Mountainbiken mit ArthroseWas tut den Knien gut & was nicht?

Jan Timmermann

 · 15.02.2024

Kann ich mit einer Kniearthrose noch bedenkenlos Mountainbiken? Im Interview erklärt der Knie-Experte, worauf es ankommt.
Foto: Medical Art Inc
Arthrose ist eine Volkskrankheit. Sie tritt häufiger auf als jedes andere Knieproblem. Radfahren gilt als gut fürs Knie. Doch wie steht es um die Erschütterungen beim Mountainbiken? Wir wollten wissen, ob Biken mit Arthrose-Risiko noch empfehlenswert ist. Dazu haben wir einen Betroffenen und einen Experten befragt.

Bei chronischen Verschleißerscheinungen des Gelenkknorpels spricht man von Arthrose. Besonders häufig betroffen sind Kniegelenke. Arthrose ist das weltweit am weitesten verbreitete Knie-Problem. In Deutschland ist Arthrose der häufigste Behandlungsgrund in orthopädischen Vorsorge- und Reha-Einrichtungen. In der Schweiz ist die Knie-Verletzung nach Heuschnupfen das am zweit-weitesten verbreitete Gesundheitsproblem von allen. Ab einem Alter von 50 Jahren steigt das Arthrose-Risiko erheblich an. Doch die Betroffenen werden immer jünger. Hohe Belastungen und Verletzungen des Kniegelenks erhöhen das Risiko, an Arthrose zu erkranken. Für Mountainbiker scheint das eine besonders schlechte Nachricht zu sein, denn zwei Drittel der Verletzungen beim Biken betreffen die unteren Extremitäten. Ist Mountainbiken bei Arthrose-Risiko oder gar akuter Arthrose überhaupt zu empfehlen?

Arthrose trifft die meisten Menschen früher oder später. Als Folge einer Knie-Verletzung habe ich bereits mit 30 Jahren ein hohes Arthrose-Risiko. Trotzdem will ich auch in nochmals 30 Jahren weiter Mountainbike fahren. Zum Glück gibt es präventive Maßnahmen, die ich ergreifen kann, um möglichst lange an meinem natürlichen Knie Freude zu haben. Je länger sich das Einsetzen eines Implantates guten Gewissens herauszögern lässt, desto weiter ist die Medizin hoffentlich. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Radfahren ist für Arthrose-Patienten ein sehr gut geeigneter Sport. Wenn Betroffene mit ihrer Knie-Verletzung bewusst umgehen, trifft das auch fürs Mountainbiken zu.Foto: Max FuchsRadfahren ist für Arthrose-Patienten ein sehr gut geeigneter Sport. Wenn Betroffene mit ihrer Knie-Verletzung bewusst umgehen, trifft das auch fürs Mountainbiken zu.

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Wie kommt es zu Arthrose im Knie?

Um zu verstehen, was im Kniegelenk vor sich geht und wie es zu Arthrose kommen kann, ist es hilfreich einen Blick auf die wichtigsten Elemente des Knies zu werfen. Wie komplex dessen Aufbau ist, realisieren viele Biker erst nach einer Verletzung.

Das Gelenk: Im Knie treffen Wadenbein-, Schienbein- und Oberschenkelknochen zusammen. Letzterer besitzt einen walzenartigen Kopf, welcher sich in einer Pfanne am Ende des Schienbeins drehen kann. Dieses Scharnier- und Zapfengelenk sorgt für die Beweglichkeit des Knies um 180 Grad. Die letzten zehn Grad der Streckung sind nur bei gleichzeitiger Außenrotation um fünf Grad möglich.

Die Mensiken: Aufgrund einer unterschiedlichen Krümmung passen die Knochen im Knie schlechter aufeinander, als in anderen Gelenken. Deshalb ist das Kniegelenk in zwei Knorpelringen gelagert. Diese Mensiken sorgen als eine Art Stoßdämpfer für die flächigere Verteilung der Last. Einseitige Belastungen und Verletzungen begünstigen ihren Verschleiß.

Die Bänder: Gesunde Kreuzbänder sind stets straff gespannt und verhindern so das Abgleiten des Oberschenkels vom Schienbein. Bei voller Streckung sind auch die beiden Seitenbänder gestrafft, um einer Überstreckung und Überdrehung des Unterschenkels entgegenzuwirken.

BIKE-Redakteur Jan Timmermann hat nach einer schweren Knie-Verletzung ein erhöhtes Arthrose-Risiko im linken Bein. Dank gezielt trainierter Muskulatur kann er trotzdem auf einem Hardtail durchs Steinfeld fahren.Foto: Max FuchsBIKE-Redakteur Jan Timmermann hat nach einer schweren Knie-Verletzung ein erhöhtes Arthrose-Risiko im linken Bein. Dank gezielt trainierter Muskulatur kann er trotzdem auf einem Hardtail durchs Steinfeld fahren.

Die Muskeln: Als Zusammen- und Gegenspieler sorgt eine Vielzahl unterschiedlicher Muskeln für Beugung sowie Streckung des Knies und eine stabile Sicherung des Gelenks. Der kräftigste Muskel im menschlichen Körper ist der vierköpfige Oberschenkelmuskel, welcher sich über die Vorderseite und einen Teil der Innenseite erstreckt. Innen am Oberschenkel sitzen die Adduktoren, auf der Rückseite die ischiokrualen Muskeln. Die auffälligste Muskulatur im Unterschenkel bilden der lange und der kurze Wadenbeinmuskel.

Der Knorpel: In der Verbindung des Gelenks sitzt ein stützendes Bindegewebe, welches nicht über einen eigenen Stoffwechsel verfügt. Mit Nährstoffen wird der Knorpel durch Be- und Entlastung des umgebenden Gewebes, wie etwa beim Pedalieren, versorgt. Im Laufe der Zeit verliert der Knorpel an Substanz und der darunterliegende Knochen kann beschädigt werden. Unterversorgung und Verletzungen beschleunigen den Knorpel-Abbau. Werden die Verschleißerscheinungen chronisch, diagnostizieren Mediziner eine Arthrose. Zu den häufigsten Folgen zählen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.

Eine Arthrose ist in der Regel die Folge eines chronischen Knorpelschadens. Der Knorpel ist jedoch nur ein kleiner Teil des komplexen Systems Knie.  Foto: Filip KrsticEine Arthrose ist in der Regel die Folge eines chronischen Knorpelschadens. Der Knorpel ist jedoch nur ein kleiner Teil des komplexen Systems Knie. Foto: Filip Krstic
Früher bin ich viel BMX gefahren. Ganz abgesehen vom Verletzungs-Risiko, kommen harte Einschläge auf einem Bike mit Null Dämpfung nach meiner Knie-Verletzung nicht mehr in Frage. Auch an Singlespeed-Rides mit mehreren hundert Kilometern Länge traue ich mich trotz ergonomischem Material nicht mehr heran. Für mich ist es wichtig, genau zu verstehen, was in meinem Knie vor sich geht. Mit regelmäßiger medizinisch-therapeutischer Beratung, einem guten Körpergefühl und gezieltem Training bleiben meine Einschränkungen beim Mountainbiken überschaubar und das Arthrose-Risiko kontrollierbar. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur

Biken mit Arthrose-Risiko? Drei Fragen an den Experten

Lorenz Westner betreut seit vielen Jahren an der Sportschule FFB Puch zahlreiche Top-Athleten – auch aus dem Mountainbike-Bereich. Mit Danny MacAskill arbeitet er schon seit zwanzig Jahren zusammen, Emil Johansson trainierte monatelang mit ihm, mit Fabio Wibmer erarbeitete er ein Trainingssystem und auch Tarek Rasouli, Erik Fedko, Steffi Marth, Loris Vergier und viele mehr gehören zu den Sportlern von „Lenz“. Wir haben dem Experten drei brennende Fragen Thema zum Mountainbiken mit Arthrose gestellt.

BIKE: Kann man Mountainbiken auch für Arthrose-Patienten empfehlen?

LORENZ WESTNER: Absolut! In der Reha versucht man die Betroffenen so schnell wie möglich auf ein Fahrrad zu bringen. Radfahren ist eine sehr gute Ausdauersportart für Verletzungen dieser Art. Aufgrund der vorgeschädigten Struktur bei Arthrose-Patienten hat es der Stoffwechsel des Gewebes schwerer und im Körper laufen Entzündungsprozesse ab. Eine Arthrose tut nur weh, wenn sie aktiviert, also entzündlich, ist. Das kann zum Beispiel bei Überlastung aber auch nach Viren-Infektionen oder bei einem geschwächten Immunsystem passieren.

Mountainbiker profitieren von perfekt eingestelltem Material und einer gut trainierten Bewegungsausführung. Für Biker mit Arthrose im Knie gilt das ganz besonders.Foto: Georg GrieshaberMountainbiker profitieren von perfekt eingestelltem Material und einer gut trainierten Bewegungsausführung. Für Biker mit Arthrose im Knie gilt das ganz besonders.

Was sollten Mountainbiker mit Arthrose vermeiden?

Knie-Patienten bekommen oft gesagt, was sie alles lassen sollten. Der Sportler sollte so gut, wie möglich wieder das tun können, was er liebt, denn das bestimmt seine Lebensqualität. Menschen haben ein ganz unterschiedliches Schmerzempfinden. Es ist bei so einer Verletzung aber wichtig dem Körper Zeit zu geben. Zwei Mal die Woche hochintensive Intervalle zu fahren ist dann aufgrund der hohen Kräfte im Knie nicht unbedingt empfehlenswert. Es muss vielleicht nicht die 18-Prozent Steigung sein. Wer sich mit fünf oder sechs Prozent begnügt, kann den Druck noch schön regulieren. Wichtig ist immer zu versuchen die Belastung im Gelenk zu minimieren. Ausbelastet wird man während einer Tour wahrscheinlich sowieso. Im Training aber muss nichts forciert werden – lieber Wert auf gute technische Abläufe und eine hohe Trittfrequenz legen.

Darf ich mit Arthrose-Risiko noch auf einem Hardtail durchs Wurzelfeld scheppern?

Erschütterungen, die direkt aufs Gelenk einwirken sind natürlich problematisch. Bei den feinen Vibrationen auf einer frisch hergerichteten Skipiste mit kleinen Rinnen beginnen Arthrose-Patienten zum Beispiel oft zu merken, dass etwas im Knie nicht stimmt. Muskeln sind die Stoßdämpfer im Bewegungssystem. Mit einer optimal trainierten Muskulatur ist viel mehr möglich. Je leistungsfähiger sie ist, desto besser können Erschütterungen verarbeitet werden. Problematisch wird es, wenn der Körper es nicht schafft die Muskelspannung richtig einzustellen, weil die Muskulatur zu steif oder nicht in der Balance ist. Ich würde jedem, der von Arthrose betroffen und im Gelände unterwegs ist, empfehlen, sich ein Fully zuzulegen, auf dem er bequem sitzt. Gut eingestellte Federelemente eliminieren den Großteil der vibrationsbedingten Zusatzbelastungen.

Gemeinsam mit Lorenz Westner haben wir auch die besten Übungen gegen Knie-Probleme in einem Video zusammengestellt - viel Spaß beim Anschauen und Nachmachen!

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