Jörg Spaniol
· 26.01.2015
Ein Bike zu fahren, das die Hälfte des Körpergewichts wiegt, macht keinen Spaß. Kinder müssen sich aber oft genau das antun. Engagierte Eltern greifen also tief in die Bastelkiste – oder den Geldbeutel. Wir geben wertvolle Tuning-Tipps fürs Kinderfahrrad.
Vielleicht ist es gar keine so gute Idee, einen Bike-begeisterten Papa auf die Jagd nach einem Kinder-Bike zu schicken. Es könnte nämlich sein, dass der in den Bikeshop seines Vertrauens geht und ein Bike seiner Lieblingsmarke kauft, nur eben kleiner. Ein Bonsai-Papa-Bike. Bunt, möglichst rundum gefedert – geil eben, und gar nicht mal teuer. Doch so einfach ist das nicht, wenn es dem Nachwuchs Spaß machen soll. Die kleinen Bikes der großen Marken wirken im Detail oft lieblos: Zu lange Tretkurbeln mit zu breitem Abstand versauen die Ergonomie. Billige Zwei-Kilo-Federgabeln sprechen nicht auf 25-Kilo-Fahrer an. Und die preiswerten Schaltkomponenten überfordern die Handkräfte. Fairerweise sei gesagt, dass die 20-Zoll-Kinder-Bikes der Großen meist weniger kosten als Papas Bremsen.
Gerade in der 20-Zoll-Klasse sind die üblichen Gewichte von zehn bis 13 Kilo echte Spaßverderber. Sie machen jede Wurzel so unüberwindbar wie eine Erdölpipeline, jeden Hügel zum Achttausender. Klar: Die Kinder nehmen keine Rücksicht aufs Material, und nach zwei oder drei Jahren muss die nächste Größe her. Wir raten trotzdem dazu, mehr Fantasie oder Geld zu investieren. Engagierte Biker sammeln im Laufe der Jahre kiloweise ausrangierte Top-Teile, die mit Verstand, Geschick und Schmierfettfingern wahre Technikwunder wirken.
Wenn das Tuning eines solchen Serien-Kinderfahrrads nicht infrage kommt, lohnt der Blick zum Spezialisten (Übersicht siehe weiter unten). Derzeit glänzen nämlich vor allem kleine, auf dieses Segment fokussierte Hersteller mit praxisgerechten Kinder-Bikes. Die meisten dieser Firmen haben eine Gemeinsamkeit: Sie wurden von Vätern gegründet, die mit dem bestehenden Angebot für ihre Kinder unzufrieden waren.
Prinzessinnen-pink oder schwarz wie Darth Vader? Kindergeschmäcker sind schwer einzuschätzen. Doch die Technik ist Elternsache. Wir haben ein paar der Ideen ausprobiert, die ein anständiges Serien-Kinderfahrrad zum Superbike machen. Meistens ersetzt der Blick in die eigene Teilekiste oder der Gebrauchtmarkt den Neukauf. Sonst ufert die Sache nämlich schnell aus: Unser Ausgangs-Kinder-Bike, ein Ghost Powerkid, kostet komplett kaum mehr als die schickste Tuning-Kinderkurbel. Nach dem BIKE-Tuning wiegt es 8,6 statt 10,2 Kilo. – und sieht fetzig aus.
Ein Riserbar am Kinderrad ist Unsinn – die Lenker sind ohnehin relativ hoch. Ein gebrauchter, abgelängter Cross-Country-Prügel, dazu ein schicker, kurzer Vorbau (hier von KCNC) peppen das Rad technisch und optisch enorm auf. Dünne Lenkergriffe passen zu Kinderhänden, verstellbare Bremsgriffe sind Pflicht. Drehschalter sind für kleine Kinder oft zu schwergängig. Hochwertige Trigger-Schalter mit guten Zügen und leichtgängigem Schaltwerk haben die nötigen, geringen Bedienkräfte. Und bunte Züge (hier von Shimano) kommen immer gut.
Aufwand ****
Technik *****
Optik ****
(max. 6 Sterne)
Unser Beispiel-Bike gibt es wahlweise auch mit Starrgabel – gut so! Wir haben die Serienfedergabel gegen eine Austauschgabel von Kubikes ersetzt und damit 1,2 Kilo gespart. Bei 20-Zoll-Bikes ist ein Kind zudem fast zu leicht für eine preiswerte Federgabel. Das Losbrechmoment ist zu hoch. Erst bei 24-Zoll-Radgrößen sind sie manchmal sinnvoll. Absolute Tüftler diskutieren auch das Kürzen und Tunen alter Race-Gabeln auf Kindergewichte – die Starrgabel ist sicherer.
Aufwand ***
Technik ******
Optik **
Optik oder Funktion? Bärentatzen-Kunststoffpedale in allen Farben gibt es günstig und schonen mangels Stahl-Pins die Kinderhaut. Die meisten sind aber unnötig groß. Schmale Trekking-Rad-Pedale wie dieses XLC-Modell sehen nicht so cool aus, sind aber leichter und in diesem Fall auch technisch hochwertiger. Nur bunt sind sie eben nicht.
Aufwand **
Technik ***
Optik ***
Mit einer Federleicht-Tuning-Kurbel hätten wir viele hundert Gramm gespart, aber mit Kettenblatt über 260 Euro investiert. Proportional passende, leichte Kurbeln sind kaum zu bekommen. Eine Faustregel lautet: "Körpergröße geteilt durch zehn". Engagierte Bastler kürzen alte Vollmaterialkurbeln (also keine Hollowtech-Modelle) selbst und schneiden neue Pedalgewinde ein. Nichts für Anfänger! Anleitungen und Tipps tauschen engagierte Bastler im Internet aus (z. B. mtb-news.de; Unterforum Kinder-Bikes)
Aufwand ******
Technik *****
Optik ***
Ein Tuning-Fest für Gebrauchtkäufer und Sammler: Eine bunte Alu-Stütze aus den 90ern, Papas zu schmaler Carbon-Sattel oder ein cooles BMX-Sitzteil (hier von Sixpack) bringen die Optik nach vorne. Weil Kinder Schnellspanner nicht zuverlässig bedienen können, haben wir außerdem eine leichte, schöne Schraubschelle montiert. Viel leichter wurde unser Serien-Bike dabei aber nicht.
Aufwand ***
Technik ***
Optik ******
Leichte Schläuche sind billig und verbessern Beschleunigung und Handling, breite BMX-Reifen bringen Grip und Komfort. Wir haben aus Gewichts- und Sicherheitsgründen die Schnellspanner durch Schraubachsen von XLC ersetzt (65 statt 113 Gramm, leider nur in Schwarz). Für die Schaltung mit Neun- oder Zehnfach-Ritzel müssen oft neue Laufräder her: Viele Kinder-Hinterradnaben haben keinen Kassettenfreilauf. Geübte Schrauber speichen die Laufräder selbst neu ein.
Aufwand ******
Technik ****
Optik ***
Einfach-Kettenblätter reichen locker und erlauben in der Luxusliga bis zu elf echte Gänge. Relativ preiswert wird der Umbau mit einem 9fach- (bis 34 Zähne) oder 10fach-Ritzel (bis 36 Zähne). Wenn die äußeren Gänge (größtes/kleinstes Ritzel) wegen des Kettenschräglaufs nicht sauber laufen, einfach mit der Schaltwerksstellschraube blockieren. Die Übersetzung sollte trotzdem ausreichen. Damit die Kette nicht abspringt, eine leichte Kettenführung (z. B. Bionicon C-Guide) montieren. Alternative dazu: gedämpfte Schaltwerke wie die Shadow-Plus-Modelle von Shimano oder die Type-II-Modelle von Sram. Bei kleinen Laufrädern unbedingt den kürzesten Schaltungskäfig wählen.
Aufwand *****
Technik ****
Optik **
Mit jedem Jahr und jedem Zentimeter wachsen auch die Fähigkeiten der Kinder auf den Bikes. Nach etwa drei Kinderrädern passt ein "kleines Großes". Wir zeigen, welche Fahrräder Kinder von den ersten Fahrversuchen bis zum richtigen MTB brauchen.
Dass die bekannten, großen Bike-Marken auch Kinderräder anbieten, ist kein Geheimnis. Doch auf die Kinderfahrrad-Spezialisten, die es mittlerweile am Markt gibt, kommt man nicht gleich. Wir zeigen eine Auswahl an Kinderbike-Marken – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Gingko: gingko-veloteile.de
Ginko ist eigentlich ein Spezialist für Liegeräder. Deshalb hat der Shop auch hochwertige Felgen in ungewöhnlichen Größen und mit raren Lochzahlen im Programm. Perfekt für den Aufbau von leichten Kinderfahrrädern oder das Einspeichen von Kinder-Laufradsätzen.
Whizzwheels: whizzwheels.com
Die Laufradexperten können jede Speichenlänge einsetzen. So sind auch Laufräder mit wenigen Speichen oder speziellen Naben für kleine Kinder-Bikes herstellbar.
Wir haben bei unserem getunten Kinderfahrrad gute, noch bezahlbare Neuteile verbaut. Von KCNC - dessen Vertrieb Pitwalk macht - stammen Vorbau, Spacer, Sattelklemme und Lenkergriffe. Sattelstütze und Sattel kommen von den BMX-Spezialisten von Sixpack. Spannachsen und Pedale liefert XLC, die Teile bekommt man über Wiener Bike Parts, die dicken BMX-Reifen sind von Maxxis.