Dieser Artikel ist erstmalig am 24.04.2024 erschienen. Wir haben ihn jetzt aktualisiert.
Je länger man im Sattel sitzt, desto eher zwickt und zwackt es hier und da. Das gehört zum Teil einfach zum Sport dazu, manchmal sagt einem damit der Körper aber auch, dass die Tour zu lang, das Material falsch oder die Ernährung nicht passend war. Gerade wer nicht schon viele Wochen und Jahre im Sattel verbracht hat, tut sich schwer, Ursprung, Heftigkeit und Bedeutung solcher Warnsignale richtig einzuschätzen.
Einige davon sind unangenehmer, aber bringen weder aktuell noch langfristig ernsthafte Probleme mit sich. Andere wiederum kommen eher schleichend und unauffällig, können aber Anzeichen dafür sein, dass die Belastung auf dem Rad falsch oder zu viel war und vielleicht sogar Symptome einer bisher noch nicht auffällig gewordenen Krankheit sind. Aber: Wir stecken nicht in jedes Lesers Haut! Unsere Checkliste ist eher ein Leitfaden als eine Diagnose-Bibel. Letztendlich muss jeder auf sein Körpergefühl hören und eigene Schlüsse daraus ziehen.
Es gab zumindest im Radsport Jugendtrainer, die ihre Schützlinge zwecks Abhärtung der Sitzfläche zwangen, dreistündige Fahrten komplett im Sitzen zu absolvieren. Solche Selbstkasteiungen sind natürlich weder im Leistungs- noch im Hobbysegment angebracht. Trotzdem sind die Druck- oder Scheuerstellen am Gesäß ein gutes Beispiel dafür, dass es sich manchmal lohnt, die Komfortzone zu verlassen. Wie die Fußsohlen eines Läufers härten auch die Gesäßpartien des Radfahrers mit der Zeit ab.
Wer sich an das 100-Kilometer-Experiment mit unserer Leserin Conny erinnert, weiß sicher auch noch, mit welchem Aufwand wir zusammen mit der Firma Ergon nach dem perfekten Sattel und der idealen Sitzposition für sie gesucht haben. Dazu trug sie topmoderne Radhosen. Trotzdem klagte die Langstreckennovizin am Ende über ihr Gesäß. Durch diese “harte Schule” muss jeder, der mit seinem Rad mehr als nur die Fahrt zum Bäcker, zur Kita oder auf Kurzstrecke ins Büro angehen will.
Das plötzliche Absacken des Kohlenhydratspiegels im Blut durch unzureichende Ernährung ist ein ähnlicher, aber unangenehmerer Fall. Dieser Hungerast genannte spontane Leistungsverlust ist je nach Entfernung zum Zielort furchtbar für die Motivation, weil man deutlich langsamer wird. Körperlich schadet er aber nicht, solange man die Konzentration aufrechterhält. Das betont auch Dr. Achim Schmidt von der Sporthochschule Köln. An Hunger sei auf dem Rad noch niemand gestorben, wenn aber Koordination und Fokus nachließen, werde er zum Sicherheitsthema!
Ähnlich dem Hungerast fühlen sich aber auch ernste Vorfälle auf dem Rad an. Wenn nämlich nicht der Kohlenhydratmangel, sondern ein Defizit an Sauerstoff für den spontanen Leistungsverlust verantwortlich ist, könnte das schwerwiegendere Ursachen haben als ein zu kleines Frühstück. Verengte oder blockierte Blutgefäße, die in Ruhe unauffällig waren, können bei großer Anstrengung ähnliche Symptome auslösen. Ob jetzt ein Bäcker oder ein Arzt helfen kann, entscheiden eher unauffällig Signale.
Wir möchten auf keinen Fall Ängste schüren, Radfahren gilt als eine der schonendsten Möglichkeiten, sich zu bewegen – besonders in Zeiten von Pedelecs. Unsere Checkliste bildet einige klassische Symptome auf dem Rad ab, manche kommen etwas öfter vor, manche sehr selten. Die Ampel soll zeigen, ob man das Problem erst mal ignorieren kann (grün), ob spontaner Handlungsbedarf mit Unterbrechung der Tour besteht (gelb) oder ob man ernsthaft Hilfe benötigt (rot). Der Sportwissenschaftler Dr. Achim Schmidt verortet übrigens den Großteil von Radlerproblemen in Mängeln bei Material und Sitzeinstellung. Er rät zum Bikefitting statt zum Arztbesuch.
Wer üblicherweise nicht unter Kopfschmerzen leidet, die dann aber nach einer gewissen Zeit beim Radfahren auftreten, hat mit großer Wahrscheinlichkeit zu wenig getrunken. Das Blut wird durchs Schwitzen dickflüssiger, und sehr feine Gefäße im Gehirn sind dafür zu eng. Manchmal tritt so was auch oder besonders dann auf, wenn man mit extrem viel Kraft treten muss und dabei in eine Pressatmung verfällt.
Handlungsempfehlung: Belastung in jedem Fall sofort verringern, aber Kreislauf in Gang halten, heißt nicht abrupt stehenbleiben oder gar hinlegen. Möglichst sofort trinken, kleine Schlucke nehmen und die Fahrradflasche über eine Stunde verteilt austrinken (500–750 ml). Nacken dehnen, laut Dr. Schmidt können Verspannungen hier auch der Grund sein.
Wenn die Hände kribbeln und sich taub anfühlen, werden durch die Handhaltung und Stützbelastung meist Nerven zu stark komprimiert oder gar eingeklemmt. Das Gefühl kommt zwar nach dem Radfahren oder in der nächsten Pause zurück, man sollte aber sehr vorsichtig sein, denn ohne sensible Fingerspitzen wird es schwer, gerade offroad den richtigen Bremsdruck zu finden. Also: Wenn gerade keine Gelegenheit da ist, die Hände zu entspannen, eher früh und vorsichtig bremsen.
Handlungsempfehlung: Kurzfristig kann man die Handhaltung variieren. Die besten Chancen hat man, wenn Handrücken und Unterarm eine gerade Linie bilden. Auch möglich: eine Faust bilden und mit Kleinfingerseite auf dem Griff ablegen, wenn Strecke und Verkehr das zulassen. Mittelfristig Lenker, Griff und Sitzposition vom Experten kontrollieren lassen.
Dass man über die Dauer einer Tour oder Etappe etwas an Power einbüßt, ist normal. Wenn aber das Energielevel schlagartig abfällt, ist das kein gutes Zeichen. Dann ist entweder die Versorgung mit Kohlenhydraten oder die mit Sauerstoff stark beeinträchtigt. Die erste Variante ist eher ärgerlich und unangenehm, die zweite recht kritisch. Gehen die Kohlenhydrate aus, wird die Energie für den Körper nur noch aus Fetten bereitgestellt, nicht mehr aus einem Mix. Der Fettstoffwechsel ist aber eher träge und erlaubt nur noch recht langsames Tempo. Kohlenhydrate sind effizienter, reichen aber, ohne dass man unterwegs isst, nur eine begrenzte Zeit und sind dann recht abrupt leer. Man ist dann müde und meist etwas unkonzentriert und fahrig, kann sich aber langsam weiterbewegen.
Handlungsempfehlung: Wenn man parallel zum Leistungsabfall kurzatmig wird, Herzrasen verspürt, stark schwitzt und sich das Bewusstsein trübt, könnte im schlimmsten Fall eine Embolie vorliegen, bei der ein Blutklümpchen meist aus den Beinen Blutgefäße von Lunge oder Herz verstopft. Sollte hier ein begründeter Verdacht bestehen, sollte man sich möglichst wenig bewegen, nur hinsetzen und den Notarzt rufen!
Richtig betrieben, ist Radfahren keine große Herausforderung für die Knie, aber wenn es kleine Vorschäden gibt, kann die ungewohnte Bewegung zu Schmerzen führen. Dann müssen Art und Ort des Schmerzes zeigen, ob man eher die Tour abbrechen oder nur sein Tempo anpassen sollte. Grundregel: Je stechender und punktueller man ihn fühlt, desto ernster sollte man ihn nehmen.
Handlungsempfehlung: Grundsätzlich sollte man mit Knieschmerzen zwei Gänge runterschalten und mit weniger Kraft und etwas mehr Frequenz weiterfahren. Lokalisiert man einen dumpfen Schmerz in der Tiefe des Gelenks, kann das eine Gewöhnung an die Kniestellung sein; meistens legt sich das in der nächsten halben Stunde. Stechende Schmerzen im Bereich der Kniescheibe oder der Sehne darüber sind etwas ernster zu nehmen.
Erste Maßnahme: absteigen und in der Hocke ein paar Sekunden entspannen, besser noch den Oberschenkel dehnen, indem man das Fußgelenk Richtung Po zieht. Das senkt die Spannung auf der Sehne und damit den Druck auf den Knorpel der Kniescheibe. In vielen Fällen hilft das. Sollte dem nicht so sein, mit minimaler Kraft und auf kurzem Weg nach Hause und vor der nächsten Tour das Problem beim Hausarzt vorstellen.
Schwitzen auf sich kalt anfühlender Haut ist grundsätzlich ein Signal, das man nicht ignorieren darf. Meist geht das mit fahler Hautfarbe einher, was bedeutet, dass sich das Blut aus der Haut in die lebenswichtigen Organe zurückgezogen hat, ein sogenannter Schockzustand. Das kann psychische Auslöser haben, deutet aber oft auf einen körperlichen Extremzustand hin. Das könnte eine Sauerstoffunterversorgung sein, eine Stoffwechselstörung wie bei einem angehenden Diabetes, eine Durchblutungsstörung oder paradoxerweise eine Dehydration.
Handlungsempfehlung: Hier gibt es keine zwei Möglichkeiten! Sofort anhalten, absteigen und am besten jemanden um Hilfe bitten, zur Not auch übers Handy, für den Fall, das man in Ohnmacht fällt. Am besten hilft kurzfristig eine Schocklage, also flache Rückenlage mit leicht erhöhten Beinen und langsames Zuführen von Wasser und Zucker. Keine Panik, es muss nichts Dramatisches sein, aber Rad fahren sollte man nicht mehr.
Solche Probleme können an zwei Stellen verortet werden, nämlich zwischen Pedal und Fuß sowie im Bereich der Hüfte. In beiden Fällen kann wie bei den Händen Druck auf Nervenbahnen die Ursache sein oder durch die Tretbewegung eingeengte Blutgefäße. Kein Grund, in Panik zu verfallen, aber noch eher als am Lenker sollte man hier mit ergonomischen Teilen oder veränderter Haltung auf dem Rad reagieren.
Handlungsempfehlung: Falls ein zu breiter Sattel die Blutgefäße innen am Oberschenkel abdrückt, gibt sich das schon bei 30 Sekunden im Wiegetritt – die Füße fangen sofort wieder an zu “leben”. Hilft das nicht, sollte man die Position der Füße auf dem Pedal kontrollieren. Der Fußballen sollte auf der Pedalachse stehen, nicht die Ferse und auf keinen Fall die Mitte des Fußes. Die Fußspitze sollte etwas nach außen zeigen. Oft sind auch die Schuhe Ursache kribbelnder Füße. Weiche Sohlen wie in Sportschuhen erzeugen einen punktuellen Druck in den Fuß hinein. Flächige Ergopedale, stabile Einlagen oder steife Radschuhe bringen in 90 Prozent der Fälle Erlösung.
Der Klassiker bei Radfahrern. Gerade wer neu im Sattel ist, ein neues Rad oder deutlich längere Strecken fährt als üblich, wird um die ein oder andere Druckstelle am Gesäß nicht herumkommen. Drei Stellen können betroffen sein: die Gesäßbacken, der Dammbereich und die Oberschenkelinnenseiten. Mit ergonomischem Sattel, einer Radhose mit Sitzpolster oder einer Sitzcreme lässt sich viel Linderung erreichen, gerade in der Gewöhnungsphase muss man aber den ein oder anderen Druckschmerz einfach ertragen – ein Wundscheuern allerdings nicht.
Handlungsempfehlung: Regelmäßiges Aufstehen, auch wenn der Po noch nicht wehtut, hilft am besten. Wen der Dammbereich plagt, der sollte den Sattel weiter nach vorne und etwas tiefer einstellen, und umgekehrt, wenn es eher die Pobacken sind. Man muss auch nicht immer exakt gleich auf dem Sattel sitzen, gelegentliches Umpositionieren z. B. bei Terrainwechseln schützt auch.
Grundsätzlich deuten Rückenschmerzen, egal welcher Art, auf eine wenig optimale Sitzposition hin. Auf einem gut eingestellten Rad in der passenden Größe sind die Kräfte, die auf den Rücken einwirken, so klein bzw. ausgeglichen, dass zumindest in den ersten zwei bis drei Stunden im Sattel keine Probleme auftauchen. Ursachen dafür können sowohl eine unökonomische Haltung mit endgradigen Gelenkstellungen und viel Muskelanspannung sein als auch Schläge, die vom Hinterrad durch den Sattel auf den Rumpf übertragen werden.
Handlungsempfehlung: Brennende Muskeln entlang des Rückens sind unangenehm und bedürfen einer besseren Sitzhaltung, sind aber nicht gefährlich (siehe Muskelbrennen). Tipp: Die Wirbelsäule sollte als Ganzes, also in einer Linie nach vorne geneigt sein, also weder im Lendenbereich noch in Brust oder Hals stark gekrümmt werden. Fährt einem bei Fahrbahnunebenheiten der Schmerz teils wie ein Stromschlag in den Rücken, ist das nicht ungefährlich.
Das heißt meistens, dass Bandscheiben und Wirbelkörper samt ihrer zapfenartigen Fortsätze hart gestaucht werden. Das kann in Bandscheibenvorfällen oder seltener in Ermüdungsbrüchen enden! Kurzfristig: bei jedem echten Hindernis wie einem Bordstein aus dem Sattel gehen, die Beine sind hervorragende Dämpfer, und der Rücken ist dabei angespannt. Eine gefederte Sattelstütze und eine nicht zu aufrechte Haltung auf dem Rad mildern solche Stöße deutlich ab.
Die Erklärung ist einfach: Wenn Salz auf der Haut ist, möchte der Körper zur Kühlung schwitzen. Wenn die Haut aber trocken bleibt, ist nicht mehr genug Wasser übrig für diese Funktion. Üblicherweise wird die Konstellation von Trockenheit im Mund und Hitzewallung begleitet, wenn man aber stattdessen friert, ist man über die Dehydration hinaus bereits in Richtung Hitzschlag unterwegs.
Handlungsempfehlung: Langsames, dauerhaftes Trinken ist hier das Gebot, keine Belastung mehr, lieber bis zur Besserung in den Schatten setzen. Je nach Wasservorrat helfen ein paar Spritzer im Nacken und an den Pulsadern zur Kühlung; bitte nicht dem Drang verfallen, alles Wasser zur äußerlichen Kühlung zu verwenden. Wenn das Unwohlsein langsam nachlässt, kann man locker weiter radeln. Bei starker Übelkeit Tour abbrechen.
Brennende Muskeln sind ein Zeichen von Ausbelastung, und das ist prinzipiell mal nichts Schlechtes. Das Gefühl tritt auf, wenn die Energiebereitstellung mit dem momentanen Krafteinsatz nicht mithalten kann und deshalb “nicht sauber verbrannt” wird. Es geht weder was im Muskel kaputt, noch schaden die Stoffwechselreste, und auch der Muskelkater kommt nicht davon! Während der nächsten Entlastung verschwindet das Gefühl wieder, zumindest in den Muskeln zum Vortrieb. Die im Rücken oder den Schultern bleiben ja auch bergab zum Beispiel in Aktion.
Handlungsempfehlung: Solange die Beine noch treten, geht’s ihnen auch gut! Heißt, hier reicht eine Reduzierung der Leistung. Seltene Ausnahme: Wenn das Gefühl einseitig ist, sollte man das entsprechende Bein nach verdickten Venen absuchen. Ein Bein kann sich auch heiß anfühlen, wenn sich eine Thrombose gebildet hat, zusätzlich meist mit dem Gefühl von lokalem Überdruck. In diesem Fall bitte jegliche Belastung bis zum zügigen Arztbesuch vermeiden, langsam Gehen ist okay. Um brennende Rumpfmuskeln wieder zu entspannen, helfen ein kurzer Stopp mit etwas Schulterkreisen, Stretching im Oberkörper und mittelfristig eine verbesserte Sitzposition auf dem Rad sowie Gymnastik oder Yoga.
Wer das Gefühl hat, dumpfer zu hören als sonst, oder ein Pochen vernimmt, das gar nicht da ist – manche vergleichen das Geräusch mit dem eines entfernten Helikopters –, der sollte schleunigst was trinken. Wie bei den Kopfschmerzen ist das Blut zu dickflüssig, und das macht sich auch gerne im Innenohr bemerkbar.
Handlungsempfehlung: Da mit dem Ohr auch schnell das Gleichgewichtsorgan betroffen ist, sollte man kurz Pause machen und fortwährend kleine Schlucke trinken. Spätestens nach einer Stunde und einem knappen Liter Isogetränk oder Wasser sollte das Ohr wieder normal funktionieren. Dann kann man die Fahrt – möglichst im Schatten und sehr gemächlich – fortsetzen.
Wer an sich während oder nach der Belastung einen säuerlichen Geruch feststellt, was auch beim Wasserlassen der Fall sein kann, hat, laienhaft ausgedrückt, statt Kohlenhydraten und Fett Eiweiße zur Energiegewinnung verbrannt. Das passiert, wenn entweder die beiden anderen Quellen nicht mehr genug davon liefern oder eine Regulationsstörung vorliegt wie bei einer Zuckerkrankheit zum Beispiel. Da der Körper in der Situation nicht wählerisch sein kann, fallen ihm auch wertvolle Bausteine wie Antikörper zur Immunabwehr zum Opfer. Deshalb sind Leistungssportler nach sehr langen Wettkämpfen auch viel anfälliger für Infekte.
Handlungsempfehlung: Das Tempo muss man in diesem Fall nicht reduzieren, das macht der Körper von selbst. Wichtig ist abzuschätzen, ob man sich einfach nur kolossal überbelastet und viel zu wenig Nahrung aufgenommen hat – dann genügen eine kohlenhydratreiche Mahlzeit oder Snacks. Taucht der Geruch trotz ausreichend Nahrung unerklärbar auf, sollte man bei Gelegenheit mal den Hausarzt dazu befragen. In beiden Fällen sich als Infektionsschutz warmhalten und Menschenmassen meiden.