Fahrradverkäufer hören viel zu oft den Satz: "Mein Rad tritt sich so schwer, ich möchte bitte ein neues." Daraufhin ein Pedelec mit der Extrapower zur Überwindung der schweren Übersetzungen anzubieten, ist ein logischer, vielleicht aber nicht immer der kundenfreundlichste und sicher nicht der günstigste Schritt. Dieses "sich schwer treten" kann an schlechten Lagern, falschen Reifen oder am sehr hohen Gewicht des Bikes liegen. In jedem Fall aber kann man mit einer kleineren Übersetzung im Kurbeltrieb hier Abhilfe schaffen. Der Gang, die Übersetzung und die Entfaltung sind Grundbegriffe, die man kennen sollte, um sein Rad zu verstehen. Eine kurze Erklärung gibt es weiter unten.
>> Teil 1 unserer DIY-Artikel zum Thema Antrieb finden Sie hier: Kettenverschleiß: Wie wartet und repariert man eine Fahrradkette? <<
Mit dem Austausch der Übersetzung eines Rades verändert man dessen Charakter maßgeblich. Ein Rad, mit dem man vorher selbst im kleinsten Gang kaum einen Hügel hinaufkam, lässt sich nach dem Kettenblatt- und/oder Ritzel-Austausch mit viel weniger Kraft hinauftreten. Man ist eben etwas langsamer unterwegs, dafür lässt sich die Trittfrequenz über dem fahrbaren Limit halten. Nachteil: Da die Änderung gerade bei Nabenschaltungsrädern alle Gänge betrifft, sind auch die für hohes Tempo herabgestuft. Bergab kann das dazu führen, dass man selbst im größten Gang kaum noch Widerstand am Pedal hat. Bei Kettenschaltungen kann man meistens auch einzelne Ritzel entfernen und ersetzen.
Die Entfaltung gibt im Gegensatz zur Übersetzung nicht an, wie oft sich das Hinterrad dreht, sondern wie viele Meter man dabei zurücklegt; die Rad- und Reifengröße spielen hierbei die entscheidende Rolle. Am Beispiel der Entfaltung einer Rohloff-Nabe zeigt die Grafik oben den nicht ganz linearen Verlauf der 14 "Gangstufen". Tauscht man das Ritzel am Hinterrad gegen eines mit mehr Zähnen aus, liegen alle 14 Entfaltungen etwas tiefer. Dabei muss die wertvolle Schaltnabe nicht angerührt werden. Entscheidend ist für die meisten Fahrer der kleinste Gang: Senkt man dessen Entfaltung ab, kann man bergan langsamer und leichter fahren, ohne dass die Trittfrequenz untragbar wird. Ein bis zwei Zähne Unterschied helfen meist schon, um das Rad deutlich "bergtauglicher" zu machen.
Das Demontieren und Austauschen von Kettenblättern und Ritzeln kann nicht nur bei unpassenden Übersetzungen nötig werden. Weitaus gängiger ist der Tausch eins zu eins aufgrund von Verschleiß oder auch mal Korrosion. Wie im Artikel zum Ketten-Verschleiß angesprochen, kann ein schlecht gewarteter Antrieb am Rad gut ein Fünftel der Tretkraft auffressen, rostige und durch Sand stark aufgeraute Teile sogar deutlich mehr.
Die Kosten für ein Ersatzteil wie ein einzelnes Ritzel liegen mit durchschnittlich 12 Euro so niedrig, dass man hier auch nicht zu lange mit dem Ritzel-Tausch warten sollte. Wie bei den breiten Ketten an Rädern mit nur einem Zahnrad hinten sind solche rau laufenden Oberflächen eher Grund zum Tausch als der tatsächliche Verschleiß der Zähne. Ob Ritzel verschlissen sind, sieht man den einzelnen Zähnen an oder spürt es durch eine nicht mehr sauber einzustellende Schaltung oder sogenannten Kettenschlupf, wenn sich beim starken Treten die Kette trotz ausreichender Spannung über die Zähne hinweg hebt und man kurzzeitig ins Leere zu treten glaubt.
Nutzer von Riemenantrieben haben solche Probleme nicht oder erst nach langer Zeit. Die beiden "Antriebsscheiben" genannten Pendants zu den Zahnrädern verschleißen sehr viel langsamer, weil sie deutlich härter sind als die Oberfläche des Riemens und zudem im Allgemeinen aus rostfreiem Material bestehen.
Dass ein Ritzel-Tausch sinnvoll ist, erkennt man daran, dass sich die Zähne von ihrer Form her einer Haiflosse annähern. Ab Werk sind die vorderen und hinteren Profile solch eines Zahns symmetrisch. Das heißt, die in Fahrtrichtung hintere Form, gegen die die Kette zieht, ist identisch mit der vorderen. Durch die immensen Zugkräfte sowie Reibung und Schmutz fräsen sich die Achsen der Kette – übertrieben gesagt – in den Zahn hinein. Die Form auf dieser Seite verändert sich von konvex zu konkav. Spätestens wenn das mit bloßem Auge deutlich zu erkennen ist, sollte man das Ritzel oder ganze Kassetten tauschen.
Interessanter Fun Fact: Obwohl die Kettenblätter vorne an der Kurbel statistisch auf gleicher Strecke mehr Umläufe mitmachen als die Ritzel einer 11-fach-Kettenschaltung zum Beispiel, verschleißen sie langsamer. Das liegt sowohl an der Verteilung der Zugkraft auf mehr Zähne und damit weniger Reibung pro Zahn als auch an dem geraderen Lauf der Kette. Die zieht im Vergleich dazu besonders an den äußeren Ritzeln deutlich schräger und sorgt so für mehr Abrieb.
Wenn parallel zum Zahnrad die Kette nicht mit getauscht wurde, kann der Antrieb auf den ersten Kilometern etwas rau laufen, da sich die Teile aufeinander einspielen müssen. Hier hilft eine Extraportion Schmiermittel, das zumindest für Technikfans fast schmerzhafte Laufgeräusch deutlich abzumildern.
Ritzel-Tausch bei Nabenschaltungen, Getriebebikes oder Single-Speed-Antrieben: Ist hinten nur ein Zahnrad verbaut, ist es mit einem Gewinde auf die Nabe aufgeschraubt wie eine Überwurfmutter. Damit diese sich beim Rückwärtstreten nicht versehentlich von der Nabe runterschraubt, befindet sich meistens ein Konterring davor, den man erst lösen muss. Achtung: Sein Gewinde ist genau andersrum als das des Ritzels! Eselsbrücke: Das Zahnrad zieht sich ja durchs Treten selbst fest, wird also gegen die Drehrichtung der Räder gelöst, beim Konterring mit der Drehrichtung. Mit einem solchen "Abzieher für Konterringe" geht das sehr sicher, Experimente mit Hammer und Schraubenziehern hinterlassen meist Kerben an Ring und Fingern. Kosten: rund 15 bis 20 Euro.
Ohne den Konterring kann man das Ritzel gegen die Drehrichtung der Räder abschrauben. Da das aber aufgrund des Zugs der Kette über Tausende von Tritten sehr fest sitzen kann, braucht man hier definitiv gutes Werkzeug. Eine Zange wie diese "CP-1.2" von Parktool greift die Zähne fest, ohne sie zu beschädigen wie Rohrzange und Co. (nicht verwenden!). Gleichzeitig hat sie ausreichend Hebelwirkung, um auch widerspenstige Gewinde zu lösen. Günstiger, aber fummeliger sind sogenannte Kettenpeitschen. Bei der Montage des neuen Ritzels genau umgekehrt verfahren, dabei den Steg bzw. die Verbreiterung um das Gewinde zur Nabenseite ausrichten. Tipp: Gewinde leicht fetten. Das Ritzel muss nicht besonders festgezogen werden, das macht schon die Kette beim Fahren. Den Konterring kann man nach 20 Kilometern mal nachziehen.
Kettenschaltungen setzen heutzutage auf sogenannte "Kassetten": Die Ritzel sind nicht einzeln auf die Nabe aufgeschoben, sondern als Block oder als Block mit mehreren einzelnen Zahnrädern. Man kann z. B. das kleinste Zahnrad entnehmen und dafür ein großes auf der Nabenseite hinzufügen, um bergtauglicher zu werden. Gelöst wird die Kassette bzw. deren Abschlussring mit einem Steckschlüssel, als Nuss für eine Ratsche sind sie deutlich günstiger.
Geöffnet wird der Abschlussring wieder gegen die Drehrichtung des Hinterrades. Da Kettenschaltungen aber über einen Freilauf verfügen, würde sich statt des Rings die komplette Kassette drehen, weshalb man mit einem Tool wie Zange oder Kettenpeitsche gegenhalten muss. Zum Befestigen ist Gegenhalten nicht nötig. Achtung: Besitzt das Rad eine Campagnolo-Schaltgruppe, kann ein anders geformtes Tool für den Lockring nötig sein.
Um die Kassette abzunehmen, kann etwas Kraft nötig sein. Das Profil (rot), auf dem sie saß, ist oft aus Alu, und die Zahnräder fressen sich minimal ins Material hinein. Es gibt Naben für Campagnolo-kompatible Kassetten und solche für alle anderen Marken, außerdem muss die Ritzelanzahl gleich sein, also z. B. 11-fach. Achtung: Die neue Kassetten/Ritzel passen nur in einer Position auf die Nabe. Danach den Lockring mit nur wenig Kraft anziehen, fertig.
Wer selbst für neue Zähne - sprich für neue Ritzel und Kettenblätter - an seinem Rad sorgt, muss vor allem darauf achten, das richtige Ersatzteil zu besorgen, während das eigentliche Schrauben tatsächlich kinderleicht ist. Folgende Tipps helfen, sich nicht zu "verkaufen".