Der US-Amerikaner aus Idaho liebt die Herausforderung von technischen Uphills. Seine Prämisse: flüssig bergauf fahren, statt hochhoppeln wie ein Trialbiker. Dafür braucht es Erfahrung und Geschick. Die wichtigsten Manöver verrät Braydon hier.
Steinstufen im Anstieg sind besonders tückisch. Braydon Bringhurst wendet hierfür ein Trial-Manöver an. Das benötigt weniger Anfahrtstempo – das Timing ist hier aber ganz entscheidend.
Diese Felskante ist knifflig. Sie ist hoch und liegt mitten im Uphill. Heißt: Ich habe kaum Tempo. So kann ich nicht den sogenannten Lunge anwenden, sondern muss den Backwheel-Hop auspacken. Zugegeben, der Move ist nicht ganz einfach, doch definitiv erlernbar. Zu Beginn am besten in der Ebene ausprobieren, z. B. an einem Baumstamm. – Braydon Bringhurst, Uphill-Experte
Braydon sagt: “Ja!” Für technische Uphills wählt er das dritte oder vierte Ritzel (vom leichtesten Gang aus). So kann er in verblocktem Gelände ein solides Tempo fahren, ohne andauernd schalten zu müssen. Wenn Braydon kräftig in die Pedale tritt, muss die Kette stets satt auf dem Ritzel sitzen.
Steinstufen und Absätze sind die häufigste Herausforderung auf technischen Uphills. Die Zutaten für das erfolgreiche Überwinden: Tempo, Timing und Technik.
Such’ Dir eine flüssige Linie zum Hindernis. Das Vorderrad musst Du während der Fahrt auf die Stufe setzen. Timing ist daher ganz wichtig. Nach dem Hüftschwung nach vorne wandert Dein Körperschwerpunkt wieder in die zentrale Position, damit Du in die Pedale treten kannst, ohne Traktion am Heck zu verlieren. – Braydon Bringhurst
Bei der Linienwahl ist ein gutes Auge gefragt, das Ausschau hält nach Traktion, Stufen und Tempopotenzial. Wichtigste Voraussetzung: “Keep the wheels turning”, sagt Braydon.
Glaubt´s mir oder nicht: Linien suchen kann richtig Spaß machen. Mittlerweile entdecke ich auf Anhieb mehrere. In jedem Fall sollte die Linie flüssig und geschmeidig zu fahren sein, also ohne Haken. Das würde den Flow killen und die Balance unnötig beanspruchen. – Braydon Bringhurst
Der Bunny-Hop ist das Geländemanöver schlechthin. Damit kannst Du Hindernisse einfach überspringen. So auch in der Uphill-Variante. Die Bewegung bleibt gleich, Unterschiede gibt es dennoch.
Denkt daran, dass es oft viele Anläufe braucht. Ich schaffe fiese Uphills auch nur selten beim ersten Versuch. Ihr werdet aus den Fehlversuchen lernen und an Gefühl für Linie, Traktion und notwendige Technik gewinnen. Glaubt mir, nichts ist besser, als es nach zig Versuchen endlich zu schaffen. Sucht Euch Herausforderungen und setzt Euch Ziele. Persönliche Ziele. Begreift außerdem, dass auch der Weg bis zum Gelingen Teil des Ganzen ist. Mit Freunden macht’s oft mehr Spaß – aber seid nicht frustriert, wenn der Kumpel es schneller schafft. – Braydon Bringhurst
Braydon ist kein Fan der Plattformfunktion am Dämpfer. Zumindest nicht bei technischen Uphills. “Hier brauche ich ein sensibles Heck für viel Traktion”, sagt Braydon. Den Sattel senkt er für den nötigen Bewegungsspielraum ganz ab. Klickpedale helfen bei der Kraftübertragung. Das Setup des Fahrwerks orientiert sich an den Herstellerempfehlungen. Braydon nutzt das gleiche Setup auch für die Abfahrt.
Der US-Amerikaner aus Idaho beginnt bereits in frühen Jahren mit BMX und Skifahren. Später wird Braydon Hochsprung-Leistungssportler. 2016 steigt er aufs Mountainbike. Schnell bemerkt er sein Talent für technische Uphills, doch Braydon rockt auch im Park. Bei diesem Uphill-Projekt griff er bewusst zu seinem Canyon Spectral: „Ein leichteres Bike wäre vielleicht effizienter gewesen, doch ich bin jemand, der mit einem Bike alles machen will.“
BIKE: Du liebst technische Uphills. Was reizt Dich daran?
BRAYDON BRINGHURST: Du siehst nahezu unbezwingbare Passagen, hirnst, grübelst, probierst es immer wieder, beißt dir die Zähne aus, aber am Ende des Tages bezwingst du das Biest. Das ist wie Bouldern, nur mit dem Bike.
Manche bezeichnen Dich als Uphill-König.
Das ist cool, das freut mich – doch es gibt Fahrer, die schaffen solche Uphills genauso. Trial-Biker zum Beispiel – die packen es auf ihre Weise. Mir geht es allerdings um Fahrfluss und Style. Sobald ich anfange zu hüpfen wie ein Trialer, verliere ich die Begeisterung. Ich will den Berg so flüssig wie möglich hochfahren.
Du bist den legendären Whole Enchilada hochgefahren. 2638 Höhenmeter, teils ausgesetzt, fast immer technisch und verblockt. Jedes einzelne Stück. Ein Rekord! Warum hast Du auf einen offiziellen Guinness-World-Record verzichtet?
Das war mir nicht wichtig. Ich wusste, dass das Projekt meine gesamte Energie benötigen würde. Dafür brauchte ich die richtigen Leute um mich herum. So wählte ich ein kleines Team aus engen Freunden. Ich wollte nicht, dass da Fremde um mich rumhampeln.
Gab es einen Punkt, an dem Du gezweifelt hast? Es gab Momente der Frustration, da wollte ich mein Bike gegen die Felsen donnern oder gleich den Hang runterwerfen. Es war bei der Schlüsselstelle The Snaggle. Ich probierte es wieder und wieder, doch es gelang mir einfach nicht, dieses fiese Steilstück zu bezwingen. Nach über 50 Versuchen schaffte ich es dann endlich.
Und danach warst Du Dir sicher, Du schaffst den Rest? Richtig brenzlig wurde es viel später, nach all den Schlüsselstellen. Die vielen Versuche kosteten Zeit, und es wurde dunkel. Die Temperatur sank, und es fing zu regnen an. Ich wusste, wenn Schnee kommt, hab’ ich schlechte Karten. Der Boden war nass, und Traktion in Wurzelpassagen war nicht vorhanden. Dazu kam, dass ich schon über 2000 Höhenmeter harten Uphill in den Beinen hatte.
Du trainierst seit Jahren auf diesem Trail, hast für manche Schlüsselstellen während der Vorbereitung bis zu 800 Versuche gebraucht, dazu Team und Filmprojekt im Nacken. Wie gingst Du mit dem Druck um?
Ja, Druck war definitiv da. Das Team bestand aus rund zehn Leuten. Doch der meiste Druck kam von mir. Wie ich damit umging? Ich wusste, ich hab’ das Zeug dazu. Das hat enorm geholfen.
Was war die größte Herausforderung an dem Projekt. Die Organisation. Alles unter einen Hut zu bekommen. Die Geburt meiner Tochter wenige Tage vor dem Versuch hat viel Platz in meinem Kopf eingenommen. Zudem war der Zeitpunkt ungünstig, denn im Herbst bricht in den Bergen schnell der Winter ein. Meine Strategie: Ich will Dinge loslassen, die ich eh nicht beeinflussen kann.
Man hört im Film, wie Du Dir selbst gut zuredest. In Deinem Support-Team war auch ein Therapeut. Kam die Idee von ihm?
Ja, unter anderem. Dr. Manning machte mir bewusst, wie wichtig positive Gedanken sind und wie negative Gedanken unmittelbare Auswirkungen auf dein Handeln haben können. Außerdem riet er mir dazu, im Jetzt zu sein. Nicht an die Vergangenheit oder Zukunft zu denken. Hätte ich mir nach all den Fehlversuchen bei einer der Schlüsselstellen Gedanken gemacht, was noch vor mir liegt, ich hätte womöglich direkt hingeschmissen. Es ist besser, sich auf den Moment zu fokussieren. Und ich machte mir immer wieder klar: Ich hab’ das Zeug dazu!
Bei einer Stelle brauchtest Du am Projekttag über 50 Versuche. Du schienst frustriert, verärgert. Im Film wirkte es so, als hättest Du die Ratschläge nicht immer verinnerlicht.
Ich bin kein Heiliger. Phasenweise verlor auch ich die Fassung. Meist dann, wenn meine Gedanken das Hindernis bereits überwunden hatten. Ich war im Kopf schon weiter, in Wirklichkeit biss ich mir aber immer noch die Zähne an dem Teilstück aus. Oft hätte ich am liebsten auf mein Bike eingedroschen.
Du musstest Dich auch physisch vorbereiten. Im Film sieht man Dich Rennrad fahren. Hilft das für so ein Projekt?
Bedingt, hätte ich ausschließlich Ausdauer trainiert, wäre dabei die Schnellkraft flöten gegangen, und die brauchte ich. Explosive, maximale Kraft für ein paar wenige Meter. Ich habe strikt nach Trainingsplan trainiert. Wir haben uns dabei an Football- und Fußball-Training orientiert. So sprang ich tagelang aus dem Stand auf einen Stapel Paletten. Immer und immer wieder.
Dein Team hat Dir einen Ernährungsplan zusammengestellt, berechnet, wie viel Wasser und Kalorien Du für den Uphill brauchst.
Es war furchtbar. Mein Kumpel stand neben mir, reichte mir andauernd Energieriegel oder Wasser. Ich stopfte mir das Zeug in den Rachen und würgte es mit einem großen Schluck Wasser runter. Mir war klar, mein Körper würde streiken, wenn ich nicht esse. Trotzdem: Ich hätte das Zeug am liebsten ausgekotzt.
Wie lange hat es gedauert, bis Du Dich erholt hast?
Erholen war schwer. Zu Hause wartete meine Frau samt zwei Kindern und mit einem Säugling. Es dauerte einen Monat, bis ich psychisch und physisch wieder auf der Höhe war