So trainieren Sie am besten im Trainingslager

Björn Kafka

 · 30.08.2015

So trainieren Sie am besten im TrainingslagerFoto: Markus Greber
So trainieren Sie am besten im Trainingslager

Soll die Formkurve schon im Frühjahr steil nach oben zeigen? Dann planen Sie ein Trainingslager. BIKE gibt Ihnen Trainingspläne für eine und zwei Wochen an die Hand.

Zwei Wochen Sonne satt, 1300 Kilometer: Das klingt nach einem gelungenen Trainingslager. Oder doch nicht?
Für ein perfektes Trainingslager steht vor allem der eigene Ehrgeiz den meisten Bikern im Weg. Denn, wer zu viele Kilo- und Höhenmeter in zwei Wochen Mallorca-Camp abspult, kann seine Form auch in den Keller fahren. Anstatt sich im Trainingslager einer Radikalkur zu unterziehen, sollte man schon vor dem Lager die nötige Grundlage legen. Ohne diese benötigen Sportler teilweise bis zu fünf Wochen, um sich nach solch einem Camp zu erholen. "Im Winter wenig trainieren und dann die Belastung um mehrere hundert Prozent steigern – das kann nicht funktionieren", warnt Sportwissenschaftler Clemens Hesse. "Die Erholungszeit nach einer Phase mit solch großen Belastungen zieht sich unverhältnismäßig in die Länge", erklärt der Kölner. Beispiel: Wer wöchentlich fünf Stunden trainiert, dann aber in sieben Tagen Trainingslager 20 Stunden abreißt, müsste sich danach etwa vier Wochen Erholung gönnen. Das machen aber die Wenigsten und können so ins Übertraining reinsteuern. "Es ist nicht außergewöhnlich", sagt Hesse, "dass Sportler sich im Trainingslager um ihre Form bringen". Ergo: Mann muss schon vor dem Trainingslager aktiv werden und die Basis legen. Darauf lässt sich dann im sonnigen Süden aufbauen. Wo und wie das am besten geht, zeigen wir hier:

  Andalusien bietet von März bis Mai perfekte Trainingsbedingungen. Dort kann man sogar im Trainingslager auf Trails trainieren.Foto: Veranstalter
Andalusien bietet von März bis Mai perfekte Trainingsbedingungen. Dort kann man sogar im Trainingslager auf Trails trainieren.


Was muss ich vorher tun?


In den Flieger steigen und zwei Wochen Vollgas geben – so funktioniert kein Lager. Hier finden Sie den Fahrplan.

Sie wollen Erfolg aus dem Trainingslager ziehen? Dann halten Sie sich an folgende Regeln: Sechs Wochen vor dem Abflug steigern Sie das Trainingsvolumen. Dabei reichen zusätzliche 30 Minuten pro Woche aus. Wichtig: Das Trainingsvolumen sollte in der Abflugwoche reduziert werden – auf 60 bis 70 Prozent der Vorwoche. Aber nicht nur die gesammelten Kilometer bereiten Sie vor, auch Ihre Ernährung hat einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg. Wer meint, im Trainingslager abspecken zu können, ist auf dem Holzweg. Dafür sind es zu viele Stunden an Training, die im Süden abgerissen werden. Man fährt sich eher in den Keller, als fitter zu werden. Leistungssteigerung und Gewichtsabnahme sind schwer vereinbar und funktionieren in einem sensiblen Verhältnis. Lieber sechs Wochen vor dem Inselurlaub an der Ernährung arbeiten anstatt im Trainingslager.



Die Trainingspläne für 1 bzw. 2 Wochen Trainingslager finden Sie unten zum kostenlosen Download.

Die Eckpfeiler für ein gelungenes Trainingslager:

• Grundlagentraining bei 75 % der maximalen Herzfrequenz absolvieren
• Nach jeder Ausfahrt können Sie gerne einen kleinen Spaziergang machen oder locker 30 min Schwimmen gehen
• Achten Sie auf eine hohe Trittfrequenz von über 90 Umdrehungen pro Minute


So werden Sie fit fürs Trainingslager: Mit diesem Minimalprogramm bauen Sie die richtige Form für höhere Umfänge auf.

  Mini-Programm, um fit fürs Trainingslager zu werden.Foto: BIKE Magazin
Mini-Programm, um fit fürs Trainingslager zu werden.

Nach dem Trainingslager

An Training brauchen Sie in der ersten Woche nach dem Trainingslager nicht zu denken. Geben Sie Ihrem Körper die nötige Zeit, um Umbau- und Aufbauprozesse zu beenden. Denken Sie einfach: Sie werden, ohne etwas zu tun, besser sein als vor dem Trainingslager. Je nach Länge des Trainingslagers verlängert sich die Regeneration. Wer eine Woche intensiv gefahren ist, benötigt etwa zehn Tage für die Erholung. Biker, die zwei Wochen auf der Insel unterwegs waren, brauchen fast drei Wochen. In dieser Erholungszeit können Sie aber locker fahren.


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Wohin soll es gehen?


Die beliebtesten Ziele für Trainingslager und ihre Vor- und Nachteile:


MALLORCA

Die Fakten:
• Temperaturen: 7–20 Grad
• Beste Reisezeit: Februar–Mai
• Revier: bestes Straßennetz, sehr abwechslungsreich
• Ideal für Sportler mit wenig Kilometern; günstige Angebote

Der Klassiker bietet alles, was Sportler im Frühjahr brauchen: Das Wegenetz ist grandios und perfekt erschlossen. Hotels und Fluggesellschaften sind auf Radmassen eingestellt und bieten günstige Pakete. Nachteil: Das Wetter kann in den Wintermonaten kühl und regnerisch sein.

  MallorcaFoto: Ronny Kiaulehn
Mallorca


GRAN CANARIA

Die Fakten:
• Temperaturen: 14–25 Grad
• Beste Reisezeit: Dezember–März
• Revier: bergig, ruhige Straßen im Inselinneren
• Ideal für Biker, die schon im Frühjahr Gas geben wollen. Gut zum Biken.

Gran Canaria wird von vielen Profi-Bikern bevorzugt. Das Wetter ist meist so gut, dass Doppelkurz gefahren werden kann. Wichtig: Auf der Insel kann man kaum flach fahren. Deshalb sollte eine gewisse Form schon vorhanden sein und eine gute Übersetzung am Bike montiert werden.

  Gran CanariaFoto: Dan Milner
Gran Canaria


SÜDAFRIKA

Die Fakten:
• Temperaturen: 20–33 Grad
• Beste Reisezeit: November–März
• Revier: perfekt fürs Biken; fürs Straßentraining mit Locals fahren
• Ideal für Biker, die auf perfekte Trails und Hitze stehen

Im Land des größten Etappenrennens (Cape Epic) kommen Trail-süchtige Biker voll auf ihre Kosten. Viele Farmen haben ihre eigenen Trailparks. Wer lieber Straße fährt, sollte mit Locals fahren, um nicht in gefährlichen Gegenden zu landen.

  SüdafrikaFoto: Cape Epic,Sportzpics,Greg Beadle
Südafrika


ANDALUSIEN

Die Fakten:
• Temperaturen: 4–16 Grad
• Beste Reisezeit: März–Mai
• Revier: gute Trails, gemäßigtes Wetter
• Ideal für Früheinsteiger, besonders wenn sie Rennen fahren wollen

Andalusien mauserte sich in den letzten Jahren zum perfekten Standort, um die ersten Trails im Frühjahr zu fahren. Viele Biker holen sich dort schon den ersten Formschliff beim Andalucia Race (21.–26. Februar, www.andaluciabikerace.com). Nicht ideal fürs Rennradtraining.

  AndalusienFoto: Veranstalter
Andalusien


Wo kann ich schlafen?


Pauschalangebot oder individuell planen: So finden Sie das Richtige für sich.

  Übernachtung im HotelFoto: Stefan Hunziker
Übernachtung im Hotel


Standort: Hotel
Buchen, fliegen, fahren – wer Pauschalangebote nimmt, muss sich meist um sehr wenig kümmern und kann sich aufs Biken konzentrieren. Die Hotels (besonders Mallorca) bieten guten Service, haben Werkstätten und sichere Radstellplätze. Die vielen Radgruppen ermöglichen ein Training mit vielen Sportlern. Wer clever bucht, kann zum Teil noch Bikefittings und Leistungsdiagnostiken mitordern (abhängig vom Anbieter). Nachteil: Meist hapert es an der sportgerechten Ernährung. Gruppentraining bringt zwar Spaß, aber individuell kann dort nicht an der Leistungsfähigkeit gearbeitet werden.


So funktioniert das Hotel-Trainingslager
• Wer mit Gruppen unterwegs ist, sollte sich die ersten zwei,
drei Tage die passende suchen. Lieber etwas langsamer als zu schnell. Tipp: Schauen Sie auf Ihren Puls- oder Wattmesser.
• Scannen Sie das Buffet: iemand muss verzichten, aber versuchen Sie, sich sportgerecht zu ernähren.
• Trainingslager sind KEINE Diät-Camps! Wer sich kasteit, fährt sich
in den Keller und erlebt einen Leistungseinbruch.
• Packen Sie warme Kleidung ein! Auf Malle und Co. kann es eisig sein.

  Unterkunft in einer Finca oder FerienwohnungFoto: Matthias Söder
Unterkunft in einer Finca oder Ferienwohnung


Standort: Finca oder Ferienwohnung
Ein perfektes Trainingslager fängt beim Frühstück an und endet beim Abendessen. Viele Sportler wählen deshalb eine Ferienwohnung. Der Vorteil: Hier können Sie selbst bestimmen, wann und was Sie essen wollen. Zudem kann ein Standort gewählt werden, der fernab der Touristenmassen liegt. Marathon-Ass Markus Kaufmann verschlägt es jedes Jahr in eine Ferienwohnung auf Gran Canaria: "Es gibt viele Faktoren, die mich individuell reisen lassen. Zum Einen ist das Erkrankungsrisiko geringer: Wenn ich jeden Morgen mit hunderten Leuten am Buffet stehe, kann man schon was erwischen. Zudem entscheide ich selbst, was auf den Tisch kommt."


Tipps für die eigene Unterkunft:
• Auf Airbnb finden sich private Unterkünfte. Der Vorteil: meist günstiger als kommerzielle Anbieter. Zudem stehen Sie in Kontakt mit dem Vermieter, und Sie können sich Ihren Lieblingsstandort suchen. www.airbnb.de
• Einzigartig: Auf Mallorca findet sich die Finca MA13, eine Unterkunft, die extra auf die Belange von Radsportlern optimiert wurde. www.ma-13.net
• Informieren Sie sich, wie die Einkaufsmöglichkeiten vor Ort sind.
Was nützt das schönste Bergdorf, wenn Sie 30 Kilometer ins Tal fahren müssen, um das Müsli einzukaufen.


ENERGIE

Wer viele Kilometer runterspult, braucht Energie. Dabei gilt: lieber mehr auf dem Rad essen anstatt am Buffet reinhauen. Spätestens nach 60 Minuten sollten Sie anfangen zu essen. Wie viel Sie pro Stunde essen, ist abhängig von Ihrer Leistungsfähigkeit und der Intensität, mit der Sie fahren. Auf Nummer sicher gehen Sie mit 60 Gramm Kohlenhydraten pro Stunde.

  Energieriegel geben PowerFoto: Hersteller
Energieriegel geben Power


ORIENTIERUNG

Es gibt nichts Nervigeres, als an jeder zweiten Gabelung nach dem Weg suchen zu müssen. Insbesondere, wenn man alleine unterwegs ist, hilft ein GPS-Gerät ungemein. Oftmals finden sich Streckendaten bei Radreiseanbietern, ebenso natürlich auf der BIKE- und TOUR-Webseite oder auf www.gpsies.de
Tipp: GPS-Geräte können oftmals bei Veranstaltern geliehen werden.

  GPS-Geräte sind tolle Helfer auf der TourFoto: Hersteller
GPS-Geräte sind tolle Helfer auf der Tour

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"Viele sind nach dem Trainingslager übermotiviert." Interview mit Karl Platt


Karl, als Profi hast Du Erfahrung mit Trainingslagern – welches sind die größten Fehler?
Zu viel in zu kurzer Zeit. Der Vorteil eines Lagers sollte nicht nur in der Zeit gesehen werden, die man auf dem Rad verbringt: Man hat vor allem Zeit für sich. Das bedeutet, dass man vielleicht nur zwei bis drei Stunden jeden Tag fährt, sich davon aber super erholen kann, weil kein Job auf einen wartet.


Also nicht auf Krawall Kilometer machen?
Nein. Natürlich fährt man mehr als zu Hause, aber man sollte sich nicht blaufahren. Wer total fertig im kalten Deutschland ankommt, fängt sich gerne noch eine Erkältung ein. Da viele nach dem Trainingslager übermotiviert sind, trainieren sie dann noch auf die Erkrankung rauf. Was passiert: Sie sind einen Monat außer Gefecht, und die Kilometer in der Sonne haben keinen Effekt mehr.


Wie schützt man sich davor, zu schnell zu fahren?
Das ist ein großes Problem: Kaum fährt man mit ein paar Kumpels rum, wird am Berg Gas gegeben, und jeder tut so, als ob nix wäre. Ich kann jedem wirklich nur ganz stark raten, in seinen Bereichen zu fahren. Ich habe oft beobachtet, wie manche im Januar schon rumstrahlen und in der Saison dann der Ofen ausgeht.

  Karl Platt, Profi MountainbikerFoto: Henning Angerer
Karl Platt, Profi Mountainbiker


Diesen Artikel bzw. die gesamte Ausgabe BIKE 11/2015 können Sie in der BIKE-App (iTunes und Google Play) lesen oder die Ausgabe im DK-Shop nachbestellen:

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