Henri Lesewitz
· 07.03.2022
Vor vier Jahren sorgte der deutsche Hersteller Lupine mit der 7200 Lumen hellen Superlampe Alpha für Furore. Jetzt kommt die neue Version in die Shops. Mit 8100 Lumen. Welcher Biker braucht so viel Licht?
Die Frage brennt einem förmlich auf der Zunge. Wie kommt man auf die Idee, die hellste Bike-Lampe der Welt noch heller zu machen? So hell, dass es einem vorkommt, als würde man auf einem Laser-Strahl reiten?
Man braucht die Frage aber eigentlich nicht stellen. Erstens ist die Antwort eh klar. Und zweitens hat sie Lupine-Chef Wolf-Dieter Koch schon unzählige Male in Reporter-Mikrofone gesprochen. Immer, wenn er in den letzten knapp 30 Jahren eine neue Weltrekordmarke in Sachen Leuchtkraft präsentiert hat.
"Es geht um die ultimative Lösung", bringt er es anlässlich des überarbeiteten, nun 8100 Lumen hellen Top-Modells Alpha erneut auf den Punkt: "Wir wollen zeigen, was technisch machbar ist. Die weitere Sinnhaftigkeit beschäftigt uns bei der Alpha nicht. Die Lampe ist ein Leuchtturm-Projekt. Bei einem Porsche 911 ist es ja genauso, da bräuchte es auch keinen Turbo S. Weil es aber technisch möglich ist, wird das eben mit Freude umgesetzt."
Die vor vier Jahren präsentierte Lupine Alpha war für nachtaktive Biker das, was vielleicht eine Leica S für Kamera-Enthusiasten darstellt, oder der erwähnte Turbo S für Auto-Freaks: Das technische Maximum. Und gleichzeitig etwas, das tief in den Bereich der Objekterotik hineinstrahlt.
Leistungsstark, edel, sauteuer. Mehr ein Statussymbol als ein Gebrauchsgegenstand. Die 7200 Lumen der 2018er-Alpha erhellten den Trail derart krass, dass der Unterschied von Tag und Nacht aufgehoben schien. Eine Zulassung für den offiziellen Verkehr war damit ausgeschlossen, weshalb Lupine sein Prestige-Modell als "Race only"-Lampe deklarierte.
Unser Urteil nach einem ausgiebigen Test beim 300 Kilometer langen Ultra-Marathon EBM 300 im August 2018: Überzeugende Lampe mit top Ausleuchtung selbst in der niedrigsten Stufe. Verblüffend war die Akku-Power. Nach dem Rennen mit komplett durchgefahrener Nacht war der Akku noch halb voll.
Zwei, ja sogar drei Nächte waren mit einer Akku-Ladung möglich, wenn man auf das Aufblenden verzichtete. Was auf nicht allzu ruppigem Untergrund auch ohne weiteres machbar war. Und noch was wurde bei dem Test klar: 7200 Lumen sind ein beeindruckendes Helligkeitserlebnis. Aber braucht man das als Biker, rein nüchtern betrachtet? Definitiv nein.
Dieser Tage kommt nun also die Nachfolge-Alpha in den Handel. Die neue Version hat 8100 Lumen. Was irre ist, wenn man bedenkt, dass es sich schon mit 2000 Lumen komfortabel und ohne jedes Gefühl von Unsicherheit über einen nächtlichen 24-h-Rennkurs heizen lässt. Am Preis hat sich nichts geändert: satte 1080 Euro!
So gesehen fällt ein üblicher, von sachlichen Argumenten getriebener Produkttest schwer. Würde man strikt so vorgehen, dann wäre das Urteil vernichtend: Zu schwer, zu teuer, zu hell, müsste man schreiben. Aber das würde dieser Lampe alles andere als gerecht werden. Zunächst aber dennoch die nüchternen Fakten:
Der CNC-gefräste Lampenkopf wiegt 225 Gramm und ist mit insgesamt 8 Linsen ausgestattet. Zwei davon sind sogenannte 22-Grad-Linsen, die in Kombination mit zwei Ultraweitwinkel-Linsen den Nahbereich so rigoros ausleuchten sollen, wie es keiner anderen Bike-Lampe gelingt. Vier weitere 18-Grad-Linsen bündeln dagegen das Licht derartig stark, dass der Lichtstrahl 480 Meter weit reicht.
Um die Wärme abzuleiten, wurde der neue Kopf noch etwas größer dimensioniert als der alte und mit noch mehr Kühlrippen versehen. Der Kopf ist stoßfest und aufwändig gegen Wassereintritt gedichtet.
Aufgrund der Gesetzeslage darf die Lampe in Deutschland nur als Helmlampe verkauft werden und nicht fester Bestandteil des Bikes sein, da es sich dann um keine Fahrradlampe im klassischen Sinn handelt. Die internationalen Versionen kommen mit Lenkerschelle samt Schnellverschluss, die zum Preis von 32 Euro auch nachgekauft werden kann.
Angesteuert wird der Lampenkopf per Bluetooth-Fernbedienung. Der Schalter wird per Gummi-Schnellverschluss am Lenker befestigt. Es gibt vier Stufen.
Die Werkseinstellung ist wie folgt abgestuft, die Modi können aber auch individuell programmiert werden. :
Der Akku ist, genau wie der Lampenkopf, verhältnismäßig mächtig dimensioniert. Er wird per Klettband unter das Oberrohr montiert, oder, falls man den Lampenkopf tatsächlich auf dem Helm platziert, in Trikot oder Rucksack gesteckt. Der Akku mit 6,9 Ah misst 14 Zentimeter in der Länge und wiegt stolze 420 Gramm. Super: Kleine, integrierte Dioden zeigen bei Bedarf den Ladestand an. Der im Set enthaltene Charger braucht 4,5 Stunden, um den leeren Akku vollzuladen.
Montage und Inbetriebnahme gelingen einfach und intuitiv. Da wir die Benutzung der verhältnismäßig schweren Alpha als Helm-Lampe als wenig sinnvoll erachten, haben wir uns für die internationale Lenkerschellen-Version entschieden. Der Lampenkopf ist ruckzuck platziert und bedarf nur grober Ausrichtung, denn er kann während der Fahrt jederzeit in der Neigung feinjustiert werden. Der Akku wird mit einem Klettband unter dem Oberrohr befestigt. Dafür, dass er 14 Zentimeter lang ist und fast ein halbes Kilo wiegt, sitzt er erstaunlich fest. Der Bluetooth-Schalter ist ebenfalls sekundenschnell am Lenker montiert.
Drückt man eine der beiden Tasten, erstrahlt die Lampe in Stufe 2, also mit 1700 Lumen. Was verblüffend hell ist, und eigentlich schon völlig ausreichend für breitere Wege und nicht zu technische Trails. Das Lichtbild ist top. Der Bereich vor dem Vorderrad ist so ausgeleuchtet, dass man Steine, Wurzeln oder Stufen gut erkennt. Der Strahl reicht aber auch weit genug nach vorne, um sich auf den weiteren Streckenverlauf einstellen zu können.
Tippt man ein weiteres Mal auf den Schalter, erstrahlt der Trail urplötzlich gleißend hell. Selbst bei hoher Geschwindigkeit gleicht das Sicherheitsempfinden dem bei Tag. Jeder Kiesel, jeder Strauch, jede Kurve in näherer Entfernung ist perfekt ausgeleuchtet. 4400 Lumen! So viel haben die Spitzenmodelle anderer Lampenhersteller, wenn überhaupt.
Die Spannung ist groß, was für ein Flutlicht-Gefühl der Klick in die höchste Stufe mit 8100 Lumen bewirken wird. Tatsächlich schießt das Licht jetzt wie ein mehrere Meter dicker Laserstrahl aus der Lampe. Es ist, als würde die Alpha die Dunkelheit zerstäuben. Beeindruckend ist das, doch es ist eine ziemlich ähnliche Helligkeit wie bei der Vorgänger-Version mit 7200 Lumen. Das Mehr an Licht-Power macht sich vor allen in Form einer besseren Ausleuchtung bemerkbar. Stufe vier ist so grell, dass es fast schon unangenehm ist. Unserer Meinung nach eher eine Reserve für den Fall, das eine tückische, verblockte Passage gemeistert werden muss.
Der zweite Schalter führt zurück zu Stufe 3, 2 und schließlich zu 1. Der schwächste Strahl hat immer noch 550 Lumen. Genug zum Pedalieren auf gut ausgebauten Strecken. Für sportliches Trail-Biken aber ist der Lichtkegel dann zu schwach.
Ihre herausragende Qualität und Leuchtkraft hatte die Alpha bereits bei unserem letzten Test vor vier Jahren unter Beweis gestellt. Der Unterschied zwischen der Ur-Version und der neuen Ausführung fällt in der Praxis kleiner aus, als wir es wegen der Steigerung von 7200 auf 8100 Lumen erwartet hatten. Das liegt vermutlich daran, dass die Alpha schon damals im vollen Power-Modus derart hell war, dass man nachts mit Sonnenbrille hätte fahren können.
Das Mehr an Helligkeit ist ein unwichtiger Nebenaspekt, der mehr dem Ego des Herstellers dient als dem Biker. Viel interessanter ist die grandiose Ausleuchtung, die mit der neuen Version geradezu perfektioniert wird. So lässt sich die Lampe selbst in den untersten Stufen für sportlichen Einsatz nutzen, während der Akku in diesen Modi schier ewig hält.
Auch wegen ihres exorbitanten Preises macht die Lampe eigentlich nur für zwei Zielgruppen richtig Sinn. Zum einen für Wettkampf-Biker, die bei 24-h-Rennen kompromisslos auf Rundenjagd gehen wollen. Und zum anderen für Ultrabiker und Bikepacker mit Fokus auf Gravel-Pisten, die eine Lampe suchen, die auch mal zwei oder drei Nächte mit einer Akku-Ladung durchhält. Nächtliches Rumgeheize im Wald verbietet sich aus Gründen des Tierschutzes ohnehin. Das allerdings völlig unabhängig vom Lampentyp.
Die Jagd nach der Helligkeits-Krone zieht sich bei Lupine durch die Firmen-Geschichte. Warum muss es immer noch heller sein? Für Firmen-Chef Wolf-Dieter Koch hat das nicht ausschließlich rationale Gründe.
BIKE: Wieso eine so helle Lampe wie die Alpha?
Wolf-Dieter Koch: Da gibt es verschiedene Beweggründe. Klar, wir legen natürlich gesteigerten Wert darauf, dass die hellste Fahrradlampe von uns kommt. Das sind wir unserem Ruf schuldig. Es gibt ja von Magicshine eine Kopie der Alpha, die darf natürlich nicht heller sein. Maximale Helligkeit ist aber nur eine Sache. Wir wollen auch eine für den Einsatzzweck optimale Lichtverteilung. Nur hell, das würde mit deutlich weniger Aufwand möglich sein. Dann wäre aber die Lichtverteilung superbreit und ohne massive Reichweite. Das ist bei der Alpha die große Herausforderung: noch akzeptable Baugröße, breite, gleichmäßige Ausleuchtung, aber eben auch richtig viel Reichweite mit Druck in der Mitte. Das ist nur mit relativ kleinen LEDs und verschiedenen Linsen erreichbar, was aber das Erreichen der maximalen Lichtausbeute erschwert. Die Alpha ist unser Leuchtturmprojekt. Was technisch machbar ist, wird umgesetzt. Die weitere Sinnhaftigkeit beschäftigt uns bei der Alpha nicht. Und sicherlich gibt es auch noch einen anderen Aspekt, ähnlich wie bei einem Porsche 911. Die Alpha ist auch ein Statussymbol.
Was genau wurde bei der neuen Version technisch verändert?
Wir haben uns besonders mit dem Temperatur-Management beschäftigt. Bei allen unseren Lampen ist der Wärmeabtransport von der LED von entscheidender Bedeutung. Gerade bei der Alpha mit 70 Watt Leistungsaufnahme ist das eine heikle Aufgabe. Wir haben die pure Masse des Leuchtkopfes erhöht. Mehr Aluminium kann kurzfristig mehr Wärme aufnehmen. Selbst der hintere Deckel ist deshalb aus Aluminium gefräst. Die Oberfläche wurde maximal vergrößert durch tiefere und durch eine größere Anzahl an Kühlrippen. Die Anbindung aller temperatursensiblen Bauteile wurde verändert und optimiert. Zudem haben wir die Selektion der LEDs, verbessert, denn nur 0,5 Prozent der gefertigten Cree-LED genügen den Anforderungen der Alpha-Vorgaben.
Wo kann man die Lampe überhaupt offiziell nutzen?
In Deutschland ist die Alpha als Helmlampe zulässig, da sie dann kein Bauteil am Fahrrad darstellt. Ansonsten ist es von der Gesetzgebung her so, dass der Kunde in Eigenverantwortung einen Schnellspanner für den Lenker erwerben darf, aber nur als Zubehör, nicht in der Packung inkludiert. Natürlich darf die Alpha nicht im Straßenverkehr eingesetzt werden, aber das ist bei so einer Lampe eh klar. Glücklicherweise ist die Alpha durchaus hochpreisig und wird dem zufolge eher von verantwortungsbewussten Käufern in die engere Wahl gezogen. Das ist typischerweise keine Lampe, die von 18-Jährigen erworben wird.