Ritzel-TauschWie und wann wechselt man Ritzel?

Timo Dillenberger

 · 26.02.2024

Wie die Flosse eines Hais: Wenn die Zähne eines Ritzels aussehen wie auf diesem Bild, ist es Zeit zu wechseln – und das kann jeder selbst!
Foto: Horst Fadel
Teil 2 unserer kleinen DIY-Antriebskunde: Nach dem Artikel zum Kettenverschleiß dreht sich diesmal alles um den Tausch der Kassette bzw. der Ritzel. Dabei spielt nicht nur die Erhaltung der "reibungslosen" Funktion eine Rolle, sondern auch das Übersetzungsverhältnis als veränderbare Eigenschaft des Bikes.

Fahrradverkäufer hören viel zu oft den Satz: "Mein Rad tritt sich so schwer, ich möchte bitte ein neues." Daraufhin ein Pedelec mit der Extrapower zur Überwindung der schweren Übersetzungen anzubieten, ist ein logischer, vielleicht aber nicht immer der kundenfreundlichste und sicher nicht der günstigste Schritt. Dieses "sich schwer treten" kann an schlechten Lagern, falschen Reifen oder am sehr hohen Gewicht des Bikes liegen. In jedem Fall aber kann man mit einer kleineren Übersetzung im Kurbeltrieb hier Abhilfe schaffen. Der Gang, die Übersetzung und die Entfaltung sind Grundbegriffe, die man kennen sollte, um sein Rad zu verstehen. Eine kurze Erklärung gibt es weiter unten.

Veränderungen durch Ritzel-Tausch

Mit dem Austausch der Übersetzung eines Rades verändert man dessen Charakter maßgeblich. Ein Rad, mit dem man vorher selbst im kleinsten Gang kaum einen Hügel hinaufkam, lässt sich nach dem Kettenblatt- und/oder Ritzel-Austausch mit viel weniger Kraft hinauftreten. Man ist eben etwas langsamer unterwegs, dafür lässt sich die Trittfrequenz über dem fahrbaren Limit halten. Nachteil: Da die Änderung gerade bei Nabenschaltungsrädern alle Gänge betrifft, sind auch die für hohes Tempo herabgestuft. Bergab kann das dazu führen, dass man selbst im größten Gang kaum noch Widerstand am Pedal hat. Bei Kettenschaltungen kann man meistens auch einzelne Ritzel entfernen und ersetzen.

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Übersetzung und Entfaltung

Korrelation von Entfaltung und Gängen. | Grafik: MYBIKEKorrelation von Entfaltung und Gängen. | Grafik: MYBIKE

Die Entfaltung gibt im Gegensatz zur Übersetzung nicht an, wie oft sich das Hinterrad dreht, sondern wie viele Meter man dabei zurücklegt; die Rad- und Reifengröße spielen hierbei die entscheidende Rolle. Am Beispiel der Entfaltung einer Rohloff-Nabe zeigt die Grafik oben den nicht ganz linearen Verlauf der 14 "Gangstufen". Tauscht man das Ritzel am Hinterrad gegen eines mit mehr Zähnen aus, liegen alle 14 Entfaltungen etwas tiefer. Dabei muss die wertvolle Schaltnabe nicht angerührt werden. Entscheidend ist für die meisten Fahrer der kleinste Gang: Senkt man dessen Entfaltung ab, kann man bergan langsamer und leichter fahren, ohne dass die Trittfrequenz untragbar wird. Ein bis zwei Zähne Unterschied helfen meist schon, um das Rad deutlich "bergtauglicher" zu machen.

Formeln

  • Übersetzung = “Zähne vorderes Kettenblatt” geteilt durch “Zähne Ritzel”
  • Entfaltung = “Übersetzung” mal “Abrollumfang Reifen”
  • Übersetzung Nabenschaltung = (“Zähne Kettenblatt”) geteilt durch (“Zähne Ritzel” mal “interne Übersetzung” mal “Abrollumfang”)
Wenn vom Gang die Rede ist, ist meist die Übersetzung von Tretkurbel zum Hinterrad gemeint, also wie oft oder wie weit das Hinterrad abrollt, wenn sich die Kurbel einmal komplett dreht. Je mehr Zähne die Kette an der Kurbel umläuft, desto schneller/schwerer der Gang – am Hinterrad ist das genau umgekehrt. Das gilt auch bei Nabenschaltungen! Hier muss zur Berechnung der Übersetzung aber noch das interne Übersetzungsverhältnis einbezogen werden.Foto: AdobeStockWenn vom Gang die Rede ist, ist meist die Übersetzung von Tretkurbel zum Hinterrad gemeint, also wie oft oder wie weit das Hinterrad abrollt, wenn sich die Kurbel einmal komplett dreht. Je mehr Zähne die Kette an der Kurbel umläuft, desto schneller/schwerer der Gang – am Hinterrad ist das genau umgekehrt. Das gilt auch bei Nabenschaltungen! Hier muss zur Berechnung der Übersetzung aber noch das interne Übersetzungsverhältnis einbezogen werden.

Gründe für einen Kettenblatt- oder Ritzel-Tausch

Das Demontieren und Austauschen von Kettenblättern und Ritzeln kann nicht nur bei unpassenden Übersetzungen nötig werden. Weitaus gängiger ist der Tausch eins zu eins aufgrund von Verschleiß oder auch mal Korrosion. Wie im Artikel zum Ketten-Verschleiß angesprochen, kann ein schlecht gewarteter Antrieb am Rad gut ein Fünftel der Tretkraft auffressen, rostige und durch Sand stark aufgeraute Teile sogar deutlich mehr.

Die Kosten für ein Ersatzteil wie ein einzelnes Ritzel liegen mit durchschnittlich 12 Euro so niedrig, dass man hier auch nicht zu lange mit dem Ritzel-Tausch warten sollte. Wie bei den breiten Ketten an Rädern mit nur einem Zahnrad hinten sind solche rau laufenden Oberflächen eher Grund zum Tausch als der tatsächliche Verschleiß der Zähne. Ob Ritzel verschlissen sind, sieht man den einzelnen Zähnen an oder spürt es durch eine nicht mehr sauber einzustellende Schaltung oder sogenannten Kettenschlupf, wenn sich beim starken Treten die Kette trotz ausreichender Spannung über die Zähne hinweg hebt und man kurzzeitig ins Leere zu treten glaubt.

Nutzer von Riemenantrieben haben solche Probleme nicht oder erst nach langer Zeit. Die beiden "Antriebsscheiben" genannten Pendants zu den Zahnrädern verschleißen sehr viel langsamer, weil sie deutlich härter sind als die Oberfläche des Riemens und zudem im Allgemeinen aus rostfreiem Material bestehen.

Abnutzung sichtbar: Zeit zu tauschen

Ritzel-Tausch: Wenn die Zähne eines Ritzels aussehen wie die Flosse eines Hais, ist es Zeit zu wechseln.Foto: Horst FadelRitzel-Tausch: Wenn die Zähne eines Ritzels aussehen wie die Flosse eines Hais, ist es Zeit zu wechseln.

Dass ein Ritzel-Tausch sinnvoll ist, erkennt man daran, dass sich die Zähne von ihrer Form her einer Haiflosse annähern. Ab Werk sind die vorderen und hinteren Profile solch eines Zahns symmetrisch. Das heißt, die in Fahrtrichtung hintere Form, gegen die die Kette zieht, ist identisch mit der vorderen. Durch die immensen Zugkräfte sowie Reibung und Schmutz fräsen sich die Achsen der Kette – übertrieben gesagt – in den Zahn hinein. Die Form auf dieser Seite verändert sich von konvex zu konkav. Spätestens wenn das mit bloßem Auge deutlich zu erkennen ist, sollte man das Ritzel oder ganze Kassetten tauschen.

Interessanter Fun Fact: Obwohl die Kettenblätter vorne an der Kurbel statistisch auf gleicher Strecke mehr Umläufe mitmachen als die Ritzel einer 11-fach-Kettenschaltung zum Beispiel, verschleißen sie langsamer. Das liegt sowohl an der Verteilung der Zugkraft auf mehr Zähne und damit weniger Reibung pro Zahn als auch an dem geraderen Lauf der Kette. Die zieht im Vergleich dazu besonders an den äußeren Ritzeln deutlich schräger und sorgt so für mehr Abrieb.

Wenn parallel zum Zahnrad die Kette nicht mit getauscht wurde, kann der Antrieb auf den ersten Kilometern etwas rau laufen, da sich die Teile aufeinander einspielen müssen. Hier hilft eine Extraportion Schmiermittel, das zumindest für Technikfans fast schmerzhafte Laufgeräusch deutlich abzumildern.

Anleitung zum Ritzel-Tausch

Ritzel-Tausch bei Nabenschaltungen, Getriebebikes oder Single-Speed-Antrieben: Ist hinten nur ein Zahnrad verbaut, ist es mit einem Gewinde auf die Nabe aufgeschraubt wie eine Überwurfmutter. Damit diese sich beim Rückwärtstreten nicht versehentlich von der Nabe runterschraubt, befindet sich meistens ein Konterring davor, den man erst lösen muss. Achtung: Sein Gewinde ist genau andersrum als das des Ritzels! Eselsbrücke: Das Zahnrad zieht sich ja durchs Treten selbst fest, wird also gegen die Drehrichtung der Räder gelöst, beim Konterring mit der Drehrichtung. Mit einem solchen "Abzieher für Konterringe" geht das sehr sicher, Experimente mit Hammer und Schraubenziehern hinterlassen meist Kerben an Ring und Fingern. Kosten: rund 15 bis 20 Euro.

Achtung: Das Gewinde des Konterrings ist genau andersrum als das des Ritzels!Foto: Horst FadelAchtung: Das Gewinde des Konterrings ist genau andersrum als das des Ritzels!

Ohne den Konterring kann man das Ritzel gegen die Drehrichtung der Räder abschrauben. Da das aber aufgrund des Zugs der Kette über Tausende von Tritten sehr fest sitzen kann, braucht man hier definitiv gutes Werkzeug. Eine Zange wie diese "CP-1.2" von Parktool greift die Zähne fest, ohne sie zu beschädigen wie Rohrzange und Co. (nicht verwenden!). Gleichzeitig hat sie ausreichend Hebelwirkung, um auch widerspenstige Gewinde zu lösen. Günstiger, aber fummeliger sind sogenannte Kettenpeitschen. Bei der Montage des neuen Ritzels genau umgekehrt verfahren, dabei den Steg bzw. die Verbreiterung um das Gewinde zur Nabenseite ausrichten. Tipp: Gewinde leicht fetten. Das Ritzel muss nicht besonders festgezogen werden, das macht schon die Kette beim Fahren. Den Konterring kann man nach 20 Kilometern mal nachziehen.

Zum Lösen des Ritzels hilft eine entsprechende Zange wie diese „CP-1.2“ von Parktool.Foto: Horst FadelZum Lösen des Ritzels hilft eine entsprechende Zange wie diese „CP-1.2“ von Parktool.

Kettenschaltungen setzen heutzutage auf sogenannte "Kassetten": Die Ritzel sind nicht einzeln auf die Nabe aufgeschoben, sondern als Block oder als Block mit mehreren einzelnen Zahnrädern. Man kann z. B. das kleinste Zahnrad entnehmen und dafür ein großes auf der Nabenseite hinzufügen, um bergtauglicher zu werden. Gelöst wird die Kassette bzw. deren Abschlussring mit einem Steckschlüssel, als Nuss für eine Ratsche sind sie deutlich günstiger.

Kettenschaltungen setzen heutzutage auf sogenannte “Kassetten”: Diese bzw. deren Abschlussring wird mit einem Steckschlüssel gelöst.Foto: Horst FadelKettenschaltungen setzen heutzutage auf sogenannte “Kassetten”: Diese bzw. deren Abschlussring wird mit einem Steckschlüssel gelöst.

Geöffnet wird der Abschlussring wieder gegen die Drehrichtung des Hinterrades. Da Kettenschaltungen aber über einen Freilauf verfügen, würde sich statt des Rings die komplette Kassette drehen, weshalb man mit einem Tool wie Zange oder Kettenpeitsche gegenhalten muss. Zum Befestigen ist Gegenhalten nicht nötig. Achtung: Besitzt das Rad eine Campagnolo-Schaltgruppe, kann ein anders geformtes Tool für den Lockring nötig sein.

Der Abschlussring wird gegen die Drehrichtung des Hinterrades geöffnet. Damit sich nicht die komplette Kassette dreht, muss man mit einem Tool wie einer Zange gegenhalten.Foto: Horst FadelDer Abschlussring wird gegen die Drehrichtung des Hinterrades geöffnet. Damit sich nicht die komplette Kassette dreht, muss man mit einem Tool wie einer Zange gegenhalten.

Um die Kassette abzunehmen, kann etwas Kraft nötig sein. Das Profil (rot), auf dem sie saß, ist oft aus Alu, und die Zahnräder fressen sich minimal ins Material hinein. Es gibt Naben für Campagnolo-kompatible Kassetten und solche für alle anderen Marken, außerdem muss die Ritzelanzahl gleich sein, also z. B. 11-fach. Achtung: Die neue Kassetten/Ritzel passen nur in einer Position auf die Nabe. Danach den Lockring mit nur wenig Kraft anziehen, fertig.

Um die Kassette abzunehmen, kann etwas Kraft nötig sein.Foto: Horst FadelUm die Kassette abzunehmen, kann etwas Kraft nötig sein.

5 Tipps zum Kauf der richtigen Ersatzteile bei Ritzen und Kettenblatt

Wer selbst für neue Zähne - sprich für neue Ritzel und Kettenblätter - an seinem Rad sorgt, muss vor allem darauf achten, das richtige Ersatzteil zu besorgen, während das eigentliche Schrauben tatsächlich kinderleicht ist. Folgende Tipps helfen, sich nicht zu "verkaufen".

  1. Auch ein Zahnrad an der Kurbel, Kettenblatt genannt, kann verschleißen, obwohl das sehr lange dauert. Befestigt ist es nur mit Inbusschrauben, getauscht wird es eins zu eins. Wichtig: Die vier oder fünf "Arme" der Kurbel ergeben einen Lochkreis, zu dem der des Kettenblatts passen muss. Er ist meist hinter der Abkürzung BCD ins Blatt geprägt und beträgt 130, 110 oder 74 mm. Das neue Blatt muss dem entsprechen.
  2. Wer die Kassette tauscht und ein größeres "größtes Ritzel" montieren will, sollte die Kapazität seines Schaltwerks kennen. Je länger dessen Spannarm ist desto mehr Unterschied zwischen größtem und kleinstem kann es bewältigen; zwei oder drei Zähne mehr sind aber meist kein Problem.
  3. Thema Qualität: Alle Hersteller bieten Ritzel und Kassetten zu sehr unterschiedlichen Preisen an. Für Vielfahrer lohnt sich hier die zweithöchste oder höchste Qualitätsstufe da sie deutlich langsamer verschleißen. Gelegenheitsfahrer sind mit der Mittelklasse gut beraten; eine 11-fach-Kassette z. B. für rund 50 Euro. Billigprodukte machen hier nur unnötig früh wieder Arbeit.
  4. Die Gewinde von Schraubritzeln bei Nabenschaltungen sind zwar genormt; es gibt jedoch einen Typus (Typ), der deutlich kleiner ist (BMX-Räder). Bitte auf die Bezeichnung Single Speed oder "für Nabenschaltungen" achten. Tipp: rostfreies Ritzel kaufen.
  5. Andere Ritzeldurchmesser bedürfen anderer Kettenlängen. Kann man die Kette mit neuem Ritzel nicht mehr auf Spannung bringen, muss man sie um ein oder zwei Glieder kürzen oder verlängern.

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