BIKE: Viele Menschen denken: Ich fahre Mountainbike oder gehe joggen; das reicht doch für meine Fitness. Haben sie Recht?
MARK LAUREN: Es ist ganz klar besser, als nichts zu machen. Es ist super, dass die Leute Fahrrad fahren oder joggen gehen. Doch wenn du gesund und fit älter werden willst, brauchst du etwas Umfassenderes.
Umfassend?
Im Idealfall trainierst du all deine unterschiedlichen Gelenksfunktionen. Nimm zum Beispiel dein Rückgrat. Wenn du auf einem Bike sitzt, ist deine Wirbelsäule gebeugt. Und in dieser Beugung bleibst du. Doch du willst die Wirbelsäule viel umfassender trainieren. Du willst sie strecken, seitlich beugen und rotieren. Dasselbe gilt für die Schultern und die Hüfte. Beim Biken verharrst du dagegen in einer Position und streckst und beugst nur die Beine.
Was rätst du dem Biker?
Ich rate zu einem Workout, das alle Gelenksfunktionen stärkt und mobilisiert.
Mit 20 habe ich vermutlich keine Probleme mit meinen Gelenksfunktionen – ab 40 mag das anders aussehen. Welche Rolle spielt das Alter?
Wenn du jung bist, kommst du mit vielem durch. Da kannst du auch deine Gelenksfunktionen vernachlässigen. Aber je älter du wirst, desto wichtiger wird es, die Gelenksfunktionen zu stärken und zu mobilisieren. Nur so kannst du gewährleisten, im Alter gesund und fit zu bleiben und vor allem, dich schmerzfrei zu bewegen. Wenn du dich mit 70 oder 80 beschwerdefrei bewegen willst, musst du deine Gelenksfunktionen trainieren – Punkt!
Vor ein paar Jahren war Kardio der große Hype. Jetzt sind Muskeln schwer in Mode. Es heißt: Spätestens ab 40 muss man mit Gewichten trainieren, um fit, gesund und mobil zu bleiben. Was stimmt denn jetzt?
Ja, die Trends kommen und gehen und schwingen von einem Extrem ins andere. Erst war Kardio-Training, Ausdauer, Joggen das große Ding. Dann kam Beweglichkeit. Und jetzt ist die Kraft dran. In Wahrheit geht es um alles: Kardio, Beweglichkeit und Kraft. Sprich: Von allem etwas – wie so oft ist der Mittelweg der beste.
Und wie sieht es mit dem viel beschworenen Gewichtstraining aus?
Krafttraining gewinnt an Bedeutung, je älter du wirst. Doch das muss nicht mit Gewichten passieren und schon gar nicht an Kraftmaschinen. Wenn du es mit 50, 60 oder 70 nicht schaffst, 25-30 gute Liegestütze zu machen – warum sollst du dann mit Gewichten trainieren? Wenn du es nicht schaffst, 20 einbeinige Lunges hinzukriegen – warum sollst du dich dann an eine Maschine setzen und trainieren?
Du meinst, dein Körpergewicht reicht aus?
Dein Körper reicht völlig aus. Das Gute an den Bodyweight-Übungen ist, dass du lernst, deinen Körper zu gebrauchen, statt Fitness-Maschinen zu bedienen. Mit Bodyweight-Übungen schulst du deine Balance. Und du schulst die Koordination. Koordination ist vielleicht sogar der wichtigste Aspekt. Doch darüber wird selten gesprochen – alle sprechen über Kraft und Ausdauer.
Warum ist Koordination so wichtig?
Eine gute Koordination ist die Grundlage für alle Bewegungen und für deine Mobilität. Du verbesserst die Koordination – und da wären wir wieder beim Ausgangspunkt – indem du deine Gelenksfunktionen trainierst. Wenn du deine Gelenke gut koordinieren kannst und über den gesamten Bewegungsumfang verfügst, fällt es dir auch viel leichter, neue Sportarten und Bewegungen zu lernen.
Das sieht man an älteren Menschen, die immer ungelenkiger werden.
Ja, diesen Menschen fällt es schwer, die Übergänge zwischen Liegen, Knien und Stehen zu kontrollieren. Wir verlieren im Alter die fundamentale Fähigkeit, vom Boden aufzustehen oder uns hinzulegen. Das, was man als Kind und Jugendlicher ständig gemacht hat. Wir verlieren diese Fähigkeit, weil wir sie nicht mehr üben, sprich: sich aus der Rückenlage in die Bauchlage rollen, dann auf die Knie kommen und schließlich aufstehen.
Trainierst du diese Übergänge selbst auch?
Ständig. Ich habe diese Übungen in meinen Alltag integriert. Es gibt so viele unterschiedliche Weisen, aufzustehen. Das trainiert nicht nur, das macht auch Spaß.
Du bist ein Verfechter des Mikro-Trainings. Du nennst es: das 9-Minuten-Training. Doch Kritiker sagen, das sei Quatsch. Sie behaupten, dass hier die Intensität fehle, um überhaupt einen Trainingseffekt auszulösen. Was sagst du dazu?
Damit bin ich ganz und gar nicht einverstanden. Ich bin der Meinung, dass die meisten Leute am Anfang viel zu viel machen. Dann haben sie den Monster-Muskelkater für eine Woche und lassen das Trainieren wieder sein.
Dann ist das Mini-Training die Lösung?
Gerade als Anfänger brauchst du nur einen kleinen Trainingsreiz, damit sich dein Körper anpasst. Logisch: Je fortgeschrittener dein Trainingszustand, desto höher muss der Reiz sein. Sprich: Ein Olympia-Athlet wird mit meinem 9-Minuten-Workout keine Fortschritte erzielen. Doch der Durchschnittsmensch, der bisher nicht gezielt trainiert hat, nur Fahrrad gefahren ist oder joggen war – für den ist das 9-Minuten-Training mit dem eigenen Körpergewicht reichlich. Er braucht nicht mehr. Wenn du mehr machst, verschwendest du nur deine Energie und fängst dir einen Muskelkater ein.
Zumal die Leute ja eh keine Zeit haben.
Eben. Wenn du dir zum Beispiel im Büro einen Timer stellst und alle 30 Minuten aufstehst und eine Übung machst mit 10 bis 20 Wiederholungen, ist das eine hervorragende Art zu trainieren. Besonders dann, wenn du nicht nur, sagen wir, Liegestütze machst, sondern unterschiedliche Übungen während der gesamten Arbeitswoche.