Fitness-Sprechstunde für alternde BikerFit im Alter dank Experten-Tipps

Jan Timmermann

 · 10.03.2025

Wer auch im Alter noch fit fürs Biken sein will, muss rechtzeitig anfangen in Training zu investieren. Unser experte verrät die besten Tipps. | Foto Miha Matavz
Altern betrifft uns alle. Biken ist nicht nur ein Sport für junge Menschen. Trotzdem verändert sich der menschliche Körper über die Jahre. Universitätsprofessor Dr. Wilhelm Boch klärt in dieser Fitness-Sprechstunde über die Zusammenhänge von Alterungsprozessen und Bewegung auf.

Die Zeit lässt sich nicht aufhalten. Erst ist man 20, dann 30, schließlich 40, irgendwann 50 und schließlich 60-Plus. Mit den Jahren verändert sich der Körper, da ist die Biologie unerbittlich. Fitness, Leistungsfähigkeit, Gesundheit und körperliche Bedürfnisse ändern sich mit dem Alter. Was scheint, wie ein eisernes Naturgesetz betrifft natürlich auch Mountainbiker. Im Schnitt sind BIKE-Leser knapp 50 Jahre alt. Damit haben sie einen anderen Anspruch an ihren Sport als vielleicht noch 20 Jahre zuvor. Wir wollten wissen, was genau der Alterungsprozess im Körper eigentlich macht und wie sich das auf das Training von Sportlern auswirken kann. Zur Beantwortung unserer Fragen haben wir uns einen echten Experten gesucht.

Dr. Wilhelm Bloch lehrt und forscht als Universitätsprofessor an der Deutschen Sporthochschule Köln vor allem zu medizinisch-biologischen Mechanismen. Am Institut für Kreislaufforschung ist er ein international renommierter Wissenschaftler für molekulare und zelluläre Aspekte des Sports. Im Kurzinterview verrät er, wie die körperliche Fitness mit dem Altern zusammenhängt. Auch Bloch gehört zur Generation 60-Plus.

Univ. Prof. Dr. Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln ist Experte für Sportmedizin. Im Interview verrät er, wie sich Sportler aufs Alter vorbereiten können.Foto: Archiv Wilhelm BlochUniv. Prof. Dr. Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln ist Experte für Sportmedizin. Im Interview verrät er, wie sich Sportler aufs Alter vorbereiten können.

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Jeder Sportler ist betroffen

BIKE: Was passiert aus sportwissenschaftlich-biologischer Sicht im Alter mit unserem Körper?

UNIV.-PROF. DR. WILHELM BLOCH: Der Prototyp Mensch ist nicht auf ewig angelegt, denn Zellen können sich nicht unbegrenzt teilen. Der natürliche Alterungsprozess beginnt mit der Geburt und ist unumkehrbar. Er lässt sich verlangsamen aber nicht aufhalten. Selbstverständlich hat die biologische Veränderung auch physiologische Konsequenzen. Im Alter verliert der Körper an Leistungsfähigkeit.

Welche Teile des Körpers sind besonders betroffen?

Von der Leistungs-Reduktion ist kein System ausgeschlossen. Unter anderem sind Herz-Kreislauf-System, kognitives System, Bindegewebe und Muskulatur betroffen. Letztere umfasst im Alter zunehmend ausdauerorientierte Typ-Eins-Fasern. Der ständige Umbau der Muskulatur verlangsamt sich und das Gewebe kann nicht in optimaler Kondition bleiben. Das gilt auch für unsere Knochen. Deren Dichte erreicht ihr Maximum bei 30-35 Jahren. Anschließend lässt sich die Kurve noch eine Zeit lang relativ gleichmäßig hochhalten, so ab dem 50. Lebensjahr zeigt sie jedoch klar nach unten. Bänder verändern sich unter anderem durch Oxidations- und Glykierungs-Prozesse. Das Material hält weniger aus, die Verletzungsgefahr steigt. Glücklicherweise nimmt auch die Muskelkraft ab, sodass Sehnen auch weniger stark belastet werden. Alle sportrelevanten Gewebe stehen in einem komplexen Zusammenspiel und verändern sich mit der Zeit.

Der Alterungsprozess beginnt schon mit der Geburt. Im Jugendalter ist der Körper ein anderer als im letzten Drittel des Lebens. Sportler sollten sich frühzeitig anpassen.Foto: Jan TimmermannDer Alterungsprozess beginnt schon mit der Geburt. Im Jugendalter ist der Körper ein anderer als im letzten Drittel des Lebens. Sportler sollten sich frühzeitig anpassen.

Weniger Leistungen, mehr Verletzungen

BIKE: Woran merke ich als Sportler zunehmendes Alter?

Prof. Bloch: Alter ist sowohl im Training als auch im Wettkampf zu spüren. Eine Marathon-Belastung von sechs Stunden bedeutet großen oxidativen Stress für den Organismus. Es kommt zu Mikroschädigungen in diversen Systemen. Im jungen Alter ist das weniger schlimm, denn der Körper passt sich mit einem Schutzmechanismus an. Bei älteren Sportlern aber sinkt der Schutz, zum Beispiel vor Radikalen. Wer mit 50 noch seinen allerersten Marathon laufen will, kann sich körperlich kaum noch auf die Ansprüche anpassen. Alter und extreme Ausdauersportarten passen nicht zusammen. Viele tun sich im Alter immer schwerer bereits eine halbe Stunde zu Laufen. Theoretisch könnten sie 30 Minuten durchhalten, schaffen es aber nicht joggend ihr Tempo ausreichend zu reduzieren. Beim Radfahren lässt sich die Belastung besser steuern aber die Spitzenleistung nimmt ab.

Im Alter verringern sich ganz von alleine die Belastungszeiten. Master-Athleten können einfach nicht mehr so viel trainieren, wie ein aktiver Hochleistungssportler in seinen besten Jahren, und kommen vielleicht auf nur sieben anstatt 15 Trainingsstunden pro Woche. Mehr Trainingsumfang ist schlicht nicht mehr schaffbar, da Sportler im Alter nicht mehr schnell genug regenerieren. Muskeln sind ein plastisches Gewebe und bauen sich relativ schnell um. Der Protein-Turnover bestimmt, wie schnell der Neuaufbau möglich ist, und beeinflusst damit das Regenerationspotential. Normalerweise liegt er bei rund einem Prozent pro Tag. Durch exzentrisches Training können junge Sportler den Turnover kurzzeitig auf drei Prozent erhöhen. Ältere Menschen mögen vielleicht noch 1,5 Prozent erreichen und können deshalb kleine Schäden im Gewebe nicht mehr so schnell ausgleichen.

Im Alter sinkt die körperliche Fähigkeit für die Regeneration. Alte Mountainbiker brauchen nach der Belastung länger, bis sie wieder fit sind.Foto: Mia Maria-KnollIm Alter sinkt die körperliche Fähigkeit für die Regeneration. Alte Mountainbiker brauchen nach der Belastung länger, bis sie wieder fit sind.


Mit komplexem Training gegen das Altern

BIKE: Was kann ich tun, um den Alterungsprozess zu verlangsamen?

Prof. Bloch: Er lässt sich zum Beispiel durch spezifisches Training und optimierte Ernährung in eine bestimmte Richtung treiben. Die Alterung des Gewebes ist immer abhängig vom Belastungsverhalten. Ältere Menschen passen sich meist zunehmend in Richtung Ausdauertraining an. Auch, wenn sie das Volumen gleich halten, reduzieren sie die Belastungsintensität. Optimalerweise müssten sie ihre Muskeln aber ab und zu fordern. Durch hohe exzentrische Belastung, zum Beispiel beim steilen bergabgehen, lässt sich der Protein-Turnover in den Muskeln erhöhen. Am nächsten Tag zeigt der Muskelkater an, dass im Körper etwas passiert. Durch gezieltes exzentrisches Krafttraining kann aber nicht nur der Muskelumbau gefördert werden, es bleiben auch mehr schnelle Fasern erhalten. Wenn sie allerdings 60 sind und 20 Jahre nichts gemacht haben, ist das nicht ratsam. Das droht in die Hose zu gehen, da das Verletzungsrisiko steigt.

Wollen Mountainbiker lange fit sein, kommen sie um komplexes Training nicht herum. Krafttraining spielt bereits im mittleren Alter eine wichtige Rolle.Foto: Victor Freitas / UnsplashWollen Mountainbiker lange fit sein, kommen sie um komplexes Training nicht herum. Krafttraining spielt bereits im mittleren Alter eine wichtige Rolle.

Dann ist der beste Weg also sein Training frühzeitig anzupassen?

Ja, die Anpassung des Körpers muss man trainieren. Sportler müssen deshalb eigentlich lebenslang versuchen sich ans Altern zu adaptieren. Schon im mittleren Alter sollte man darauf achten nicht zu einseitig zu trainieren, Ausdauer- mit Krafttraining zu ergänzen und vielfältige Übungen aufzunehmen. Nicht jeder schafft es über lange Zeiträume komplex zu trainieren. Man kann für die Plastizität der Muskulatur aber zum Beispiel im Intervallbereich auch kleinteilig an der Fitness arbeiten. Je nach Leistungsfähigkeit darf das hochintensiv sein. Viele Sportler achten im mittleren Alter nicht auf ausreichend Komplexität in ihrem Training und bezahlen im Alter die Rechnung dafür. Wenn der Schalter umgelegt ist, lässt sich das kaum noch umkehren.

Mit dem richtigen Training können Biker auch im Alter noch fit sein.Foto: Georg GrieshaberMit dem richtigen Training können Biker auch im Alter noch fit sein.

Viele BIKE-Leser sind genau in diesem mittleren Alter. Zu welchem Training raten Sie ihnen?

Wer mitten im Job steht und wenig Zeit hat, den bremst der innere Schweinehund oft aus. Einfach am Wochenende drei-vier Stunden aufs Rad zu steigen und da hauptsächlich die Ausdauer zu trainieren ist aber nicht der richtige Weg. Auf jeden Fall ratsam ist regelmäßiges Krafttraining zum Muskelaufbau – auch unter der Woche. Dazu sollte etwas für Koordination, Schnelligkeit und auch Beweglichkeit getan werden. Die Runde im Fitnessstudio ist schön, weil es dort viele Trainingsmöglichkeiten gibt. Gerade für die unteren Extremitäten lassen sich aber auch alltagstauglicher kleine Einheiten einbauen. Zwei mal 20-30 Minuten pro Woche helfen schon.

Wer das Training an sein Leben anpasst, braucht sich nicht von hohen Ansprüchen abschrecken zu lassen. Beispielsweise ist Sprung-Krafttraining eine super Ergänzung und lässt sich überall schnell umsetzen. Dafür brauche ich nur eine Treppe. Die Impacts können zudem förderliche Reize für die Knochen sein. Skippings, Hopserläufe, Sprints – wichtig ist den Körper mit Varianz anzusprechen. Viele haben bereits früher in ihrem Leben komplexes Training gemacht. Es kann helfen, sich an alte Sporterfahrungen und Übungen zurückzuerinnern. Auch kardiovaskulär sehr anspruchsvolles Training kann hilfreich sein. Dazu sollte man die Tour nicht durchgehend mit 120er Puls abspulen, sondern ruhig ein paar mehr Berge einbauen.

Damit die Vorbereitung des Körpers auf Leistungsfähigkeit im Alter zum Leben passt, muss sie alltagstauglich sein.Foto: Miha MatavzDamit die Vorbereitung des Körpers auf Leistungsfähigkeit im Alter zum Leben passt, muss sie alltagstauglich sein.

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