuhen zum Eiertanz. Auch wenn einige Hersteller inzwischen griffigere Gummimischungen von Michelin, Vibram und Co. verbauen – Schieben oder Tragen ist mit Race-Schlappen selten ein Vergnügen. Selbst die weniger steifen Modelle rollen häufig derart schlecht ab, dass es einem die Ferse fast aus dem Schuh hebt. Für etwas mehr Halt in matschigen Bedingungen lassen sich an Race-Schuhen häufig Stollen unter den Zehen montieren.
Muss man im Gelände aus dem Pedal, haben die Trail-Treter klar die Nase vorn. Nahezu alle Modelle im aktuellen Test in BIKE 04/2022 sind mit grobstolligen Profilen ausgerüstet. In der Regel entwickeln die Hersteller mit Gummi-Spezialisten wie Vibram, Michelin und SUPtraction ihre eigene Laufsohle.
Mit einem griffigen Touren-Schuh lässt sich das Bike auch locker ein paar hundert Höhenmeter den Berg hochtragen. Unterschiedlich stark flexende Zonen unter den Zehen und am Heck sorgen teils für Laufkomfort wie mit Wanderschuhen. Versteift sind in diesem Fall dann wirklich nur die Bereiche um die Cleats herum.
Doch nicht alle aktuellen Modelle bieten trotz griffiger Mischung auch den nötigen Grip auf Felsen oder Wurzeln. Profile, die sich eher an Flatpedal-Schuhen orientieren und für mehr Kontakt zwischen Schuh und Pedal sorgen sollen, verbeißen sich in der Regel schlechter im Untergrund. Wer maximalen Grip auch abseits der Pedale sucht, sollte viel Wert auf offene, grobe Profile legen.
Auch die Wahl der Pedale hat einen gewissen Einfluss auf die Kraftübertragung und vor allem auch auf die Standsicherheit. Während die steifen Race-Schuhe auch auf Pedalen ohne zusätzlichen Käfig – etwa die klassischen "Schneebesen" Eggbeater von Crankbrothers – stabil und sicher stehen, sollten Trail- und Enduro-Biker eher zu Pedalen mit vergrößerter Aufstandsfläche greifen.
Klick-Pedale mit vergrößerter Standfläche können die tendenziell weicheren Schuhsohlen von Tourenbikern zusätzlich abstützen. Das verbessert einerseits die Kraftübertragung und erhöht gleichzeitig die Standsicherheit im technischen Gelände. Manche Trail-Pedale verfügen dagegen eher über einen Alibi-Käfig, der nur dazu dient, den Klickmechanismus zu schützen. Ein Blick von der Seite macht schnell klar, ob die Sohlen die Mini-Käfige überhaupt berühren.
Das Klicken der Drehverschlüsse kennt heut wohl jeder Biker. Dank Boa lässt sich der MTB-Schuh in Mikro-Schritten an den Fuß anpassen und per Zug am Drehknopf fix wieder öffnen. Bei Race-Schuhen sind die praktischen Boa-Drehverschlüsse mittlerweile weit verbreitet und kommen bereits an preiswerten Modellen zum Einsatz. Dann aber häufig in Verbindung mit einem zusätzlichen Klettverschluss. Klassische Schnürsenkel, reine Klettschuhe oder Ratschen findet man an Race-Schuhen inzwischen fast ausschließlich im Einsteiger-Segment um etwa 100 Euro.
Während der günstigere L6-Verschluss von Boa nur in eine Richtung dreht, lässt sich der hochwertigere Boa IP1 auch rückwärts feinjustieren. Der L6 baut dafür auf ein Kartuschensystem, das weniger verschmutzt und sich im Falle eines harten Aufpralls vom Bajonett löst. Der Verschluss kann dann einfach wieder aufgesetzt und weiterbenutzt werden.
Je nach Hersteller unterscheiden sich die Drehrädchen in Design und Ausstattung. So gibt es L6-Verschlüsse etwa mit und ohne Gummierung, farbig angepasst oder schwarz. Die Kombi aus Boa-Verschluss und Klett funktioniert in der Regel besser als ein einzelnes Drehrädchen, weil damit am Vorfuß oft zu wenig Zug aufgebaut wird. Noch besser: zwei Drehverschlüsse, wie man sie bei den teuren Modellen findet. Im Falle eines Defekts stellt Boa für alle Verschlüsse kostenlose Reparatur-Sets zur Verfügung, so lange der entsprechende Schuh noch zu gebrauchen ist.
Bei den Trail-Schuhen geht der Trend aktuell wieder mehr in Richtung Schnürsenkel, was kein Nachteil sein muss. Denn die klassische Schnürung nimmt zwar etwas mehr Zeit in Anspruch, lässt sich aber sehr fein an den Fuß anpassen – und auf dem Weg zum Lieblingstrail geht es ja eher selten um Zehntel-Sekunden. Außerdem lässt sich eine Schnürung unterwegs auch leichter reparieren als ein Boa-Verschluss. Ein gerissener Schnürsenkel kann zur Not auch mal durch einen Kabelbinder ersetzt werden.
Auch beim Blick auf das Obermaterial wird schnell der Unterschied zwischen Race- und Trail-Schuhen deutlich. Laser-Cuts, Mesh-Einsätze und Lüftungsschlitze sollen die Race-Schuhe bei der Hetzjagd um die Bestzeit besonders gut belüften. Statt komfortabler Polsterung steht ein möglichst enger Sitz am Fuß und somit eine bessere Kraftübertragung im Fokus – das ist nicht immer wirklich bequem, aber maximal effizient.
Wer mehr Komfort wünscht, greift auch hier wieder zum Trail-Schuh. Die Modelle sind in der Regel deutlich komfortabler gepolstert und bieten mehr Schutz vor Felskontakt oder Schlammbeschuss. Stabile Zehenkappen, erhöhte Partien an der Knöchelinnenseite oder wasser- und schmutzabweisende Materialien: Trailschuhe sind eher für den Kampf gegen das Gelände gewappnet als für den Kampf gegen die Uhr.
An heißen Tagen kann es so schon mal etwas schwitziger im Schuh werden. Außerdem braucht die dicke Polsterung in Verbindung mit dem geschlossenen Obermaterial in der Regel auch länger, bis sie nach einem Regenschauer oder einer Wasserdurchfahrt wieder abtrocknet.
Pro
Contra
Pro
Contra
Touren-Schuhe für Mountainbiker müssen das Beste aus zwei Welten vereinen. Griffig und komfortabel wie Wanderstiefel, zugleich aber steif und antrittsstark wie Race-Schlappen – Kriterien, die sich nahezu gegenseitig ausschließen. Welches Modell den Spagat schafft, zeigt unser Test in BIKE 04/2022.
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