Stefan Frey
· 31.07.2022
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Rucksack? Hipbag? Satteltasche? Was ist die richtige Tasche auf dem Mountainbike? Auf dem Weg zum Gipfelglück lauern viele Hürden. Reifenpannen. Hungerast. Regenschauer. Wohin also mit dem ganzen Material, das Bikern durchs Abenteuer hilft? Wir haben alle drei Transportsysteme gecheckt und zeigen die Vor- und Nachteile.
Beim diesjährigen BIKE Festival am Gardasee hatte ich den Eindruck, ich wäre schnurstracks in die 90er zurück katapultiert worden. Kurz nach Rovereto im Jahr 2022 rein in den Tunnel und durch irgendeine skurrile Zeitverschiebung 1993 hinten wieder raus. Biker mit knallbunten Riesensonnenbrillen stylten da übers Festivalgelände. Zu weite Shirts, zu kurze Hosen, darunter lange weiße Socken mit farbigen Kringeln. Ihre Siebensachen hatten sie entweder in Hüfttaschen um den Bauch geschnallt oder am Rahmen oder Sattel ihre Taschen ans Mountainbike gestrapst. Der gute alte Rucksack schien einer Trendwende zum Opfer gefallen zu sein.
Was ist dran an der neuen Transportmode? Sind Hipbags wirklich praktischer als Rucksäcke? Für wen sind Satteltaschen die richtige Wahl? Und welche Möglichkeiten gibt es noch, sein Equipment am Bike zu verstauen? Wir haben sämtliche Alternativen bei Mountainbike Taschen getestet.
„Ich nutze die ,Arschrakete‘, um auf Bikepacking-Touren einen Schlafsack, Wechselklamotten oder Regenbekleidung mitzunehmen. Im Winter habe ich eine dicke Jacke dabei, um mich bei einem Defekt wärmen zu können.” Sandra Schuberth, BIKE-Online-Redakteurin
Bikepacking ist DER Trend der letzten Jahre. Lange Strecken auf Forst- und Schotterwegen, zwischendrin mal ein leichter Singletrail, und wenn der Tag zur Neige geht, rollt man seinen Schlafsack am Waldrand aus und lauscht der Natur beim Einschlafen. Hier ist die Satteltasche die perfekte Alternative zum Rucksack auf dem MTB. Der Rücken bleibt frei und scheint dabei förmlich aufzuatmen. Kein Ziehen im Kreuz, kein Druck auf den Schultern. Über die praktischen Rollverschlüsse sind die Taschen, die aussehen wie Spritztüten vom Zuckerbäcker, extrem variabel in der Größe, wasserfest bis -dicht und schützen den Hintern obendrein auch noch vor Schlammbeschuss.
Doch ihre Nachteile sind ebenso offensichtlich: Es gibt weder Unterteilungen noch praktische Steckfächer. Im Zweifel muss man die ganze Tüte leeren, um das Minitool vom Taschenboden hervorzukramen. Hier ist eigentlich nur die Kombi mit einer Rahmentasche für Kleinteile sinnvoll. Vor allem am Fully wird die Funktion der Teleskopstütze stark eingeschränkt, und in ruppigem Gelände schunkeln die Taschen wie Wiesenbesucher zum „Anton aus Tirol“. Auf technischen Touren könnte also die Hipbag die bessere Alternative zu Rucksack und Satteltasche beim Mountainbike sein.
„Für die Feierabendrunde brauche ich selten mehr als Minitool, Ersatzschlauch, Pumpe und etwas Wasser. Wozu soll ich da den großen Rucksack mitschleppen?“ Peter Nilges, BIKE-Testleiter
Eben: Denn mit etwa zwei bis vier Litern Volumen bieten Hipbags gerade so Platz für das nötigste Equipment. Die meisten Modelle übernehmen entweder mit einer kleinen Trinkblase mit maximal 1,5 Liter Volumen oder einer Trinkflasche im extra dafür vorgesehenen Steckfach auch gleich die Wasserversorgung. Clever unterteilt schaffen sie Übersicht trotz minimalen Platzangebots. Wechselt man im Gelände direkt vom Rucksack auf die Hipbag, rutscht einem schon mal ein erstauntes „Oha“ über die Lippen – wie beweglich man im Schulterbereich plötzlich durch technische Passagen steuert.
Und das Beste: Man muss diese Mountainbike Taschen nicht mal abnehmen, um an den Inhalt zu gelangen. Einfach nach vorne drehen, und man kramt in ihr, wie die Wochenmarktverkäuferin nach dem Wechselgeld. Allzu schwer sollte man die praktischen Hüfttaschen allerdings nicht beladen. Wenn erst mal an die vier Kilo am Hüftgurt zerren, schnürt es einem ordentlich den Bauch zusammen. Vor allem zu voll beladene oder mit Luft gefüllte Trinkblasen und nicht fixierte Gegenstände schaukeln sich an Geländestufen oder Wurzelteppichen unangenehm auf. Und was macht man, wenn einen auf Tour ein Regenschauer überrascht? Unterstellen oder Zähne zusammenbeißen? Für Wechselklamotten bleibt nur in den wenigsten Hipbags Platz. Und das ist der Punkt, an dem der gute alte Tagesrucksack für’s MTB wieder ins Spiel kommt.
„Launisches Wetter, keine Möglichkeit zur Einkehr und weit und breit keine Hilfe, falls doch mal was kaputtgeht – auf Tour in den Bergen bin ich gerne auf alle Eventualitäten eingestellt.“ Stefan Frey, BIKE-Testredakteur
Mit etwa 11 bis 18 Litern Volumen bieten die kompakten Modelle in der Regel ausreichend Platz für eine umfangreiche Materialliste: Werkzeug. Verpflegung. Wechselklamotten. Erste-Hilfe-Set - alles hat Platz in einem mittelgroßen Bike-Rucksack. Hier sind Mountainbiker für den Ernstfall gerüstet. Damit man aber bei dem ganzen Krempel nicht die Übersicht verliert, lässt sich alles fein säuberlich in Steckfächer und Schubtaschen sortieren. Besonders praktisch sind die weit öffnenden, übersichtlichen Werkzeugfächer der meisten Modelle. Herrlich, da wünscht man sich schon fast eine Panne auf der Tour.
Auch beim Tragekomfort können viele MTB-Rucksäcke punkten – auch wenn der Rücken natürlich nicht mehr so frischluftumspült ist wie bei den anderen Taschensystemen. Deuter, Evoc, USWE: Sie alle umschließen die Hüften ihrer Träger mit breiten Flügeln und nehmen so, selbst voll beladen, viel Last von den Schultergurten und verhindern gleichzeitig, dass sich der Packsack in der Abfahrt in den Nacken schaukelt. Sofern sie nicht eh schon über einen integrierten Rückenprotektor verfügen, wie Evoc und USWE, schützen die Rucksäcke auch so ihre Träger im Falle eines Sturzes in gewissem Maße vor Rückenverletzungen – was wir in einem Aufpralltest
bereits vor einigen Jahren nachgewiesen haben.
Wer sich mit keiner der drei Alternativen bei Mountainbike Taschen so richtig anfreunden kann, findet inzwischen bei zahlreichen Herstellern clevere Lösungen, mit denen sich Werkzeug und Zubehör auch am Rahmen des Bikes unterbringen lassen. Auch hier haben wir die unterschiedlichsten Systeme ausprobiert und waren erstaunt, wie praktisch doch so eine kleine Tasche im Rahmendreieck sein kann. Und zum Glück sehen die heute auch bedeutend stylischer aus, als die knallbunten Rahmentäschchen, die in den 90er-Jahren zum Weltspartag bei den Genossenschaftsbanken verteilt wurden.
Warum sich selbst unnötig Gepäck aufladen, wo sich doch das Bike perfekt als Lastenesel eignet? Diese Teile halten Bikerinnen und Bikern – kleines Wortspiel – den Rücken frei.
89 Euro - 148 g - 2 Liter - weitere Infos->
Die hochwertige und besonders leichte Rahmentasche von Apidura besteht aus wasserdichtem, robustem Nylon. Mit zwei Litern Volumen eignet sie sich bestens zum Transport der mobilen Werkstattausrüstung. Zwei Klett-Loops sichern die Ladung, über einen Kabelausgang lassen sich beispielsweise GPS-Geräte an eine Powerbank anstöpseln. Die kompakte Tasche wird über vier Klett-Straps befestigt und passt auch in viele Fully-Rahmen.
89,95 / 19,95 Euro - 561 g / 61 g - 10 Liter - weitere Infos->
Besonders auf leichten Trails oder Schotterrunden ist die „Arschrakete“, wie sie gerne genannt wird, eine tolle Alternative zu Rucksack und Co. Der Topeak Backloader* besteht aus einem robusten Holster, in das ein wasserdichter Packsack eingeschoben wird. Die getestete Version fasst maximal zehn Liter, lässt sich aber natürlich auch komprimieren. Beim Einrollen eingeschlossene Luft kann man einfach über ein Ventil an der Seite ablassen. Eine Unterteilung im Inneren gibt es zwar nicht, doch dafür erleichtert der herausnehmbare Packsack das Beladen. In Verbindung mit dem DP Mount* von Topeak lassen sich Satteltaschen auch an Bikes mit Teleskopstützen ohne größere Einschränkungen nutzen. Wer gerade keine Tasche transportiert, kann den DP Mount auch in einen Flaschenhalter oder eine Zubehörhalterung umfunktionieren.
15 Euro - 43 g - flexible Gummischlaufen - weitere Infos->
Mit diesem praktischen Klett-Strap wird quasi jeder Winkel des Rahmens in Stauraum verwandelt. Kleinteile, wie Schläuche, Reifenheber, CO²-Kartusche oder Minipumpe, lassen sich so klapperfrei ans Bike strapsen. Gummierungen an Gurt und Halterung verhindern, dass das Zubehör am Rahmen verrutscht. Den Backcountry Research Mütherload Strap gibt es in zig verschiedenen Farben.
80 Euro - 127 g - 0,9 Liter - weitere Infos->
Wenn der Hungerast beim Mountainbiken naht, greift man am besten einfach in die kleine Oberrohrtasche der Bikepacking-Spezialisten. Der Magnetverschluss der Deckelklappe lässt sich mit einer Hand öffnen und gibt den Blick auf den gesamten Inhalt frei. Eine mechanische Einrastfunktion verhindert, dass der kostbare Inhalt rausgerüttelt wird. Müsliriegel, Nüsschen oder Gummibärchen? Hier findet Platz, wonach auch immer der Biker-Magen gerade knurrt.
59 Euro - 109 g - 0,6 Liter - weitere Infos->
Das B-Rad-System ist eine ziemlich clevere Erweiterung der Flaschenhalteraufnahme. Alu-Schienen in unterschiedlichen Längen und Halteplatten schaffen zusätzlichen Platz für Rolltaschen, Werkzeug- oder Zubehör-Straps im Rahmen. Wir haben die mittellange B-Rad-3-Schiene und die B-Rad-Base mit einem Flaschenhalter und der B-Rad TekLite Roll-Top-Bag 0.6L kombiniert. Der Rollverschluss verhindert zuverlässig, dass Schmutz oder Wasser ins Innere gelangen. Die leichte Tasche lässt sich über den gummierten Klettverschluss alternativ direkt am Rahmen montieren und ist auch mit einem Liter Volumen erhältlich.
Tolles Gefühl, so ganz ohne nerviges Gepäck am Rücken durchs Gelände zu heizen. Irgendwie frei und unbeschwert. Gerade Langstreckenliebhaber könnten Gefallen daran finden. Wir sind drei Alternativen zu Rucksack und Co. Probe gefahren.
164 Euro - 287 g - 6 Liter - weitere Infos->
Die Bikepacking-Spezialisten aus London haben mit der Backcountry eine für Teleskopstützen optimierte Satteltasche im Programm. Ihre Bauweise lässt viel Raum, um den Sattel noch absenken zu können. In Verbindung mit dem optional erhältlichen Dropper-Post-Adapter kann die Stütze nahezu ohne Einschränkung genutzt werden. Die Anbringung der sehr hochwertig verarbeiteten 6-Liter-Tasche ist schnell und unkompliziert über zwei Schnallen und Zurrgurte geregelt. Das Volumen lässt sich durch den Rollverschluss einfach an den Inhalt anpassen. Auch wenn es kein Kompressionsventil gibt, lässt sich überschüssige Luft relativ leicht aus dem Packsack drücken. Die Innenseite des robusten Materials ist hell, so behält man gut den Überblick über den Inhalt, auch wenn es keinen Packbeutel gibt, der sich zum Beladen entnehmen lässt. Spritzwasser und Regen bleiben zuverlässig draußen. An der Oberseite lassen sich Wechsel- oder Regenklamotten an einem Gummiband befestigen. Zusätzlich gibt es zwei Ösen für ein Rücklicht. Die Tatsache, dass Apidura eine lebenslange Garantie und einen Reparatur-Service anbietet, relativiert den hohen Preis.
159,99 Euro - 688 g - 13 Liter - weitere Infos->
Dass auch Ortliebs neueste Satteltasche* absolut wasserdicht ist, versteht sich quasi von selbst. Doch ebenso an vielen anderen Stellen wirkt die robuste, etwas schwere Tasche ziemlich clever. Hat man den Quick-Release-Mechanismus erst mal verstanden, kann man die Tasche im Handumdrehen vom Bike entfernen, ohne Schlaufen umständlich durch die Sattelstreben friemeln zu müssen. Dank mitgeliefertem Adapter gehen gerade mal 4,3 Zentimeter Hub an der Teleskopstütze verloren. Vier Zurrgurte und eine versteifte Konstruktion verhindern effektiv, dass sich die Tasche im Gelände aufschaukelt. Ein Ventil, ähnlich wie bei Schwimmflügeln, lässt überschüssige Luft aus dem Inneren entweichen. So kann man den riesigen Packsack bequem auf die passende Größe schrumpfen. An der elastischen Kordel an der Oberseite werden schnell zu erreichende Utensilien fixiert. Ortlieb gewährt fünf Jahre Garantie und bietet, ähnlich wie Apidura, einen Reparatur-Service. Kleine Kritik gibt es für den häufig klemmenden Haken zur Sicherung des Packsacks.
100 Euro - 505 g - 10 Liter - weitere Infos->
Vaudes Trailsaddle besteht aus einem stabilen Holster und einem wasserdicht verschweißten Packsack. Über ein System aus zwei Gurten und zwei Schnallen ist das Holster schnell und sicher fixiert. Zwei Punkte fallen aber sofort ins Auge: Die breiten Kunststoffgurte beschneiden die Absenkhöhe der Sattelstütze deutlich, und es gibt
kein Ventil am Packsack. Der bläht sich beim Beladen auf wie ein Ballon, wenn man die Luft nicht vorher herausdrückt – etwas umständlich. Dafür ist die Innenseite angenehm hell, was beim Sortieren des Inhalts hilft. Für eine Tasche dieser Größe sitzt die Trailsaddle* erstaunlich stabil unter dem Sattel. Die Zurrgurte laufen zwar etwas rau, dafür halten sie bombenfest durch einen zusätzlichen Clip. An der Oberseite des Holsters sind Geräteschlaufen für die Befestigung von Zubehör wie Rücklicht oder Regenklamotten angebracht. Für Letzteres sind allerdings klassische Gummibänder besser geeignet, weil so kein zusätzliches Befestigungsmaterial nötig ist. Typisch Vaude: der Packsack besteht aus PVC-freiem Planenmaterial, die ganze Tasche ist klimaneutral und umweltfreundlich hergestellt und unter diesem Gesichtspunkt wirklich preiswert.
Sandra Schuberth, BIKE-Online-Redaktion: “Eine Satteltasche, auch Arschrakete genannt, zählt zur Grundausstattung für Bikepacking-Abenteuer und ist ebenso praktisch für Tages-Touren. Verschiedene Taschengrößen bieten flexiblen Stauraum. Meist wird die Rakete mit Riemen an Sattel und Sattelstütze befestigt. Je nach Modell und Packkunst schwingen einige Taschen, besonders im Wiegetritt, hin und her. Schwere Gegenstände und solche, die während der Tour voraussichtlich nicht gebraucht werden, gehören nah an die Sattelstütze, leichtes Gepäck und Dinge, an die man schnell rankommen muss, griffbereit nach oben. Bei den meisten Taschen empfiehlt es sich, die Tasche zu packen, bevor sie ans Rad montiert wird. So kann gestopft und können Lücken gefüllt werden – wichtig für die Stabilität. Beim Anbringen der Tasche ist zu beachten, dass ausreichend Luft zwischen Hinterrad und Tasche bleibt, um Berührungen und Schleifen zu vermeiden – besonders knifflig bei Fullys.”
Rucksäcke:
Hipbags:
Den gesamten Test mit je 6 Rucksäcken und Hipbags aus BIKE 7/2022 mit allen technischen Daten und Noten können Sie hier als PDF downloaden.