Neben der Luftpumpe, einem Lappen und etwas Öl sollte jeder Radfahrer zumindest Zugang zu den absoluten Basiswerkzeugen haben, mit denen er oder sie leichte Wartungsarbeiten oder Einstellungen an seinem Velo durchführen kann. Natürlich ist der Umfang der nötigen Tools immer abhängig von den Arbeiten, die man sich selbst zutraut und auch zumuten möchte. Dabei geht es weniger darum, sich das Geld und den Zeitaufwand für nicht unbedingt nötige Werkstattbesuche zu sparen, sondern vielmehr können leichte Schrauberskills die eigene Mobilität erhalten und auch für mehr Sicherheit sorgen.
Plus: Selbst zu schrauben schafft eine tiefere Verbindung zum Rad, was wiederum deutlich sensibler für dessen technischen Zustand sowie etwaige Wartungs- und Reparaturarbeiten macht. Gewissenhaft einen korrodierten, schwergängigen Bremszug zum Beispiel einfach gegen einen neuen auszutauschen ist nicht schwer, erhöht aber die Sicherheit deutlich. Das nötige Equipment ist kaum teurer als der Besuch beim Fachmann. Die Werkstätten sind, wie wir schon öfter erwähnt haben, wegen des Personalmangels nach Corona und den umfangreicheren Arbeiten an immer mehr Pedelecs dauerüberlastet, Wartezeiten deshalb teils sehr hoch.
Bevor wir mit unserer Kaufberatung beginnen aber etwas Grundsätzliches zum Thema Werkzeug und der Tipp schlechthin: nix billiges kaufen! Selten ist das so wichtig wie beim Werkzeug! Auch wenn man wenig schraubt; es geht nicht um die Haltbarkeit der Werkzeuge, sondern um deren Maßhaltigkeit. Schon tausendfach haben nicht exakt passende Inbusschlüssel bei Kraftanwendung die Schraube nicht gelöst, sondern den Innensechskant durch eine schlecht sitzende Form “rund” gedreht.
Und was dann? Im besten Fall rutscht man nur ab und schlägt mit den Fingerknöcheln an, viel ärgerlicher aber ist eine Schraube, die jetzt ausgebohrt werden muss, weil kein Werkzeugkopf mehr greift. Das gilt natürlich für alle Schraubentypen und -köpfe! Billiges Werkzeug erkennt man neben fehlender Maßhaltigkeit meist an sehr flachem, eher wie ausgestanzt wirkendem Material, wenig scharfkantigen Ausformungen an den Kontaktstellen zur Schraube, an schlecht in der Hand liegenden Griffen und natürlich am Dumpingpreis. Auch der Baumarkt ist kein Garant für Qualität, auch hier kostet gutes Werkzeug.
Sollte ein Werkzeug doch mal Spiel im Schraubenkopf haben, nicht 20 Mal probieren, ob es doch geht. Ein Mechaniker-Lifehack sind dünne Gummibänder wie von Einmachgläsern oder auch Luftballons. Zwischen Werkzeug und Schraube füllen sie nicht nur Lücken auf, sondern erhöhen auch die Reibung gegeneinander. Der Druck auf das Werkzeug muss aber recht groß sein.
Leider gilt der Qualitätsanspruch sowohl für das Werkzeug zu Hause als auch für Minitools für unterwegs. Ob man sich eine Schraube so oder so “versaut”, es kostet hinterher immer viel Geld, Zeit und Nerven, könnte doch gewaltsames Entfernen einer rundgedrehten Schraube das teure Rad beschädigen. Die gute Nachricht: Beim Tool für unterwegs kann man ruhig sparen – an den Funktionen, nicht an der Qualität.
Große Operationen im Feld sind meist eh nicht möglich oder von Erfolg gekrönt, neben Pumpe und Reifenheber reichen je nach Radmodell eine kleine Reihe Inbus- und oder Torxschlüssel sowie ein kleiner Kreuzschlitzschraubendreher. Wer länger unterwegs ist, kann ein Tool mit zusätzlichem Kettennieter auswählen. Als platzsparend sowie sehr praktisch in der Anwendung haben sich hier Steckschlüsselsätze wie das “Greenslide 11CT” von Syncros anstelle von klassischen Faltwerkzeugen bewährt.
Abgesehen vom Packmaß führt die Beweglichkeit zwischen Werkzeugspitze und Rumpf eines Falttools oft dazu, dass man zu schräg ansetzt und wenig Kraft auf die Schaube bringt. Mächtige “All inclusive”-Sets, dick wie Schweizer Armeemesser, sind weder nötig, noch lässt sich wegen der oft engen Arbeitsumgebung am Rad gut damit hantieren.
Tipp: Vor dem Werkzeugkauf sollte man tatsächlich einmal ums Rad herumgehen und notieren, welche Art Schrauben und Größe überhaupt verbaut sind; leider mixen manche Hersteller durch Zukauf fremder Komponenten extrem viele Schraubentypen. Über kurz oder lang werden aber wohl alle auf den standhaften Torx-Standard zurückgreifen wie im Pkw-Bereich.
Achtung: Beim Protokollieren nicht die Radbefestigung vergessen, bei Steckachsen sind das verhältnismäßig große Inbusköpfe, selten sind die an Minitools enthalten, bei Nabendynamos und - schaltungen ist der 15er-Maulschlüssel noch oft im Einsatz, auch der müsste separat mitgeführt werden.
Es gibt dazu etliche Meinungen. Park Tool empfiehlt, Schraubverbindungen grundsätzlich zu fetten, aber gerade sensible Verbindungen mit vorgeschriebenem Anzugsdrehmoment werden ohne Schmierung getestet. Deshalb der MYBIKE-Tipp: Große Gewinde, wie an Pedalen oder Steckachsen, ruhig fetten, kleine Schrauben mit weniger als 10 Nm Anzugsmoment trocken lassen!
In der heimischen Garage darf es dann schon ein wenig mehr sein. Neben Schlauch- und Reifenwechsel, Tausch von Bremsbelägen, Zügen und Kette sind es vor allem die Montage von Zubehör und Einstellarbeiten an der Sitzposition, die man sich gut selbst zutrauen sollte. Den “Nippelspanner” zum Lösen oder Festziehen der Speichen haben wir weniger auf die Liste gesetzt, um Räder von Grund auf zu zentrieren – das sollte man erfahrenen Schraubern überlassen. Aber eine lose Speiche wieder so weit spannen, dass sie die nächsten Tage nicht stört, oder eine defekte aus dem Rad entfernen, das kann jeder.
Natürlich gibt es Ausnahmen in der Radwelt, deshalb können wir die Vollständigkeit unserer Liste nicht garantieren. Auf 95 Prozent der Räder trifft das aber zu!
Grundsätzlich möchten wir alle Biker dazu ermutigen, selbst die ein oder andere Reparatur am Rad anzugehen. Tutorials dazu gibt es im Netz und in vergangenen sowie zukünftigen MYBIKE-Heften jede Menge. Gerade wenn es um sensible Schraubverbindungen an Leichtbau- und besonders an Carbonteilen geht, möchten wir aber zu Vorsicht mahnen: Mit zu viel Kraft oder Hebel kann man Faserwerkstoffe schnell in Kunststoffmüll verwandeln.
Wer ohne Hilfe schraubt, halte sich an die Grundformel: Der Zeigefinger darf keinen Millimeter von der Drehachse weg, man muss also sehr nah am Werkzeug greifen. Viel, viel besser ist aber der Einsatz eines Drehmomentschlüssels wie dem Topeak Torq Stick, am besten in der “pro”-Version mit praktischer Verlängerung. Ganz besonders im sportlichen Bereich wie modernen Gravelbikes sind an vielen Schrauben die Anzugsmomente aufgedruckt, werden aber tausendfach ignoriert. Nach Gefühl ist es, wenn überhaupt, nur Profis möglich, hier ohne einen solchen Ratschenschlüssel zu arbeiten, der das Erreichen des eingestellten Werts mit einem spürbaren Knack meldet.
Drei Redaktionshighlights möchte wir an der Stelle teilen, die uns bei den Recherchen begegnet sind: Auf der Eurobike im Juli wurde der “Torq Stick digi” von Topeak vorgestellt. Die digitale Variante des Drehmomentschlüssels wird noch sensibler und leichter einzustellen sein, das Drehmoment-Limit wird zusätzlich akustisch gegeben. Sie kommt inkl. Ratschenset zur Radsaison 2025 in die Läden.
Vom gleichen Hersteller kommt die All-in-one-Lösung für unterwegs. In der Satteltasche “Elementa Gearbag DX” befindet sich die Mini-Ratchet-Rocket sowie ein Reifenspannerset und noch etwas Stauraum für Schlauch, Kettennieter oder ein Gel; damit sind sicher 98 Prozent aller Pannen abgedeckt. Von Park Tool kommt dieser praktische Würfel für Besitzer von Federgabeln. Das Fork Cap Tool setzt man auf die Profile der teils sehr schwergängigen Kappen zum Einstellen von Federhärten oder Öffnen von Zugängen zu den Ventilen. Das Drehen sollte mit dem griffigen Würfel deutlich leichter fallen. Aktuell nur in den USA zu bestellen, für etwa 14 Dollar.