Timo Dillenberger
· 15.03.2024
Fahrradfahren selbst gilt als eine der gesundheitsorientiertesten und schonendsten Sportarten überhaupt. Und in Zeiten von Hightech-Bikes und Pedelecs ist sogar das Einstiegslevel in Sachen Fitness angenehm einfach geworden. Dennoch sind Reichweite, Fahrzeit und vor allem der Spaß, mit dem Rad unterwegs zu sein, um einiges höher, wenn der Körper sich nicht schon nach kurzer Zeit meldet.
Um nicht nur die Strecke zum Bäcker oder Badesee um die Ecke bewältigen zu können, sondern auch ein, zwei, drei, vier, fünf Stunden entspannt pedalieren zu können, ist meist gar nicht die reine Ausdauer ausschlaggebend, sondern eher einzelne Muskelpartien und Gelenke, die uns entweder aufrecht im Sattel halten oder die es braucht, um kurzfristig höhere Widerstände zu überwinden. Sei es beim Anfahren, über Brücken oder über schweren Untergrund, ein klein bisschen Extrapower kann hier schon dazu führen, dass zum Beispiel das Knie sich früh meldet ob man leicht im Nacken verkrampft ob einem selbst kleinste Schläge vom Vorderrad durch Mark und Bein gehen oder ob man mein jedem Höhenmeter den Turbo-Modus seines Pedelecs zuschalten muss.
Die folgende Auswahl von zehn Fitnessübungen für die entspannte Tour setzt sich jeweils aus genau den Muskel- und Gelenkgruppen zusammen, die solche Zipperlein abstellen können. Wir kümmern uns dabei nicht nur ums reine Treten, sondern auch viel um Haltung und auch Flexibilität. Um gezielt gesundheitsorientiert zu bleiben, haben wir uns hier Hilfe von den “Wiederherstellungsexperten” von Physio & Sport in Köln geholt, die mit ihrem Reha-Know-how ein Auge auf die Allgemeinverträglichkeit und den Gesundheitsaspekt hatten.
Natürlich ist das Miniworkout sehr beinlastig, das bedingt einfach die Sportart, aber nur wer nicht mit letzter Kraft tritt, tritt auch anatomisch korrekt und sauber! Es handelt sich aber jeweils um Kombi-Fitnessübungen, die nicht immer nur einem Zweck dienen. Ein Standardhinweis für alle Kräftigungsübungen: Muskelbrennen darf man ignorieren; sollten stechende Schmerzen in Muskel und vor allem Gelenken auftreten, war die Intensität allerdings etwas hoch. Ein “zu oft” gibt es dagegen nicht wirklich, theoretisch könnten man das Set auch jeden Abend mal eben durchgehen. Viel Platz oder Equipment braucht es auch nicht: Ein alter Fahrradschlauch, eine Plastiktüte, eine PET-Flasche, ein Stein sowie ein Besenstiel reichen theoretisch.
Kräftigt sowohl die Stützmuskeln des Standbeins als auch Oberschenkelrückseite und Po des “Gleitbeins”, außerdem alle am Balancieren beteiligten Partien in Sprunggelenk und Rumpf.
Wir nutzen hier eine spezielle Gleitbahn und Schuhüberzieher, geht aber genauso gut mit einer Tüte auf Fliesen oder Laminat. Wichtig: Das jeweils hintere Bein, also Standbein, muss Grip haben, das vordere Bein rutschen können. Das Gewicht liegt auf dem hinteren Bein, beide Knie sind und bleiben minimal gebeugt. Auf der Ferse rutscht man nun kontrolliert und langsam nach vorne, der Oberkörper bleibt aufrecht. “Physio & Sport”-Trainerin Elisa zeigt an, wie weit es maximal gehen soll: Höchstens ein Drittel des Körpers darf auf dem Gleitbein ruhen, bitte langsam herantasten! Mit leicht gebeugtem Bein und ohne Schwung wieder langsam in die Ausgangsposition zurückgleiten. Haltung und Bewegungskontrolle sind hier sehr wichtig.
10–15 Durchgänge pro Seite, dann Seitenwechsel, bis zu drei Durchgänge.
Klassische Beinkräftigungsübung mit Extraanteil für den langen Rückenstrecker und die Schulterblattmuskeln, sehr knieschonend.
Es handelt sich hier um zwei Varianten der Kniebeuge in Schrittstellung; der Besenstiel dient weniger als Gewicht, sondern zur Haltungskorrektur. Aus der leichten Schrittstellung senkt man den Körperschwerpunkt langsam senkrecht ab, das Gewicht wird auf beide Füße verteilt. Dabei hilft der Stab, der bewusst hinter und über dem Kopf gehalten wird. Bei Erreichen einer 90°-Beugung in einem der Knie drückt man sich wieder senkrecht nach oben; das sollte insgesamt etwa acht Sekunden dauern. Wer kräftige Oberschenkel hat, kann die Übung auch mehr Richtung vorderer Fuß ausführen, wichtig ist weiter die aufrechte Rumpfhaltung, und das vordere Knie soll nicht über die Zehen hinausragen.
Sehr langsame 15 Wiederholungen pro Seite – eher langsamer als häufiger, 4–6 Mal bis zur Muskelermüdung.
Kräftigt die Zehenbeugemuskeln und die meisten Baugruppen zur Stabilisierung der Sprunggelenke, verhindert frühzeitiges Ermüden, Einschlafen oder Fehlstellungen der Füße am Pedal.
Im Grundsatz geht es darum, mit den Zehen zuzugreifen und den Fuß mit der kleinen Zusatzlast im Sprunggelenk zu bewegen, der Löffel und die Klorolle sind eher für Motivation und Spieltrieb. Aufgabe ist, mit dem Stil die Papierrolle oder einen ähnlichen Gegenstand aufzunehmen und an anderer Stelle wieder abzusetzen. Je nach Beweglichkeit und Kraft im Fuß kann das vom Teppich bis zu einer Stapel- oder gar Paaraufgabe vieles sein. Hauptsache, man greift mit den Zehen länger kräftig zu und muss die seitlich am Fuß sitzende “Last” stabilisieren. Zwischen den Durchgängen den Greifstab immer wieder herausziehen und ablegen, um Krämpfe zu vermeiden.
Sehr unterschiedliche Ausgangszustände – einfach so lange mit der Rolle spielen, bis Füße und Waden müde sind, dort sitzen nämlich die Zehenbeuger hauptsächlich.
Kräftigt die Schultermuskeln, ganz besonders die der Brust und des Trizeps am Arm; das erleichtert nicht nur das Stützen am Lenker, es sichert auch die Schultergelenke, falls die doch mal harte Schläge abbekommen.
Statt Liegestützen haben wir eine kurzweilige und für viele weniger frustrierende Methode gefunden. Dazu wird im Knien oder Stehen eine PET-Flasche halbvoll mit Wasser offen vor der Brust gehalten; es sollte eine der stabileren 0,7-Liter-Varianten sein. Wer möchte, kann mehrere waagerechte Linien auf die obere Hälfte malen. Durch Drücken mit den Handflächen wird der Wasserspiegel jetzt angehoben und dort gehalten. Die Linien dienen jetzt als Zielhöhe, die gehalten werden muss. Flasche und Höhe so wählen, dass man die Maximalhöhe nicht länger als 60 Sekunden halten kann. Alternativ zur Flasche empfehlen wir das Trainingstool “Activ5”, das ähnlich funktioniert, aber noch viel spielerischer und ganzheitlich eingesetzt werden kann. Atmen nicht vergessen, Lage der Hände gerne variieren, also eher vorm Bauch oder überm Kopf quetschen.
5 Mal die Brustmuskeln bis zum Brennen fordern, mindestens 2 Minuten Pause dazwischen.
Tipp: Wer noch mehr für seine Körperspannung und Kraftausdauer tun möchte, Hanteln aber zu klobig und Studios zu umständlich findet, sollte sich das “Activ5” mal anschauen. Im Grunde ist das ein Drucksensor im stabilen Gehäuse, der die eingeleitete Kraft per Bluetooth ans Handy übermittelt. Dort wird der Wert grafisch in kurzweilige Anzeigen und kleine Spiele aufbereitet, ähnlich wie die Linien auf der Wasserflasche in Übung 5, nur eben digital und viel spannender.
Und die App gibt gleich Dutzende weitere Übungen mit detaillierter Beschreibung vor. Den Widerstand liefern Schwer- und Körperkraft selbst, die Intensität und die Dauer werden über den Sensor gesteuert. Und der passt sogar in jede Hosentasche. Die vom Hersteller in Aussicht gestellten Muskelzuwächse halten wir für etwas optimistisch, für die gesunde Saisonvorbereitung und Stabilität auf dem Bike aber ein klasse Gerät, allerdings auch für 150 Euro inkl. App.
Kombiübung zum einen für Oberschenkelstrecker und Po, hauptsächlich aber für die stabilisierenden Muskeln auf der Außen- und Innenseite von Ober- und Unterschenkel. Kräftigere Muskeln hier halten die Beine in einer optimaleren Tretbewegung, das verhindert Knie- und Hüftprobleme und hilft oft gegen taube Füße.
Sieht sehr ähnlich der Fitnessübung mit dem Besenstiel aus, ist aber eine Halteübung. Statt des professionellen Wackelbretts im Bild kann man auch auf einem dicken Pack Taschentücher oder Tennisball unter einem Schneidebrett stehen. Je nach Fitness Schrittstellung enger oder weiter als im Bild wählen, vorderen Fuß zentral auf das Brett stellen und die Knie langsam beugen; es geht eher darum, wie beim Schlittern aus Eis die Balance auf dem “Wackelfuß” zu halten, als möglichst tief zu gehen. Die Hände können zur Stabilisierung seitlich weggestreckt werden, die Ausgleichsbewegungen sollten aber aus dem Fußgelenk kommen! Tipp: Blickpunkt auf Brusthöhe suchen, aber auf das vordere Sprunggelenk konzentrieren. Langsam in Grundposition zurückkehren und Pausen zwischen den Durchgängen einlegen.
Je Seite drei Mal 60 bis 120 Sekunden balancieren.
Isometrische Kraftausdauerübung für Beinstrecker und Po. Solche Halteübungen sind gut für die Muskelspannung an sich, aber auch für die Ansteuerung durch die Nerven und für die Durchblutung.
Position an einer Wand suchen, Füße sollten rutschfest schulterbreit stehen, Po gegen die Wand drücken und Schwerpunkt absenken; der Oberkörper berührt nicht die Wand, liegt aber auch nicht auf den Oberschenkeln. Je tiefer der Po, desto schwerer ist die Position zu halten; Knie nicht mehr als 90 Grad beugen! Die Position wird so lange gehalten wie möglich. Fitte Radfahrer können die Position gemäßigt auch freistehend einnehmen, Fersen bleiben am Boden. Als kleines Extra die Füße langsam leicht anheben und absenken, Blick bei beiden Übungen Richtung Horizont halten.
Übung und Kniewinkel so wählen, dass mindestens 60 Sekunden Halten möglich sind; maximal vier Minuten, drei Durchgänge.
Sehr effektive Halteübung, die den kompletten Rückenstrecker, die hinteren Schultern, den Po sowie die Hüftrotatoren einbezieht, außerdem die Balance. Erleichtert langes Sitzen im Sattel.
In abgespeckter Variante im Einbeinstand eine gerade Linie von den ausgestreckten Armen bis in den Fuß bilden. Die Vorneigung kommt nur aus dem Hüftgelenk des Standbeins. Beim Halten fangen Rücken, Schultern und Po an zu brennen. Je flacher der Körper, desto größer die Haltekraft; das erhobene Bein dient als Gegengewicht. Trainerin Elisa hilft dabei, mit Brust und Hüfte parallel zum Boden ausgerichtet zu bleiben und nicht seitlich aufzudrehen. Die Version mit dem Gummiband unterm Standfuß erhöht den Kraftreiz auf Schulter und Rücken deutlich, Rumpf und Bein bleiben damit statisch, die Arme ziehen aber gestreckt langsam das Band bis auf Stirnhöhe und zurück.
Übung so lange ausführen, bis der lange Rückenstrecker brennt; einige Minuten pausieren, Standbein wechseln, je Seite 2–3 Mal.
Kräftigung für Rumpfmuskeln und vor allem den großen Pomuskel, mehr Druck am Pedal und weniger Ausweichbewegungen in der Hüfte.
Wichtig ist hier die Positionierung: Schulterblätter (nicht Nacken) auf der Kante eines Stuhls, Hockers etc. ablegen, sodass der Körper mit aufgestellten Füßen etwa waagerecht liegt, Knie sollten 90 Grad gebeugt sein, Füße rutschfest aufstellen. Gesäß nun langsam bis knapp vorm Boden absenken und langsam wieder in die “Brücke” gehen, dort kurz halten. Achtung: Fersen nicht zum Gesäß hin ziehen, sondern in den Boden drücken. Wer nach 15 Wiederholungen keine Ermüdung spürt, kann ein Gewicht mit einer Hand auf der Hüfte fixieren.
Drei Mal etwa 20 Zyklen durchlaufen, bei Bedarf Gewicht erhöhen oder weglassen.
Kräftigt und dehnt gleichzeitig die Haltemuskeln im Nacken, erleichtert das lange Sitzen auch in sportlicheren Positionen auf dem Rad.
Hier kann entweder ein Thera-, also Gummiband zum Einsatz kommen oder wie im Bild ein alter Fahrradschlauch. Befestigungspunkt auf Kopfhöhe oder knapp darüber suchen, Schlauch zwischen Zugpunkt und Hinterkopf leicht auf Zug bringen. Je nach Alter und Fitness nun langsam einen Schritt zurücktreten. Dadurch zieht das Band den Kopf nach vorne in die Dehnung. 15 Sekunden halten, dann zehn bis 15 Mal Kopf langsam und weit in den Nacken nehmen; wenn möglich zusammen mit einem kleinen Schritt rückwärts, damit die Muskeln wirklich gegen die Spannung arbeiten muss. Spannung langsam aufbauen und noch langsamer wieder nachlassen. Bei Schmerzen hier sofort einstellen!
Insgesamt 8–10 Wechsel aus Kraft- und Dehnübungen im Wechsel inklusive Pause.
Einzige reine Dehnübung, hilft gegen verkürzten Pomuskel, der unter anderem das Bein nach außen rotiert, gut für entspanntes Sitzen und gute Tretmechanik.
Waagerechte Fläche knapp unter Hüfthöhe suchen, möglichst dicht herantreten und ein Bein angewinkelt darauf ablegen. Mit der gegenüberliegenden Hand den Knöchel auf der Ablage hüftnah fixieren. Langsam den Oberkörper gerade nach vorne absenken. Falls das für einen satten Dehnungsschmerz im Gesäß reicht, nach vorn greifen und vorsichtig etwas nachziehen und/oder den Oberkörper etwas zum aufgelegten Knie hin rotieren, nicht wippen. Dehnung etwa 15 Sekunden halten, noch einmal minimal tiefer gehen und langsam wieder aufrichten.
Abwechselnd jede Seite fünf Mal für 15 Sekunden halten – ganz besonders wichtig für Männer!