Timo Dillenberger
· 28.08.2023
Die oberste Grundregel bezüglich Gepäck und Ausrüstung ist beim Bikepacking, wie bei allen Aktivitäten in der freien Natur, die gleiche: „So wenig wie irgend möglich, aber so viel wie nötig!“ Das Problem dieser Formel ist ihr relativ breiter Interpretationsspielraum. Außerdem ermöglicht das Rad im Gegensatz zum Rucksack beim Bergwandern beispielsweise eher mal ein Kilo zu viel; man muss es ja nicht durchweg tragen. Und auch was das Packvolumen angeht: Weltenbummler verstauen beachtliche 120 Liter an ihrem Rad, Rucksacktouristen zu Fuß selten über 80 auf dem Rücken; man hat also auf dem Rad ein paar Freiheiten mehr.
Wobei: Gerade in den letzten Jahren sind die großen Gepäckträgertaschen etwas auf dem Rückzug. „Bikepacking“ heißt das trendige Konzept, das vorsieht, sein Hab und Gut am Rad unterzubringen. Besonders an sportlichen Rädern ohne massiven Gepäckträger hinten bietet das minimalistische Packkonzept – mit vielen, kleinen und leichten Einzeltaschen, verteilt am ganzen Bike – Vorteile. Wenn man denn auf das ein oder andere noch verzichten kann, ist das Radhandling so definitiv besser. Wie viel Stauraum und Gewicht man mitnimmt, bestimmen neben Art und Länge der Tour, Wetter, Programm und Infrastruktur natürlich auch die Möglichkeiten des Rades.
Es kommt also darauf an, was man wie befestigt. Für umfassende Packlisten und eine Marktübersicht aller Taschen und Täschlein reicht eine komplette MYBIKE-Ausgabe nicht. Wir möchten aber möglichst viele hilfreiche Insidertipps geben und die Produkte vorstellen, die wir als besonders praktisch empfunden haben. Jeder Biker, der auf Tour geht, sollte sich beim Zusammenstellen seiner Ausrüstung und eventuellen Neukäufen stets folgende Fragen stellen:
Am ehesten kann man Packvolumen und -gewicht einsparen, indem man sich selbst nach der Wahrscheinlichkeit und Bedeutung fragt, mit der ein Gegenstand zum Einsatz kommt, indem man bei Gruppenfahrten Equipment, wie Pumpe, Decke oder Erste Hilfe-Kit, nur einmal mitführt oder indem man Gegenstände einem Mehrfachnutzen zuführt, wie zum Beispiel die „Vario PS“ weiter unten. Auch Radbekleidung muss nicht für jeden Tag frisch mit, die Funktionsfasern von Trikot bzw. Shirt und Radhose trocknen so schnell, dass man sie getrost abends auswaschen, über Nacht trocknen und morgens wieder tragen kann. Auch fährt man im wahrsten Sinne mit modularer Bekleidung besser; also lieber langes Shirt und Weste als Jacke oder lieber wärmende und regendichte Schicht separat als eine dicke Regenjacke. Und wenn man unterwegs gern ins Museum oder in ein Restaurant geht, muss man kein komplettes „ziviles“ Outfit mitnehmen. Eine leichte Cargohose, am besten mit Zipp-off-Beinen, ist sowohl fahrbar als auch tragbar.
Positionierung, Befestigung und Halt sind die drei Schlagwörter bei Biketaschen. Wenig ist auf langer Strecke so nervtötend wie eine hin und her pendelnde Tasche oder eine, gegen die man bei jeder Kurbelumdrehung stößt. Deshalb sollte man schwerere und feste Gegenstände eher in angeschraubten Taschen platzieren, während Kleidung auch in solche mit Klettbändern oder Ähnlichem gehören. Taschen ohne jede Versteifung sollten immer prall voll sein, weil sie ohne eine gespannte Hülle weder in Form noch hundertprozentig an ihrem Platz bleiben. Taschenverschlüsse zum Wickeln sind hier übrigens deutlich variabler. Das Taschen-Setup sollten gerade Tourenneulinge zwei, drei Tage vor Abfahrt einmal 30 Minuten mit der geplanten Beladung probe fahren.
Für Städtetrips oder Tagesausflüge. Die Ortlieb Vario ist eine vollwertige, wasserdichte Radtasche mit ergonomischem Rucksacktragesystem auf der Rückseite, die uns auch schon im Einzeltest überzeugen konnte. Die jeweils nicht benutzte Befestigung wird schmutzfest abgedeckt! Preis: 199,95 Euro >> hier erhältlich.
Die kleinen, länglichen Taschen erhöhen das Ladevolumen des Rades um je sechs Liter, beeinflussen die Fahrbarkeit wegen tiefer Lage entlang der Lenkachse aber kaum. Der Halter kann an Gewinden der Gabel oder mit Kabelbindern montiert und die Tasche schnell mit zwei Schnallen abgenommen werden. Preis: je 64,95 Euro >> hier erhältlich.
Wegen der Sattelstützenmontage kann man nur zwei bzw. drei Kilo zuladen, ohne Gepäckträger ist das aber sonst ungenutzter Raum, und der Inhalt ist ziemlich gut vor Vibrationen geschützt. Der Clickfix-Halter ist stabil und die Tasche abnehmbar. Ideal für eine Kamera oder als „Kofferraum“ am sportlichen Rad. Preis: 90 Euro >> hier erhältlich.
Der Lenker ist eine sensible Stelle zur Gepäckmontage, hier ist der Schwerpunkt hoch und die Tasche muss “mitgelenkt” werden. Die kleine und dank beidseitigem Rollverschluss sehr variable Acepac hat nicht nur die perfekte Größe (8 bis 16 Liter), sondern sitzt von allen ihrer Art bisher am festesten. Tipp: Abstandhalter zum Rahmen gleich mitbestellen. Preis: 69,99 Euro >> hier erhältlich.
Wer einen guten Gepäckträger hat, sollte auch ruhig große, solide Gepäcktaschen nutzen, nur finde man da mal was drin! Die Innentaschen von Ortlieb sind hier eine riesige Hilfe, mit 6,6 und 5 Litern hat man unterwegs in zwei Griffen auch kleine Gegenstände zielgenau zur Hand. Man muss auch nicht die Tasche im Zelt komplett ausleeren. Topprodukt! Preis: 45 Euro >> hier erhältlich.
Die Halterung der 7-Liter-Tasche aus Recyclingmaterial wird mit festen TPU-Straps an der Gabel befestigt und soll sich nicht verdrehen lassen. Noch cleverer ist der Fidlock-Magnetverschluss, mit der die Jack Wolfskin Morobbia Fork Bag in einer Sekunde an die Halterung gesetzt oder abgenommen werden. Die Taschen sind wasserdicht und komprimierbar, tolle Bikepacking-Ausrüstung! Preis 99,95 Euro >> hier erhältlich.
Rolltaschen unterm Sattel sind superpraktisch, das Abnehmen und Neu-Justieren nicht. Diese Satteltasche besteht aus einem sehr festen Teil am Rad und einer herausnehmbaren leichten Tasche, das sitzt super und erleichtert den schnellen Zugriff. Trotz 18 Litern hängt die “Arschrakete” souverän am Sattel. Preis: 155,99 Euro >> hier erhältlich.
Wegen des hohen Schwerpunkts sind große Taschen auf dem Heckträger out, die kleine, schnell abnehmbare Tasche von Ortlieb aber nutzt diesen Platz super. Für Wertsachen etwa, die man dank Schnellverschluss auch in den Laden mitnehmen kann. 12 Liter sind super, die max. 10 Kilo bitte nicht ausreizen… Preis: 115 Euro >> hier erhältlich.
Das Gestell ist quasi an jedem Rahmen sicher und reversibel montierbar und mit ein bis drei der superrobusten 12-Liter-Wickeltaschen bestückbar. Erste Testfahrten hielten den versprochenen guten Sitz, sieht dazu noch spitze aus. Preis: 135 Euro bzw. 59 Euro das Stück >> hier erhältlich.
Wenn man Biketouren mit Zelt und solche abseits der Zivilisation mal ausschließt, ist die Bekleidung der wichtigste Punkt auf der Ausrüstungsliste. Und auch wenn das manch einem ästhetisch nicht so behagt, Dreh- und Angelpunkt eines guten Tourendresses ist eine Hose mit Sitzpolster. Wer deutlich länger im Sattel sitzt als gewohnt, kommt da kaum drumherum. Die gibt’s als jede Bewegung mitgehende, enge Tight, als Unterhosen mit Einsatz oder als legere Shorts mit integrierter Unterhose samt Einsatz. Der Rest ist dann eher Wetterschutz. Radfahrer gleich welchen Levels kleiden sich an den Beinen eher dünn, halten dafür Oberkörper, Arme und vor allem den Hals warm. Neben Isolation und Atmungsaktivität zeichnen sich gute Textilien auf Bikepacking-Tour durch geringes Packmaß, Knitterfreiheit und radtauglichen Schnitt aus.
Wieder ein hybrides Teil. Solche, per Reißverschluss zur Shorts transformierbaren, Hosen sind schon zwei in einer. Beides geht, wenn’s kalt wird, über die Radlerhose genauso wie als Teil des Ausgehlooks. Wichtig, die Hose muss elastisch genug sein und darf beim Beugen der Knie nicht spannen, Nähte und Zipper dürfen nicht auf der Haut reiben. Top mit Bikeunterhose. Preis: 140 Euro >> hier erhältlich.
Komprimierbarkeit ist (fast) alles, wenn’s ums effiziente Packen geht. Deshalb haben sich solche bauschigen Steppjacken sehr bewehrt, wenn denn eine wirklich warme Lage mit soll. Fleece mit ähnlicher Wärmewirkung z. B. brauchen etwa das Dreifache an Platz. Bonus: So schicke Oberteile sind auch voll gesellschaftstauglich, das spart das Ausgehdress schon zur Hälfte ein. Preis: 250 Euro >> hier erhältlich.
Auch die eher wie ein Hoodie geschnittene Bike Commute Mono Jacke von Jack Wolfskin ist wind- und wasserdicht bis 10.000 mm Wassersäule. Mit etwas längerem Rücken deckt sie die Lenden auch ab, wenn man sich über den Lenker beugt. Der Schnitt ist leger, aber nicht so, dass er im Wind flattert – wichtig! Der Hightech-Stoff ist übrigens Teil eines hundertprozentigen Materialkreislaufes. Preis: 299,95 Euro >> hier erhältlich.
Anderes Konzept, ähnlich variabel: Kombihosen wie die Vaude All Year Moab wurden gemacht, um an langen Tagen im Gelände die Wetterwechsel ohne Zusatzequipment mitzumachen. Die kurze Softshellhose und die lange spritzwasserfeste Tight können auch solo getragen werden. In Kombi sind sie ein hochbeweglicher Wetterschutz und zeigen nicht ganz so offen des Trägers Silhouette. Nicht billig. Preis: 200 Euro >> hier erhältlich.
Hemd statt Trikot? Kaum jemand weiß, dass es solche modischen Hemden auch aus schnell trocknenden, sporttauglichen Fasern gibt. Das hat natürlich den Vorteil, dass es neben der legeren Optik auf dem Rad auch abseits des Radwegs eine gute Figur macht. Mit solch einem Hemd plus Weste ist man meist schon für die allermeisten Städtetrips aufgestellt. Preis: 80 Euro >> hier erhältlich.
Eine Expertin für Funktion UND Optik hat uns ein Bikepacking-Outfit von POC zusammengestellt, das variabel, tourentauglich und dezent schick ist. Warum POC? Es ist die einzige Marke, die eine nicht schwarze oder mit Sponsoren bestückte Tight führt. Ihr gutes Polster ist die Basis, dazu die luftige Short in einem mit allem gut kombinierbaren Farbton. Shirt statt Fahrradtrikot lockert optisch auf, sitzt aber eng genug fürs Biken. Westen sind das zweite Kernelement, je nach Wetterlage die dick gefütterte Coalesce oder die sportliche auf Packmaß getrimmte Pro thermal. Keine lange Hose, dafür ein warmer, flexibler Pulli aus atmungsaktivem Stoff und für den harten Wetterumschwung die Regenjacke, beide mit hohem Kragen.
Preise: Coalesce Weste: 170 Euro, Pro Thermal Weste: 170 Euro, Motion Rain Jacket: 175 Euro, Rove Cargo Bib: 180 Euro, Mantle Thermal Hoodie: 75 Euro, Transcend Short: 80 Euro, Air Tee: 65 Euro
Wer sich nicht gerade MacGyver nennt und selbst in der Wildnis ohne jede Hilfe auskäme, kann mit ein paar Tools einige Probleme abwenden oder gar nicht erst aufkommen lassen. Wie oben erwähnt, gehören Werkzeug zur Reifenreparatur und ein Satz Steckschlüssel sowie eine Pumpe ins Gepäck jeder Gruppe. Ein Lappen und eine Flasche Öl sind auch praktisch, Kabelbinder und Gaffertape ebenso. Bedenken sollte man immer auch die Stromversorgung für Navi, Mobiltelefon, Lampen usw. Von den vielen Problemlösern am Markt erschienen uns die Folgenden am sinnvollsten und erfolgversprechendsten.
Auf Tour braucht man den gleichen Schutz wie in der Stadt, aber mehr Belüftung und mehr Komfort, deshalb sind sportliche Fahrradhelme mit weniger Gewicht und deutlich mehr Öffnungen hier klar besser über lange Zeit zu tragen. Der Alpina Ravel gehört hier zu den luftigsten, ist aber noch bezahlbar. Preis: 129,95 Euro >> hier erhältlich.
Auch Augenschutz ist superwichtig, nicht nur gegen Sonne: Allein Fahrtwind und Fremdkörper können über die Dauer das Auge austrocknen und ihm schaden. Guter Sitz, Belüftung und Beschlagfreiheit sind wichtig, dazu brechen Fahrradbrillen wie die Alpina Turbo im Ernstfall ohne scharfe Kanten. Preis: 69,95 Euro >> hier erhältlich.
Diese Zefal-Fahrradpumpe ist genau das, was im Eingangstext beschrieben wurde – möglichst variabel auf wenig Raum. Die Teleskoppumpe versteckt den Schlauchaufsatz bei Nichtgebrauch im Gehäuse, ins andere Ende kann man eine CO2-Patrone drehen und sich so das Pumpen sparen, auch für abrupten Druckaufbau bei Tubeless-Reifen top. Patrone inklusive. Preis: 44,95 Euro >> hier erhältlich.
Nach Karte fahren ist spannend, aber längst überholt; die meisten Tourenbiker lassen sich heute digital leiten. Via Handy geht es auch, frisst aber Strom, wird heiß und ist nicht robust genug. Fahrrad-Navis, wie das Topmodell von Garmin - der Edge 1040 - machen Wetter und Schlaglöcher mit und arbeiten auch offline. 150 Euro sollte man auf jeden Fall anlegen. Tipp: Für den Edge Explore II gibt’s optional Stromadapter fürs E-Bike. Preis 1040: 599,99 Euro / Explore II: 299,99 Euro.
Eine der Entdeckungen der Eurobike, ein Werkzeugset, das passgenau in den beiden Lenkerenden Platz findet. Mit an Bord sind so diverse Inbus-, Torx-, Kreuz- und Schlitz-Bits für den Steckschlüssel sowie ein Reifenreparaturkit, allerdings bisher nur für Tubeless-Reifen. Dabei gefällt uns weniger die Platzersparnis, als dass man immer weiß, wo was ist. Immer im Lenker! Preis: 59,95 Euro >> hier erhältlich.
Auch Eurobike-Award Gewinner: Das zwei Meter lange, in einer Satteltasche mit automatischem Einzug verstaute Seil ist tatsächlich zum Abschleppen oder Unterstützen anderer per Bike gedacht. Einfach die Schlinge samt Seil herausziehen und am eigenen Vorbau einhaken. Bis 95 Kilo darf man offiziell an das minimal elastische Seil anhängen. Tolle Idee und oft ein Problem weniger. Preis: 49,95 Euro >> hier erhältlich.
Es ist zwar nur ein 40 cm langer Klettgurt, ursprünglich zum Mitführen von Ersatzschläuchen am Rahmen, aber erste Tests haben uns gezeigt, die werden in Zukunft immer dabei sein, weil man so flexibel Dinge befestigen kann, und sei es nur die wackelnde Tasche am Oberrohr. Cool: Der Restrap Framestrap ist auch als Not-Flaschenhalter nutzbar. Preis: 23,99 Euro >> hier erhältlich.
Schrammen, schmutzige Wunden oder andere Blessuren können beim Radfahren immer mal entstehen, sind meist nicht schlimm, würden es aber, wenn man sie nicht gleich versorgt. Im komplett wasserdichten Vaude-Set Größe M ist neben der Notfallausstattung auch noch Platz für ein Medikament, außerdem ist alles komplett wasserdicht verstaut! Preis: 33 Euro >> hier erhältlich.