MTB FlipchipsWelche Vorteile hat eine Geometrie-Verstellung am Mountainbike?

Laurin Lehner

 · 21.10.2023

MTB Flipchips: Welche Vorteile hat eine Geometrie-Verstellung am Mountainbike?Foto: Max Fuchs / Mediengruppe Klambt
Die Idee: Schraube lösen, den sogenannten Flipchip drehen und damit die Geometrie auf die eigenen Vorlieben oder Trail-Eigenschaften anpassen.
Immer mehr Hersteller schwören auf Mehrfach-Geometrieverstellung per Flipchip. Ob an der Kettenstrebe, dem Hinterbau oder am Steuerkopf. Sollten die Hersteller dem Kunden die Geometrie überlassen? Zwei Meinungen.

Was ist ein Flipchip am Mountainbike?

Ehrlich gesagt, viele Mountainbiker haben den Flipchip an ihrem Fahrrad, sofern vorhanden, noch nie benutzt. Einige sind sich vielleicht nicht einmal seiner Existenz bewusst. Das ist verständlich, da dieser winzige Bestandteil normalerweise unauffällig in der Aufhängung des Dämpfers oder in der Kettenstrebe versteckt ist und oft nicht einmal beschriftet ist. Auch im Trend: verstellbare Lenkkopfschalen, mit denen man den Lenkwinkel leicht an- oder absteilen kann. Meist um 0,5 Grad. Einige könnten den Flipchip irrtümlich für eine robuste Unterlegscheibe halten. Dabei können diese unscheinbaren Teile am Rahmen des Mountainbikes durch geringfügige Anpassungen der Geometrie tatsächlich spürbare Veränderungen im Fahrverhalten bewirken.

Was bewirkt der Flipchip?

Flipchips verändern die Geometrie der mit ihnen verbundenen Rahmenteile und beeinflussen somit den Sitzwinkel, Lenkwinkel und die Tretlagerhöhe. Die Unterschiede sind normalerweise gering, oft weniger als ein Grad beim Lenkwinkel und weniger als ein Zentimeter bei der Bodenfreiheit des Tretlagers.

In der Praxis sind diese subtilen Veränderungen jedoch durchaus wahrnehmbar. Ein steilerer Lenkwinkel (normalerweise als "High"-Position auf dem Chip gekennzeichnet) macht das Bike wendiger und agiler. Auf steilen Anstiegen nimmt man automatisch eine aggressivere Kletterposition ein. Das Tretlager wird höher, was mehr Bodenfreiheit in wurzeligem oder felsigem Gelände bietet.
Ein flacherer Lenkwinkel (normalerweise "Low"-Position) steht für verbesserte Downhill-Eigenschaften. Das Tretlager wird dabei abgesenkt, der Schwerpunkt liegt tiefer, das Bike wird stabiler und vermittelt bei hohen Geschwindigkeiten mehr Sicherheit.

Hat das kleine Teil nur Vorteile?Foto: Georg Grieshaber / Mediengruppe KlambtHat das kleine Teil nur Vorteile?

Aufdrehen, umdrehen, fertig!?

Der Aufwand für die Einstellung ist überschaubar. Oft reicht ein kleiner Inbusschlüssel aus. Wenn nötig, kann die Geometrieanpassung sogar auf dem Trail durchgeführt werden. In diesem Fall sollte jedoch unbedingt darauf geachtet werden, keines der verschraubten Kleinteile zu verlieren.

Doch es gibt auch Nachteile. Wir haben zwei Konstrukteure befragt, jeweils mit unterschiedlichen Meinungen. Die Frage lautet: Sollten die Hersteller dem Kunden die Geometrie überlassen?

Pro

Jein, Geometrie-Verstellungen machen Bikes universeller. Es gibt etliche Trails mit unterschiedlichem Terrain: eng, verblockt oder schnell und grob etc. Hier kann der Kunde reagieren und das Bike auf seinen Einsatzbereich einstellen. Damit der Kunde weiß, was er für welche Anforderung einstellen sollte, stehen bei Fachhandelsmarken wie Focus Händler mit Rat und Tat zur Seite. Das Argument des höheren Verschleißes ist berechtigt, aber es lässt sich konstruktiv lösen z.B. mit Kunststoff-Steuersatzschalen. –Fabian Scholz, Konstrukteur Focus
Focus Konstrukteur Fabian Scholz sieht fast nur Vorteile in Flipchips.Foto: Manuel SulzerFocus Konstrukteur Fabian Scholz sieht fast nur Vorteile in Flipchips.

Contra

Ich sage Nein. Diese Anzahl an Verstellungen ist für den Hobbyfahrer kontraproduktiv und überfordert ihn schlichtweg. Hier sollte der Hersteller wissen, in welcher Einstellung sein Bike den größten Einsatzbereich bietet. Wenn ein Flipchip, dann am Hinterbau, um z. B. die Kinematik anzupassen. Der Trend zu verstellbaren Lenkwinkel-Schalen ist meiner Meinung nach überbewertet und geht zudem auf Kosten der Haltbarkeit. Denn je mehr bewegliche Teile, desto höher der Wartungsaufwand. – Thomas Harter, Konstrukteur Intense
Intense Konstrukteur Thomas Harter beobachtet den Flipchip-Trend kritisch: “Je mehr bewegliche Teile, desto höher der Wartungsaufwand“, sagt Harter.Foto: Janik GensheimerIntense Konstrukteur Thomas Harter beobachtet den Flipchip-Trend kritisch: “Je mehr bewegliche Teile, desto höher der Wartungsaufwand“, sagt Harter.

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