Hundert Kilometer, das klingt bedrohlich. Dreistellige Entfernungen sind für manche schon mit dem Auto eine unschöne Erfahrung. Für die überwiegend flache Strecke der “Projekt 100 Kilometer-Challenge” von Bad Tölz nach Innsbruck rechnen wir mit einer Fahrzeit von fünf Stunden – unsere Protagonistin Conny wurde erst beim Bikefitting bewusst, was das heißt. Bisher hatte sie nur positive Erfahrungen mit ihrem E-Cube gemacht. Aber so lange in einer Position verharren? Ein bisschen geht ihr wohl doch die Düse. Das Rad war seit dem Fitting-Termin bereit für die Challenge, nur an seiner Pilotin musste noch etwas gefeilt werden, physisch und mental. Letzteres ist besonders wichtig bei Menschen ohne Wettkampferfahrung.
Ausdauersport, und dazu zählt eine fünfstündige Fahrt selbst mit einem E-Bike, ist in großen Teilen Kopfsache. Auf moralische Tiefs sollte man gefasst sein, genauso wie man Körper und Ausrüstung optimal vorbereiten sollte, damit besagte Tiefs erst spät auftreten oder gar nicht!
Um Conny nicht vor dem Event die Lust zu nehmen, sollte sie eben nicht „Kilometer fressen“. Plan war eher, ihre Zeit möglichst gut zu nutzen. In der Woche sollte sie zwei Mal kurze Strecken fahren, dazu eine längere Strecke am Wochenende, von der Distanz her ansteigend bis etwa zwei Dritteln der „Wettkampflänge“.
Wenn man das durchzieht, sind hinterher die 100 kein Hexenwerk. Für spürbaren Muskelaufbau oder Sprünge in Sachen Ausdauerleistung war der Vorlauf eh zu kurz, also ging es eher drum, sich an die Haltung und kontinuierliche Bewegung zu gewöhnen, außerdem werden die Tritte immer „runder“ und somit effizienter.
Mehr Sinn hatten kleine Übungen für zu Hause zur Erhöhung der Muskelspannung, zur Haltungsverbesserung und Mobilisation des Körpers. Gezielte Stretchings machen vor allem das Becken beweglicher, was folglich die Wirbelsäule freier macht und den stützenden Muskeln weniger Arbeit abverlangt. Nach 25 Jahren im Sattel kennt man die neuralgischen Punkte auf langen Trips. Weil uns aber am Herzen liegt, dass Conny sich nicht über 100 Kilometer quält, sondern Spaß bis ins Ziel hat, gehörten auch kleine vorbereitenden Lektionen hauptsächlich zur Vermeidung von Störfällen während der Fahrt dazu.
Rückenlage auf Teppich oder Matte, rechte Hand greift rechtes Knie, zieht es etwa über die Körpermitte und zur Brust hin, sodass es senkrecht über dem Ende des Brustbeins steht. Linke Hand greift Knöchel, und während das Knie an der gleichen Position bleibt, zieht man das Sprunggelenk Richtung linker Achselhöhle. Dehnschmerz im äußeren Pomuskel 15 Sekunden halten, danach langsam lösen, drei Mal pro Seite wiederholen.
Barfuß auf festen Boden stellen, die Zehen werden auf einem Buch oder Brettchen hoch gelagert, handbreiter Abstand zwischen den Knöcheln, Oberkörper inkl. Arme nach vorne sinken und einfach hängen lassen, dabei weiteratmen. Nach 10 Sekunden Beine umfassen und richtig in den Rundrücken gehen, Gesicht in Richtung der Knie ziehen, noch mal 10 Sekunden halten, 3 mal wiederholen, dazwischen langsam aufrichten.
Genauso wichtig wie das Dehnen der Muskulatur ist die Kräftigung der entscheidenden Muskelgruppen. Zur Stärkung des Beinstreckers freie Wand oder Türrahmen suchen, sich mit Schuhen ca. 30 Zentimeter davorstellen, Füße schulterbreit. Mit dem Po gegen die Wand lehnen, und zwar so, dass sowohl im Knie als auch in der Hüfte Winkel von 90° entstehen. Der gerade Oberkörper ist so nach vorne gekippt, dass er weder an der Wand noch auf den Oberschenkeln aufliegt, Arme schräg nach unten weggespreizt! In dieser Position verharren, dabei abwechselnd einen Fuß auf den Fußballen stellen und wieder die Hacke nach unten bringen, etwa 40 Wechsel pro Minute. So lange halten, wie es überhaupt nur geht, kurz aufstehen, paar Minuten Pause machen und Beine ausschütteln, das ganze drei Mal wiederholen.
Sich bäuchlings auf eine nicht zu weiche Unterlage legen, in den Händen ein kleines Gewicht, z.B. eine Dose Cola. Arme nach vorne strecken und eine Handbreit anheben, in einer langsamen, bogenförmigen Bewegung weiter anheben und gleichzeitig nach hinten führen, als würde man die Hände über je ein Pack Mehl heben, bis Arme und Körper ein Y bilden. Nicht absetzen, wieder langsam anheben und im Bogen rechtwinklig zur Seite bringen, danach wieder hoch und langsam über das „Hindernis“ nach schräg unten… und wieder schrittweise hoch; wie ein Flügelschlag sieht das aus. So lange wiederholen, bis Rücken oder Schulter nicht mehr können, drei Durchgänge pro Tag.
Hier sind Partnerübungen super, geht aber auch gegen eine Wand: Je nach Fitness aus dem Liegestütz oder dem Kniestütz (gleiche Stellung nur mit Knien am Boden) einen Ball dem Partner zurollen, Rolltempo und -winkel sowie Frequenz langsam steigern; es geht eher darum, das „im Stütz“ kurzweiliger zu machen als das eigentliche Spiel.
Sportpsychologie – Wettkampfsportler machen das intuitiv: den „Notfallplan“ für den Kopf. Wenn Körperteile anfangen zu schmerzen oder doch die Kohlehydrate verbraucht sind, gibt es Bewältigungsstrategien gegen emotionale Tiefs; die muss aber jeder individuell entwickeln. Schmerzen oder großer Hunger sind erst mal nur Meldungen des Körpers ans Gehirn, dass was nicht stimmt. Da Sportler wissen, es ist nichts bedrohliches, schaffen sie es, diese Signale lange Zeit zu ignorieren. Andere visualisieren schon den Moment, in dem sie die Aufgabe geschafft haben, teils sogar den konkreten Zieleinlauf. Andere Möglichkeit: schönrechnen. Von 100 Kilometern gehen die letzten zehn ja wie im Flug vorbei, die ersten 35 sind auch ganz einfach, die 25 nach der ersten Pause auch. Nun sind noch 30 Kilometer zu überbrücken; das klingt sehr viel freundlicher als 100.
Neulinge möchten oft möglichst gerade auf den Fahrweg schauen, kippen den Kopf dafür deutlich in den Nacken. Bitte drauf achten, dass die Halswirbelsäule in Verlängerung von Brust- und Lendenwirbelsäule bleibt, heißt: Der Kopf ist je nach Oberkörpervorlage auch nach vorne geneigt, sitzt sozusagen gerade auf dem Rumpf. Die Blickrichtung wird eher durch die Augenposition bestimmt, der „Standardblick“ trifft etwa 15 Meter vor dem Rad auf den Boden.
Eine sinnvolle Touren-Garderobe sucht den Mittelweg zwischen Büroklamotten und hautenger Radprofi-Pelle. Die Radlerhose samt Einsatz ist die ideale Lösung – nicht nur wegen der Polsterung, sondern hauptsächlich weil der so geformt ist, dass auf dem Sattel keine Falten entstehen; außerdem wurden die Nähte von möglichen Reibstellen wegverlegt.
Wichtig: Darunter trägt man keine Unterwäsche! Und eher dünn an den Beinen und dicker obenrum. Tipp: für Frauen eher trägerlose Radhosen, denn diese erleichtern den Toilettengang.
Im Zusammenspiel aus Gang und Unterstützungsstufe sollte sich eine Tretfrequenz zwischen 70 und 90 ergeben. Test: Dazu braucht man eine Uhr und eine gerade, ebene Strecke von mindestens 500 Metern. Zählen, wie viele Tritte mit dem rechten Bein man in einer Minute macht, fliegender Start. Das Ziel sollten 80 sein, mehr wären besser. Sich den Rhythmus dabei merken und versuchen, ihn auch bergan durch kleinere Gänge und mehr Motorleistung zu halten.
Härtere Schläge auf der Fahrbahn sollte man über die stets leicht angewinkelten Arme und die Beine abfangen, dazu muss man vor dem Hindernis nicht aus dem Sattel gehen, aber zumindest den Druck auf beide Pedale so erhöhen, dass deutlich weniger Körpergewicht auf dem Sattel ruht. Ein Schlagloch belastet mehr als 10 Kilometer Strecke!
Bei jedem kurzen Stopp automatisch die Handflächen ineinander legen und kurz die Finger flächig und nicht nur an den Kuppen zum Handrücken hin überdehnen, den Daumen nicht vergessen. Danach kurz in den Rundrücken gehen und den Kopf vorsichtig auf die Brust ziehen – und weiter geht’s!
Bei kalkulierten fünf Stunden Fahrt muss man definitiv vorher Energie tanken und während der Fahrt nachlegen. Damit es da nicht zu Problemen mit der Verdauung kommt, sollte man vorher ausprobieren, was man während körperlicher Arbeit gut verträgt. Wir schlagen ein Reisgericht am Abend vor der Fahrt vor, Reis liefert viel Energie und ist für die meisten leichter verdaulich als Nudeln.
Am Morgen gerne Vollkornmüsli mit zwei Bananen und Nüssen. Getrunken werden am besten eine Saftschorle ohne Kohlensäure und ein Isogetränk. All diese Lebensmittel sollte man vorher mal ausprobiert haben, egal ob man eine Unverträglichkeit hat oder nicht. Am besten auch schon mal unter Belastung, also beim Training. Energieriegel und -gels für den „Notfall“ schaden auch nicht.