Rein sportwissenschaftlich betrachtet ist Mountainbiken ein Einzelsport. In der Realität kommunizieren Biker ständig. Sekündlich werden Fotos vom Trail und neue Bestzeiten im Anstieg mit der Community geteilt. Auch die direkte Kommunikation bei einer gemeinsamen Ausfahrt macht Laune: In der Gruppe können sich Biker anfeuern, Freude teilen, dumme Sprüche loswerden oder über die großen und kleinen Dinge des Lebens sinnieren. Zusammen Radfahren hat gar eine sozialpädagogische Relevanz. Was aber, wenn einer woanders langfahren möchte, als der andere? Wenn einer in den blauen Trail einbiegt, während sich der andere die rote Line gibt? Dann bleibt der Redefluss nur mit einem der neuen elektronischen Kommunikationssysteme erhalten.
Unter optimalen Bedingungen ist ein menschlicher Schrei bis zu zehn Kilometer weit zu hören. Ohne Hilfsmittel sind Gespräche immerhin bis zu 50 Meter weit zu verstehen. Ob auf dem Mountainbike durchgehend kommuniziert werden muss, ist eine fast schon philosophische Frage. Die einen genießen die Ruhe der Natur und die Besinnung auf sich selbst, andere wollen am liebsten alle Erlebnisse sofort teilen. Ständige Erreichbarkeit hat Vor- und Nachteile. Fest steht: Zusammen Biken geht auch ohne Elektronik. Auf dem Motorrad werden Intercom-Geräte seit Jahren genutzt, um trotz Motorlärm und Helm miteinander kommunizieren zu können. Auch Rennrad-Teams nutzen die Systeme, um sich während der Fahrt auszutauschen. Mithilfe der Technik bleibt Sprache trotz hoher Geschwindigkeiten hörbar, ohne dass die Sprechenden den Kopf dafür drehen müssen.
Fürs Biken nennen die Hersteller zwei weitere Einsatzbereiche: die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Trainern uns Sportlern. Wenn der Nachwuchs auf der Familien-Tour also übermütig nach vorne prescht, Mama oder Papa aber trotzdem Richtungsanweisungen oder motivierende Worte loswerden wollen, könnten die Geräte auch beim Mountainbiken Sinn ergeben. Auch die Betreuung durch einen Trainer ließe sich mit den Kommunikationssysteme bereichern, wenn dieser zum Beispiel aus der Entfernung Daten, wie Herz- oder Trittfrequenz überwacht.
Bei Intercom-Lösungen, welche ein sogenanntes Mesh-Netzwerk zur Sprachübertragung nutzen, ist das größte Manko in Sachen Einsatzbereich die Reichweite. In der Alltags-Realität werden wohl eher selten mehr als zwei Geräte in einem Mesh-Netz zusammengeschaltet. Damit die Kommunikationssysteme dann noch Sinn ergeben, müssten beide Gesprächspartner sich stets in einer festgelegten Distanz zueinander aufhalten. Maximal ein Kilometer Luftlinie ist das bei den von uns getesteten Geräten. Getrennte Touren fahren und miteinander quatschen ist also nicht drin. Einzige Ausnahme: Einer fährt entspannt auf dem Radweg unten im Tal, während der andere parallel am Hang die Trails mitnimmt.
In der Abfahrt bieten die Gadgets einen Mehrwert, wenn der Blickkontakt zum Vorausfahrenden abreißt. Dann können noch Warnungen und Streckeninformationen ausgetauscht werden, Jubelschreie bleiben hörbar. Attraktiv sind die Systeme also für alle, die es vermeiden möchten langsam zu fahren oder anzuhalten, beziehungsweise für Biker, die einfach in jeder Situation kommunizieren wollen. Absolut sinnvoll: Im Falle eines Defekts oder eines Sturzes können die Mitfahrer schnell informiert werden.
Am ehesten könnten die Kommunikationssysteme in unseren Augen beim Bikepark-Besuch genutzt werden. Will man sich als Gruppe beispielsweise wiederum in zwei fahrtechnisch unterschiedlich starke Gruppen aufteilen, können problemlos Strecken-Infos und die nächste Kaffeepause kommuniziert werden. Im Bikepark halten sich die Nutzer in einem festgelegten Radius auf und können dank der Geräte auch miteinander reden, wenn einer im Lift sitzt und einer gerade die Trails rockt. Doch warum dann überhaupt gemeinsam in den Bikepark fahren? Solange es ein Handynetz gibt, haben Geräte mit Mobilfunk-Nutzung diese Reichweiten-Probleme nicht. Mit ihnen könnte theoretisch sogar während der Fahrt mit dem daheimgebliebenen Kumpel oder der Partnerin kommuniziert werden.
Zusätzlich zur allgemeinen Sinnfrage stellt sich bei Intercom-Lösungen fürs Mountainbiken auch die Frage der Legalität. Geräte mit Bügel- oder In-Ear-Kopfhörern sind im Straßenverkehr nicht grundsätzlich verboten, dürfen die Umgebungswahrnehmung aber nicht beeinflussen. Mit normaler Lautstätke unproblematisch wären Geräte mit Near-Ear-Technologie, wie etwa die Aleck Punks oder die Sena Pi. Diese müssen jedoch mit ebenfalls gut funktionierenden und nicht an die Helmmontage gebundenen Knochenschall-Kopfhörern konkurrieren. Wer sich nichts aus freien Ohren macht, sollte sich zudem überlegen, ob nicht konventionelle Kopfhörer mit Hands-Free-Telefonie-Funktion, bereits alle Bedürfnisse abdecken.
“Ob man als Biker für einige hundert Meter Kommunikations-Reichweite einige hundert Euro ausgeben will, sollte jeder selbst entscheiden. Das Einsatzgebiet ist schmal und die Gadgets sind teuer. Am meisten Sinn ergeben die Systeme nämlich bei der Verwendung mehrerer Geräte in der Gruppe. Wer sich beim Biken mit Kommunikationsproblemen konfrontiert sieht, der kann mit den Intercoms eine Spezial-Lösung finden. In ihrer Nische funktionieren alle von uns getesteten Systeme gut. Vor dem Kauf sollten sich Biker aber einige Grundsatzfragen stellen. Was bin ich bereit für die Unabhängigkeit vom Handynetz zu zahlen? Wie wichtig sind freie Ohren oder Privatsphäre? Für Multisportler könnte sich der Kauf am meisten lohnen, denn die Kommunikationssysteme lassen sich auch beim Skifahren, Klettern oder auf der Kajak-Tour verwenden.” - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur