Lenkwinkel bis StackGeometrie am Mountainbike

Stefan Loibl

, Tim Folchert

 · 20.04.2021

Lenkwinkel bis Stack: Geometrie am MountainbikeFoto: Wolfgang Watzke
Lenkwinkel bis Stack: Geometrie am Mountainbike

Abstände, Längen und Winkel formen den Charakter eines Mountainbikes. Doch auf welche Werte sollte ich achten? Wir erklären die entscheidenden Größen der Rahmengeometrie und welchen Einfluss sie haben.

Bei Einsteiger-Hardtails kann man nicht viel falsch machen. Die Geometrie dieser Mountainbikes muss keine besonderen Antriebseinflüsse von Bremse oder Kette ausgleichen. Trotzdem gibt es kleine, aber feine Unterschiede, die ausschlaggebend für das Fahrverhalten und die Sitzposition sind. Bei MTB-Fullys allerdings ist die Rahmengeometrie entscheidender. Durch die Federung am Hinterbau sehen sich die Ingenieure in Sachen Tritteffizienz und Dämpfungsverhalten vor große Herausforderungen gestellt. Wer also mit abfahrtsorientierten MTBs wie All Mountains oder Enduros liebäugelt, muss als Mountainbike-Neuling vorsichtig sein: Extrem flache Lenkwinkel, üppige Reach-Werte und kurze Kettenstreben entsprechen zwar dem Trend, machen aber nur unter dem Diktat geübter Piloten Sinn. Einsteiger können die Vorteile einer solchen Geometrie oft nicht ausschöpfen und tun sich damit im Gelände eher schwer.

  Der Lenkwinkel ist eine der wichtigsten Stellgrößen der MTB-Geometrie. Er beschreibt die Neigung der Gabel und liegt bei modernen Enduro-Bikes zwischen 63 und 65 Grad.Foto: Wolfgang Watzke
Der Lenkwinkel ist eine der wichtigsten Stellgrößen der MTB-Geometrie. Er beschreibt die Neigung der Gabel und liegt bei modernen Enduro-Bikes zwischen 63 und 65 Grad.

Warum es Sinn macht, vor dem Bike-Kauf in die Geometrie-Tabellen zu schauen

Für erfahrene Bike reicht oft ein Blick in die Geometrie-Tabelle, um die Sitzposition und den Charakter eines Bikes einzuschätzen. Gerade beim Kauf von Mountainbikes im Internet oder bei Direktversendern helfen die Geometrie-Tabellen der Hersteller dabei, das passende Bike zu finden. Denn die Längen, Höhen und Winkel entscheiden am Ende, wie sich ein Mountainbike fährt, ob die Sitzposition sportlich gestreckt oder eher aufrecht ausfällt oder wie gut das Bike klettert. Zudem sind gewisse Geometrie-Werte wie die Sitzrohrlänge und der Reach entscheidend, um die richtige Rahmengröße zu finden. Deshalb schadet es nicht, wenn man weiß, die man die Werte deutet.

  Auch die Länge der Kettenstreben beeinflusst das Fahrverhalten eines Mountainbikes.Foto: Wolfgang Watzke
Auch die Länge der Kettenstreben beeinflusst das Fahrverhalten eines Mountainbikes.

Die wichtigsten Werte der Mountainbike-Geometrie im Überblick

Wer das Fachchinesisch aus den Geometrietabellen der Hersteller versteht, kann noch vor dem Kauf erahnen, wie sich das Bike im Gelände verhält.

  Hier finden Sie die wichtigsten Parameter einer Rahmengeometrie am Mountainbike. Bei unseren Tests ermitteln wir die Werte im BIKE-Testlabor selbst und verlassen uns nicht auf die Herstellerangaben.Foto: BIKE Magazin
Hier finden Sie die wichtigsten Parameter einer Rahmengeometrie am Mountainbike. Bei unseren Tests ermitteln wir die Werte im BIKE-Testlabor selbst und verlassen uns nicht auf die Herstellerangaben.
  1. Oberrohr: Das Oberrohr wird von der Mitte des Steuerrohrs horizontal bis zur Sattelstütze gemessen. Ein langes Oberrohr sorgt für eine gestrecktere und sportlichere Sitzposition. Ein kurzes Oberrohr lässt den Fahrer entspannter und aufrechter sitzen.
  2. Sitzrohr: Gemessen wird das Sitzrohr von der Mitte des Tretlagers, bis zum Ende der Sattelstütze. Einige Hersteller geben diese Länge in Zentimetern oder Zoll als Rahmengröße an. Es gilt: Je größer die Schrittlänge, desto länger darf das Sitzrohr sein. Neben dem Reach ist vor allem die Sitzrohrlänge für die Rahmenhöhe – und damit Größe des Bikes – entscheidend.
  3. Überstandshöhe: Als Überstandshöhe wird der vertikale Abstand zwischen Oberrohrmitte und Boden bezeichnet. In technischem Gelände bietet eine geringe Überstandshöhe mehr Bewegungsfreiheit. Gerade für Fahrer mit kurzen Beinen ist dieser Wert interessant und sollte möglichst klein sein.
  4. Vorbaulänge: Lange Vorbauten sorgen für eine sportliche Sitzposition, kurze Modelle für ein direktes Lenkverhalten. Hier steckt viel Tuning-Potenzial für wenig Geld, um die Sitzposition eines Bikes anzupassen. Die Längen für den Vorbau variieren meist zwischen 40 und 100 Millimetern.
  5. Steuerrohrlänge: Ein langes Steuerrohr sorgt für eine hohe Front. Bergab bringt das ein Plus an Sicherheit. Bergauf steigt dafür schneller das Vorderrad. Ein langes Steuerrohr verschlechtert also die Kletterfähigkeit des Bikes.
  6. Kettenstrebenlänge: Gemessen werden die Kettenstreben von der Tretlagermitte bis zur Mitte der Hinterradnabe. Lange Kettenstreben verbessern zwar die Klettereigenschaften des Mountainbikes, dafür verliert es bergab an Spieltrieb. Mit kurzen Kettenstreben lässt sich das Vorderrad leichter über Wellen und Hindernisse heben. Zudem kannt man Bikes mit kurzen Kettenstreben leichter aufs Hinterrad ziehen, beispielsweise für einen Wheelie.
  7. Lenkwinkel: Eine der wichtigsten Stellgrößen der MTB-Geometrie. Er beschreibt die Neigung der Gabel. Ein flacher Lenkwinkel macht das Bike spurtreu im Downhill. Ist der Lenkwinkel steiler, fährt sich das Bike agiler. Ein zu flacher Lenkwinkel macht das Bike aber schnell träge. Ein zu steiler Lenkwinkel dagegen lässt das Bike bei hoher Geschwindigkeit nervös werden. Insgesamt hängt der Lenkwinkel stark von der Bike-Kategorie ab: Umso mehr Federweg ein Mountainbike hat, desto flacher wird in der Regel auch der Lenkwinkel. Während bei Hardtails dieser Winkel oft um die 68 Grad hat, sind 63 Grad bei Enduro-Bikes keine Seltenheit.
  8. Sitzwinkel: Er beschreibt die Neigung des Sitzrohres. Ein flacher Sitzwinkel lässt das Gefühl aufkommen, von hinten in die Pedale zu treten. Ein steiler Sitzwinkel verbessert die Klettertauglichkeit. Um die optimale Sitzposition für sich zu finden und den Sitzwinkel etwas auszugleichen, kann am Sattelversatz geschraubt werden. Der Trend bei aktuellen Mountainbikes geht zu immer steileren Sitzwinkeln (75 Grad oder sogar steiler).
  9. Tretlagerhöhe: Auf Englisch BB-Height. Sie gibt den Abstand vom Tretlager zum Boden an. Ein tiefes Tretlager sorgt für ein sicheres Fahrgefühl bergab. Der Nachteil: Im Gelände setzen die Pedale schneller auf.
  10. Radstand: Gemessen wird der Abstand zwischen vorderer und hinterer Radnabe. Ein langer Radstand vermittelt viel Laufruhe. Ist der Radstand kurz, fährt sich das Bike agiler. Bei 29-Zoll-Mountainbikes ist der Radstand in der Regel deutlich länger als bei Rädern in 27,5 Zoll.
  11. Stack: Dieser Wert beschreibt den vertikalen Abstand zwischen Tretlager und Oberkante Steuerrohr, also die Höhe des Hauptrahmens. Bei einem hohen Stack steht man in der Abfahrt eher aufrecht im Bike. Ist der Stack zu groß, kann es sein, dass man nicht genug Druck aufs Vorderrad bekommt und die Kontrolle leidet.
  12. Reach: Der Reach gibt den horizontalen Abstand zwischen Tretlager und der Oberkante des Steuerrohrs an. Also die Länge des Hauptrahmens. Der Trend geht bei Mountainbikes in den letzten Jahren zu einem langen Reach gepaart mit einem kurzen Vorbau. Das soll für ein direktes Lenkverhalten und viel Laufruhe sorgen. Diese Kombination verlangt allerdings nach viel Körpereinsatz und ist für Einsteiger nicht sehr intuitiv zu fahren. Auch bei der Wahl der richtigen Rahmengröße kann man sich an Reach-Werten orientieren.
  Geometrie-Tabellen bieten einen ersten Anhaltspunkt, wie  gestreckt oder aufrecht die Sitzposition auf dem Bike ausfällt.Foto: Wolfgang Watzke
Geometrie-Tabellen bieten einen ersten Anhaltspunkt, wie gestreckt oder aufrecht die Sitzposition auf dem Bike ausfällt.