David Voll
· 10.01.2023
Weltmeister Nino Schurter macht es, Downhillerin Nina Hoffmann und die Slopestyle-Elite sowieso: Mobilitätstraining. Denn, nur wer beweglich ist, trainiert auch wirklich effektiv. Hier die besten Übungen für mehr Beweglichkeit in Hals, Nacken, Rücken und Hüfte.
Wenn der Rücken auf der Hausrunde zieht oder der Nacken am Abend wieder hart ist wie Beton und den Kopf brummen lässt, dann sollte man nach den Ursachen für das schmerzhafte Zwicken und Kneifen im Körper forschen. Einer dieser Gründe ist häufig fehlende Mobilität, also die Beweglichkeit von Muskeln und Gelenken.
Durch stundenlange, statische Haltung auf dem Rad sind Biker von Bewegungseinschränkungen häufig betroffen. Die Brennpunkte: Hüftgelenk, Schulter sowie Lenden- und Brustwirbelsäule. Dabei ist ein gewisses Maß an Mobilität ganz entscheidend für eine gute, schmerz- und verschleißfreie Bewegungsausführung ohne Leistungseinbußen.
Betrachtet man die typische Position auf dem Rad: sitzend, nach vorn gebeugt, mit dem Kopf im Nacken, dann widerspricht das der evolutionären, aufrechten Haltung des Menschen enorm. Werden die Gelenke und Muskeln nun langfristig nur in dieser Position beansprucht, reduziert sich der Bewegungsapparat genau darauf.
Auf Biker übertragen bedeutet das am Beispiel der Hüfte: Die Mobilität wird auf die nach vorn gekippte Sitzposition eingeschränkt, und andere Gelenke versuchen das zu kompensieren – in diesem Fall ist das die Lendenwirbelsäule. Die Folge können Schmerzen im unteren Rücken sein, gegen die spezielle Dehnübungen helfen.
Ähnliches gilt auch für den Radfahrerbuckel: Diese in typischer Radfahrposition gebeugten Gelenke und Muskeln im oberen Rücken entspannt man am besten mit dynamischen, also aus eigener Muskelkraft erzeugten, Streckübungen.
Aktives Beweglichkeitstraining bedeutet also nicht nur Dehnen, sondern gleichzeitig auch Stabilisierung. Das hilft dabei, den neu erlernten Bewegungsumfang direkt im Nervensystem abzuspeichern. Wie beim Ausdauertraining gilt auch hier: Regelmäßigkeit ist der Schlüssel zum Erfolg.
Und Erfolg wird sich auch bald einstellen. Egal, ob beim Radfahren, beim Krafttraining oder im Alltag – die verbesserte Mobilität wirkt sich in jedem Bereich positiv aus. Allerdings sollte man den neuen Bewegungsspielraum dann auch nutzen! Denn da er vom Nervensystem angesteuert wird, geht er sonst schnell wieder verloren.
“Langes, statisches Sitzen im Sattel bringt bei Bikern ’Problemzonen’ mit sich.” David Voll, BIKE-Autor
Starten Sie vorab am besten mit einem Selbsttest: In der Physiotherapie hat sich der Functional Movement Screen (FMS), bestehend aus sieben Übungen, als zuverlässiger Test etabliert, um die Defizite in der Beweglichkeit zu erfassen.
Abgespeckt und weniger aufwändig können Biker mit den folgenden drei Tests zu Hause ihren Status quo bestimmen und regelmäßig ihre Mobilität überprüfen. Sollten Sie dabei Einschränkungen feststellen, empfehlen wir Ihnen die gezeigten Trainingsübungen am besten 10 bis 15 Minuten nach jeder Tour.
Um die Mobilität zu erhalten, genügen zwei Einheiten pro Woche mit ein bis zwei Durchgängen von jeweils 30 bis 40 Sekunden pro Übung und langsamer Bewegungsausführung. Hierbei gilt: Qualität vor Quantität – wichtig ist die korrekte Ausführung. Viel Erfolg!
Fersen, Gesäß, Schulterblätter und Kopf berühren die Wand. Nun die gestreckten Arme nach vorne oben in Richtung Wand bewegen, bis die Oberarme neben den Ohren liegen.
Knie durchstrecken. Nun nach vorne beugen und mit den Fingern den Boden berühren.
Barfuß, etwas mehr als hüftbreiter Stand mit ca. 15 Zentimeter Abstand und dem Gesicht zur Wand. Füße leicht nach außen gedreht. Nun in die Kniebeuge gehen, bis die Oberschenkel parallel zum Boden sind, ohne dabei mit Stirn oder Nase die Wand zu berühren oder die Fersen vom Boden abzuheben.
Beim Biken ist der Kopf die meiste Zeit angehoben und damit die Halswirbelsäule – je nach Sitzposition – gestreckt oder überstreckt. Häufig sind Verspannungen der umliegenden Muskulatur und damit Kopfschmerzen die Folge. Die folgenden Übungen mobilisieren die Halswirbelsäule und lockern die Muskulatur.
Ausgangsposition: aufrechter Stand oder aufrechter Sitz mit den Schultern an der Lehne. Ausführung: maximale Drehung des Kopfes, im Wechsel von einer Seite zur anderen (1). Gesamten Bewegungsumfang ausnutzen, ohne den Körper zu verdrehen (2)!
Ausgangsposition: aufrechter Stand oder aufrechter Sitz auf einem Stuhl oder Hocker. Ausführung: einen Punkt an der Wand oder im Gelände auf Höhe der Nase fixieren. Nun den Kopf auf dieser gedachten Ebene maximal vor und zurück (Doppelkinn!) bewegen, ohne Ausweichbewegungen im Oberkörper.
Ausgangsposition: am besten im freien Stand, im Stuhl sitzend möglichst ohne störende Armlehne. Ein Arm ist nach unten gestreckt, der andere greift über den Kopf an die Schläfe. Blick geradeaus. Ausführung: Der gestreckte Arm schiebt Richtung Boden, der andere Arm neigt den Kopf so weit wie möglich zur Seite. Position halten und dann Seite wechseln.
Ausgangsposition: aufrechter Stand oder gerade sitzend (auch im Bürostuhl möglich!). Ausführung: Kopf abwechselnd ohne Ausweichbewegungen im Oberkörper nach hinten (Stirn zeigt nach oben) und vorne (Kinn auf die Brust) bewegen.
Je sportlicher die Fahrweise, desto tiefer der Lenker bzw. die Beugung des Oberkörpers nach vorne. Dabei bedingt die Griffhaltung, dass die Schultern nach vorne rotieren. Der Rücken wird „rund“. Die folgenden Übungen verbessern die Beweglichkeit in den Schultern und in der Brustwirbelsäule.
Ausgangsposition: Auf dem Rücken liegend befinden sich die Arme im 90-Grad-Winkel neben dem Körper. Beine gestreckt. Ausführung: Die Arme werden gestreckt, bis sich die Oberarme neben den Ohren befinden. Dabei sollten Hände und Arme immer Bodenkontakt haben. Danach die Arme wieder beugen und von vorne beginnen. Tipp: Beine aufstellen, wenn sich die Lendenwirbelsäule zu stark vom Boden abhebt.
Ausgangsposition: Vierfüßlerstand, Oberschenkel senkrecht zum Boden, Hände stützend unter die Schultern. Ausführung: im Wechsel Rücken maximal rund machen (Bauchnabel einziehen, Kinn auf die Brust) und maximal beugen (Bauchnabel zieht nach unten, Kopf in den Nacken).
Ausgangsposition: Rückenlage, Beine ca. 90 Grad aufgestellt, Faszienrolle etwa unterhalb der Schulterblätter. Hände auf die Brust bzw. in Verlängerung der Wirbelsäule. Ausführung: im Wechsel Streckung der Brustwirbelsäule, bis der Kopf den Boden berührt und wieder aufrichten. Hohlkreuz vermeiden, Bauch anspannen! Drehpunkt ist die Faszienrolle.
Ausgangsposition: Standwaage mit dem wandnahen Bein. Innere Schulter und Hüfte liegen an der Wand an. Arme zeigen senkrecht zum Boden. Ausführung: Streckung des äußeren Arms über die Seite in einer Ebene mit dem inneren Arm, bis auch der äußere Arm an der Wand anliegt. Danach zurückbewegen in die Ausgangsposition. Blick folgt stets der Hand des bewegten Arms. Seitenwechsel.
Ausgangsposition: halber Kniestand, Oberkörper aufrecht, beide Arme sind parallel zum Boden nach vorne gestreckt. Fuß, Knie, Hüfte, Schulter und Arm berühren die Wand. Nun den äußeren Arm auf einer Ebene nach hinten aufdrehen, bis dieser an der Wand anliegt und wieder zurückdrehen. Blick folgt der bewegten Hand. Seitenwechsel.
Wie beim Oberkörper sind auch der untere Rücken und die Hüfte beim Biken gebeugt. Vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule klagen viele Mountainbiker über Schmerzen. Ein Grund dafür sind durch vieles Sitzen verkürzte Hüftbeugemuskeln, die ihren Ursprung an Lendenwirbeln und Becken haben. Die folgenden Übungen fördern die Beweglichkeit von Hüfte und Lendenwirbelsäule.
Ausgangsposition: Bauchlage, Beine gestreckt und Hände neben den Schultern. Ausführung: Arme strecken und den Oberkörper nach oben stemmen. Stirn zeigt nach oben. Nun das Gesäß nach hinten zu den Fersen schieben und dabei – ähnlich einer Wellenbewegung – Wirbel für Wirbel beugen, bis der Kopf zwischen den gestreckten Armen ist und die Stirn den Boden berührt. Die Hände verändern dabei ihre Position nicht.
Ausgangsposition: Bauchlage, Arme 90 Grad seitlich abgespreizt, Beine gestreckt. Ausführung: Im Wechsel linken Fuß zur rechten Hand und rechten Fuß zur linken Hand führen. Dabei sollten die Schultern nicht vom Boden abheben. Blick jeweils zu den sich berührenden Gliedmaßen.
Ausgangsposition: aufrechter Sitz auf Bank, Stuhl o. Ä., Beine 90 Grad aufgestellt, Hände in den Hüften. Ausführung: Becken vor- und zurückkippen, dabei über die Sitzhöcker „rollen“. Die Bewegung erfolgt ausschließlich in der Hüfte. Oberkörper und Beine verändern ihre Position dabei nicht.
Ausgangsposition: gebeugtes Bein mit dem Unterschenkel gegen die Wand, das andere Bein 90 Grad aufstellen. Oberkörper nach vorne geneigt. Für ein besseres Gleichgewicht stützt eine Hand auf einem Hilfsmittel (z. B. Faszienrolle). Ausführung: Im Wechsel Oberkörper aufrichten und „groß machen“, um die Wirbelsäule auseinanderzuziehen, und wieder beugen. Beide Seiten üben!
Ich merke, dass ich dank der Übungen viel lockerer auf dem Bike sitze.
BIKE: Marion, was bringt Dir das Mobilitätstraining für Cross-Country- und Eliminator-Rennen?
Marion Fromberger: Ich finde es extrem wichtig, da es meinen gesamten Bewegungsumfang in allen Bereichen des Trainings vergrößert. Gerade im Winter ist es ein fester Bestandteil in meinem Trainingsalltag. Ich merke, dass ich dadurch viel lockerer und unverkrampfter auf dem Bike sitze. Außerdem gibt es mir ein gewisses Maß an Struktur: Ich mache meine Übungen jeden Morgen nach dem Aufstehen und fühle mich anschließend den ganzen Tag frischer.
Hast Du einen Bereich, auf den Du Dich besonders fokussierst?
Natürlich habe ich Lieblingsübungen, die ich öfter und regelmäßiger einbaue. Aber eine feste Routine habe ich nicht. Ich starte vom Kopf bis zu den Füßen mit verschiedenen Dehnübungen, gefolgt von leichten Kraftübungen mit dem eigenen Körpergewicht.
Und was sind Deine Lieblingsübungen?
Meine Lieblingsübung ist die einbeinige Kniebeuge. Sie aktiviert nicht nur eine hohe Anzahl an Muskeln, sondern spricht auch die tiefer liegenden Muskeln an. Zudem fordert sie ein hohes Maß an Koordination und Beweglichkeit in Fuß- und Kniegelenken sowie in Hüfte und Rücken. Ein anderer Favorit: die Gesäßdehnung. In Rückenlage kippe ich das angewinkelte rechte über das gestreckte linke Bein und drücke es mit der linken Hand auf den Boden. Am Ende spreize ich noch den rechten Arm zur Seite ab. Nach kurzer Zeit dehne ich dann die andere Seite. Das hilft mir dabei, auch bei langen Radtrainings Rückenschmerzen vorzubeugen.