Henri Lesewitz
· 29.05.2017
Tony Keller motzt mit fetischistischer Hingabe Bikes auf – inzwischen sogar im Kundenauftrag. Mit seiner neuesten Kreation gelang ihm mal wieder die große Show.
Ein perfektes Bike? Spitzenmäßige Optik? Top Geometrie? Zuverlässige Funktion? Und das alles direkt vom Hersteller zum fairen Preis? Das wäre für Tony Keller der Horror. „Wo andere aufhören, fange ich erst an!“, steht es auf seinem Flyer, den er seit einer Stunde in alle Richtungen verteilt. An jeden, der ihn hier auf dem BIKE Festival in Willingen auf sein Lila funkelndes Trail-Hardtail anquatscht. Und das sind viele.
Keller ist Tuning-Fan durch und durch. Mit fetischistischer Hingabe veredelt er Mountainbikes aller Art. Und weil das natürlich ein teures Hobby ist und ihm zudem der Platz zum Aufbewahren der ganzen Schmuckstücke auszugehen drohte, entschied er sich vor ein paar Jahren für einen cleveren Schachzug. Er gründete die Firma Keller Customs. Spezialität: Aufbauten nach Kundenwunsch. Alles ist möglich.
„Das Bike hier ist aber mein eigenes“, stellt Tony erst mal klar. Man sieht ihm den Stolz an. Behutsam, als wäre es aus Glas, rangiert er das Bike in den perfekten Sonneneinstrahlwinkel. Der Hochglanzlack reflektiert das Licht wie ein Spiegel. Funkelfunkel. Blingbling. Ein spektrales Ereignis. Was nicht ohne Folge bleibt. Schon wieder sind ein paar Passanten stehen geblieben und machen Handy-Fotos. Tony zieht ein paar Flyer aus der Tasche und streckt sie den Neugierigen hin. „Hier, wenn ihr mal ein Projekt habt. Da seid ihr bei mir richtig.“
Das Konzept für das Trail-Hardtail, erzählt er, sei eher eine spontane Eingebung gewesen. Eine Verbeugung vor der Farbe Purple, die Angang der Neunziger der Superstar unter den Eloxal-Tönen war und seit dem auf dem Kompost der Modewellen vor sich hinmodert. „Lila wird ja gerne als ,letzter Versuch’ verspottet“, informiert Tony: „Da wollte ich mal zeigen, wie geil das eigentlich aussehen kann.“
Als Basis wählte er einen Stahlrahmen der schwäbischen Firma 2SoulsCycles. Verstellbare Ausfallenden, Geometrie für 120 mm-Federgabeln, steil abfallendes, abgestütztes Oberrohr. Und, als optischer Clou: Ein unterbrochenes, nach unten offenes Sitzrohr. Tony entschied sich für einen leuchtenden „Candy Purple Chrome“-Pulverlack, der im ultraaufwändigen Dreischicht-Aufbau aufgetragen wurde. Die Tauchrohre der Magura-Gabel wurden selbstverständlich gleich mit lackiert.
Um das crazy Leucht-Lila wirkungsvoll zu kontrastieren, wählte Tony Gilftgrün als „Gegenfarbe“ aus. Die Carbon-Felgen bekamen mit Hilfe eines Wassertransfer-Drucks ein entsprechendes Totenkopf-Design. Damit das Kunstwerk voll zur Geltung kommt, wurde auf Schriftzüge oder Dekore am Rahmen verzichtet.
Um das Lila-Grün-Konzept konsequent durchzuziehen, scheute Tony keinen Aufwand und keine Mühe. Während er die Steuersatzschalen sowie den Vorbau von Acros im rohen Alu zugeschickt bekam, um die Teile nach den eigenen Vorstellungen eloxieren lassen zu können, musste er an anderen Stellen erst mal kleinteilige Fummelarbeit verrichten. X01-Schaltwerk, Rock Shox-Stütze, ja selbst der Lockout-Hebel wurde komplett zerpflückt und bearbeitet, damit die Einzelteile inklusive aller Schräubchen ins Färbebad konnten.
Einzig der Sattel ist so, wie ihn der Hersteller schuf. Was aber einen guten Grund hat. Der Selle Italia Flite ist ein Gruß an die guten, schrillen Neunziger. Das Ur-Modell des Klassikers gibt es noch immer zu kaufen. Es ist nun mal der Vater aller Leichtbausättel. „Passt perfekt“, grinst Tony.
Freundin Catharina Braun steht daneben und lächelt gütig. Sie schraubt zwar nicht selbst an Bikes, doch sie hat vollstes Verständnis für Tony’s Leidenschaft. Neulich hat er ihr ein rattenscharfes Fatbike aufgebaut. Das Teil ist keinen Funken weniger exklusiv als das lila-grüne 2SoulsCycles.
Der Carbon-Rahmen stammt aus dem hauseigenen Sortiment von Keller Customs. Er ist Made in Fernost, aber technisch hochwertig und damit eine perfekte Tuning-Basis. Das Blau und das Weiß zieht sich über die Rahmenrohre, das Cockpit, die Rock Shox-Gabel, die Tune-Stütze bis hin zu den Felgen. Alles wurde extra lackiert. Als eigentliche Kontrastfarbe dient diesmal Rot. Steuersatz, Kurbeln, Schaltwerk, Speichennippel, Padale – alles ist entsprechend eloxiert. Die Kurbeln sind dabei ein besonderer Hingucker. Eine Special Edition, die Tony zusammen mit Leichtbau-Anbieter B.O.R. Germany realisiert hat. Sogar das Keller Customs-Logo ist eingearbeitet.
„Fast zu schön, um damit zu fahren“, sagt Tony. Da sind auch schon die nächsten Handykameras auf ihn gerichtet. Catharina und Tony stellen sich routiniert in Pose. Weitere Passanten joggen neugierig heran. Was für eine Show! Sowas wäre ihnen wohl selbst mit den teuersten Serienbikes niemals passiert.