Professionelles Rolle-FahrenUCI Cycling E-Sports WM in Abu Dhabi

Jan Timmermann

 · 19.11.2024

Weltmeister im virtuellen Radfahren: Jason Osborne recht die Faust zum Sieg. Das ist Rollentraining in seiner professionellsten Form.
Foto: My Whoosh
Es gibt sie wirklich: Die Weltmeisterschaft im Rolle-Fahren. Digitalisierung macht eben auch vor dem Radsport nicht Halt. Der E-Sports-Trend gipfelte dieses Jahr in der offiziellen E-Cycling-WM. Erstmals traten Biker bei einem Live-Event in Abu Dhabi gegeneinander an. Wir geben einen Einblick in den faszinierenden Wettkampf und erklären den Trend virtueller Radrennen.

Rolle-Fahren verbinden Mountainbiker eher mit Solo-Training im kleinen Nebenraum, als mit Profi-Sport auf der großen Bühne. Was auf den ersten Blick aussieht, wie ein Computerspiel, ist in Wirklichkeit ein sportliches Spitzenevent mit hochoffiziellem UCI-Status: Die Weltmeisterschaft im E-Cycling. In den Nationaltrikots ihres Landes treten die besten Indoor-Radfahrer des Planeten in einem abgedunkelten Raum auf der Stelle. Große LED-Leinwände tauchen ihre schweißgebadeten Gesichter in bunte Farben. Darauf fahren Avatare mit leuchtenden Reifen durch eine virtuelle Nachbildung der Alpen. Überall Watt-Werte, Geschwindigkeiten, Zahlen. Am Bildrand des Livestreams: arabische Männer in weißen Kandora-Gewändern.

Eine Vielzahl bunter Bildschirme verleiht der vierten Weltmeisterschaft im E-Cycling einen Look, der bei keinem anderen Radsport-Event zu finden ist.Foto: My WhooshEine Vielzahl bunter Bildschirme verleiht der vierten Weltmeisterschaft im E-Cycling einen Look, der bei keinem anderen Radsport-Event zu finden ist.

Für Uneingeweihte erscheint die Szene kurios. Professionelles Rolle-Fahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist von der Lebenswelt der meisten Mountainbiker Lichtjahre entfernt. Einer, der zwischen all den Sponsoren-Logos genau richtig platziert wirkt, ist Jason Osborne. Der 30-jährige ehemalige Profi-Ruderer aus Mönchengladbach startet in einer Favoritenrolle. Im ersten der drei Rennen, namens "The Sprint", kann er dieser aber noch nicht gerecht werden. Eine alte Hüftverletzung bereitet Probleme und erste Selbstzweifel drohen die Medaillen-Ambitionen früh zu begraben. Osbornes Zeit für den 300-Meter-Sprint wird nur mit Platz 18 honoriert. Hier, an der Schnittstelle von Hochleistungssport und Gamification, bestimmt eine Punktewertung, wer den Weltmeistertitel mit nach Hause nehmen darf.

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Die offizielle deutsche E-Cycling Nationalmannschaft wurde unter anderem durch Jason Osborne und Merle Brunée (im Bild) vertreten.Foto: My WhooshDie offizielle deutsche E-Cycling Nationalmannschaft wurde unter anderem durch Jason Osborne und Merle Brunée (im Bild) vertreten.

"The Strategy" wurde der zweite Kurs getauft. Auf der neun Kilometer langen, Strecke werden am Fuße und am Gipfel eines Anstieges Punkte vergeben. Osborne rollt das Feld von hinten auf, verschärft auf halber Strecke das Renntempo deutlich und dominiert die Bergwertung. Eigentlich wird das Umland von Abu Dhabi größtenteils von flacher Sandwüste dominiert. Dass die Live-Erstaustragung eines WM-Finales in dieser Randsportart ausgerechnet hier stattfindet, ist aber natürlich kein Zufall. Auf der dem Festland vorgelagerten Insel im Persischen Golf sitzen einflussreiche Geldgeber, welche E-Cycling-Athleten auf eine Stufe mit Outdoor-Rennfahrern stellen wollen.

Jason Osborne steigt aus dem Sattel, um in der Punktewertung vorne zu landen.Foto: My WhooshJason Osborne steigt aus dem Sattel, um in der Punktewertung vorne zu landen.

Titelsponsor My Whoosh hat seinen Unternehmenssitz vor Ort und treibt die Professionalisierung mit starker Hand voran. Bei den Rahmenveranstaltungen werden die Sportler hofiert. Viele von ihnen treten seit Jahren in Rennen gegeneinander an, sind sich in der echten Welt jedoch noch nie begegnet. Bei 35 Grad Außentemperatur ernten nicht nur die Organisatoren, sondern auch die hocheffiziente Klimaanlage das Lob der E-Sportler.

Die Emirate wollen E-Cycling vorantreiben. Bei der Professionalität ist kaum noch Platz nach oben - Jason Osborne, UCI Weltmeister E-Cycling
Merle Brunée (rechts) vertrat Deutschland bei der E-Cycling Weltmeisterschaft und fuhr im Finale auf Platz sechs.Foto: My WhooshMerle Brunée (rechts) vertrat Deutschland bei der E-Cycling Weltmeisterschaft und fuhr im Finale auf Platz sechs.

"All Out" - treffender hätte die dritte und finale Wettkampf-Stage nicht betitelt werden können. Der Rundkurs mit vier virtuellen Kilometern muss insgesamt vier Mal bestritten werden. Bei jeder Zieldurchfahrt gibt es Punkte zu holen. Ein erster Rundensieg für den Finnen Kasper Borremans macht das Rennen spannend. Anschließend übernimmt Osborne das Kommando und kann sich von seinen Mitstreitern absetzen. Trotz Ventilatoren fließt der Schweiß in Strömen. Auch, wenn die 40 Sekunden langen Anstiege dem deutschen Kaderfahrer alles abverlangen, können ihn die Verfolger in der dritten und vierten Runde nicht mehr einholen. Gold für Jason Osborne: Deutschland ist Weltmeister im E-Cycling!

Der Deutsche Radsport-Profi Jason Osborne ist Weltmeister 2024 in der Disziplin Cycling E-Sports.Foto: My WhooshDer Deutsche Radsport-Profi Jason Osborne ist Weltmeister 2024 in der Disziplin Cycling E-Sports.

Was ist E-Cycling?

Virtuelle Radrennen sind keine gänzlich neue Erscheinung. Trotzdem haben viele Mountainbiker noch nie vom Phänomen E-Cycling gehört. Einen Antriebsmotor sucht man hier vergebens. Bei diesem Rennsport treibt der Mensch die Maschine an und nicht umgekehrt. Die Geburtshelfer des E-Cycling-Trends heißen Corona und technischer Fortschritt. Zu Zeiten pandemiebedingter Reisebeschränkungen wichen Radsportler in virtuelle Welten aus und bestritten dort internationale Profi-Wettkämpfe in großem Stil. Die erbrachte Leistung wird über eine App auf einen digitalen Avatar übertragen, der sich durch eine simulierte Landschaft bewegt. Erst durch die immer kleiner werdenden Messungenauigkeiten der neusten Geräte-Generation und aufwändige Prüfungen sind faire Rennbedingungen möglich. Bei der diesjährigen WM kamen genormte Elite Justo 2 Direktantriebstrainer (1099 Euro) zum Einsatz. Durch das Live-Finale konnten messrelevante Temperaturschwankungen ausgeschlossen werden. Vor Ort wurden die Fahrer zudem gewogen.

Bei der diesjährigen Cycling E-Sports Weltmeisterschaft vertraute der Veranstalter auf den <a href="https://www.awin1.com/cread.php?awinmid=11768&awinaffid=471469&clickref=B++Elite+Justo+2+Rollentrainer+&ued=https%3A%2F%2Fwww.rosebikes.de%2Felite-justo-2-rollentrainer-direct-drive-2727397" target="_blank" rel="noopener noreferrer nofollow">Elite Justo 2 Rollentrainer >> z.B. hier erhältlich</a>*Foto: EliteBei der diesjährigen Cycling E-Sports Weltmeisterschaft vertraute der Veranstalter auf den Elite Justo 2 Rollentrainer >> z.B. hier erhältlich*


Auf Elite-Niveau sind kleinste Unterschiede entscheidend. Deshalb gehören Dual-Controlling mit zusätzlichen Powermetern, Labor-Tests und Video-Beweise zum Beleg des aktuellen Körpergewichts inzwischen zur gängigen Praxis. Über fünf Minuten treten E-Cycling-Profis etwa sieben Watt pro Kilo Körpergewicht. Auf Amateur-Ebene kann es auch unbeabsichtigt durch die Wahl des Rollentrainers und Falschangaben zu einer Art Doping ohne körperliche Konsequenzen kommen. Trainingseffekt und Spaßfaktor sollten deshalb im Vordergrund stehen. E-Cycling gehört aufgrund der virtuellen Austragung offiziell zur Gattung E-Sports. Der Radsport-Weltverband UCI und das Internationale Olympische Komitee treiben die Professionalisierung voran. Inzwischen wechseln Berufssportler bereits von der analogen zu einer digitalen Karriere. Sponsorenverträge versprechen bis zu sechsstellige Jahres-Summen.

Die E-Cycling-WM 2024 wurde auf der kommerziellen Plattform My Whoosh ausgetragen. Wie in anderen E-Sports-Apps auch, lässt sich der digitale Avatar natürlich individualisieren.Foto: My WhooshDie E-Cycling-WM 2024 wurde auf der kommerziellen Plattform My Whoosh ausgetragen. Wie in anderen E-Sports-Apps auch, lässt sich der digitale Avatar natürlich individualisieren.

Historie der E-Cycling WM: Ein Randsport im Aufschwung

Skurril, schriller, Indoor-Cycling: Wenn sich der Winter mit Kälte und Dunkelheit ankündigt, kommen Radfahrer auf verrückte Ideen und werden zu Stubenhockern. So stellte Daniel Steinhauser kürzlich einen neuen Weltrekord auf. Der Deutsche fuhr 962 Kilometer in 24 Stunden und bewegte sich auf seinem Spinning-Bike doch keinen Meter vom Fleck. Erst sechs Minuten vor Ablauf der Zeit konnte er den alten Rekord knacken. Wenig später fand die Weltmeisterschaft im E-Cycling bereits zum vierten Mal statt. Die Entwicklung der WM zeigt, wie dynamisch die junge Sportart wirklich ist.

2020: Aufgrund der Corona-Pandemie ist der Profisport lahmgelegt. An der ersten Cycling E-Sports WM können Athleten von zu Hause aus teilnehmen. Das 50 km lange Einzelrennen findet auf Zwift statt. Erster Titel für Jason Osborne.

2022: Nach längerer Pause und mit neuem Termin im Februar richtet die UCI nochmals eine WM auf Zwift aus. Erstmals können sich auch Community-Mitglieder der App-Plattform fürs eintägige Finale qualifizieren.

2023: Größte Neuerung beim WM-Format ist der Wechsel vom Eintagesrennen zu einer Serie von Ausscheidungsrennen. Es bleibt bei Zwift. E-Cycling ist zudem Teil der olympischen E-Sport-Serie des IOC in Singapur.

2024: Mit dem neuen Veranstalter My Whoosh wird das WM-Finale nicht mehr von daheim, sondern vor Ort in Abu Dhabi ausgetragen. Die neue Wertungsmethode basiert auf einem Punktesystem. Gold geht wieder an Osborne.

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