E-MTB-FahrtechnikSo kommen Sie besser um die Kurve

Stefan Schlie

 · 31.05.2017

E-MTB-Fahrtechnik: So kommen Sie besser um die KurveFoto: Markus Greber
E-MTB-Fahrtechnik: So kommen Sie besser um die Kurve

Powercurve, Jumpswitch, Frontswitch – E-MTB-Fahrtechnikexperte Stefan Schlie bringt sein Bike spektakulär ums Eck mit Techniken aus dem Trial-Sport.

Mit dem klassischen Bike gibt es in technischen, steilen Trail-Passagen bergauf nur eine Kurventechnik: absteigen und schieben. Und selbst mit der Power eines Alban Lakatas kommt man – wenn’s richtig zur Sache geht – nicht weit. Der menschliche Input in den Antrieb funktioniert schlichtweg zu unstet, um permanente Traktion am Hinterrad zu liefern. Erst die Kombination aus Mensch und Maschine liefert konstanten Vortrieb und macht Kurvenfahrten, wie E-MTB-Fahrtechnikexperte Stefan Schlie es auf den folgenden Seiten in Perfektion zeigt, überhaupt erst möglich.
Lassen Sie sich jedoch nicht verunsichern. Techniken wie die Powercurve oder der Jump­switch erfordern eine perfekte Körperbeherrschung und Grundkenntnisse aus dem Trial-Sport. Vom Leichten zum Schweren heißt die Devise auf den folgenden Seiten. Auch wenn die Profi-Moves noch fahrtechnisch über­fordern – Pedal-Management, Körperschwerpunkt, Balance, an der Basis gibt es genug zu tun. Und Aha-Erlebnisse bieten auch schon die Basistechniken. Denn eines ist klar: Absteigen und schieben überlassen wir den Klassik-Bikern.


Inhalt von Teil 2: Kurventechniken


1. BASICS:
Das richtige Pedal-Management ist der Schlüssel zur guten Fahrtechnik.


2. ZUFALLSKURVE
Zugegeben, das hört sich nicht nach Fahrtechnik-Kompetenz an. Doch Zufall bedeutet hier nur, dass man das Pedal-Management ausser Acht lassen kann. Diese Technik funktioniert in breiten, nicht zu steilen Kurven.


3. KONTROLLIERTE KURVE
Enge, steilere Kurven verlangen eine spezielle Technik. Hier kommt nun das Pedal-Management in Form von Trittabfolgen ins Spiel. Jetzt auch mit der gewohnten radiusoptimierten Kurvenlinie Außen-innen-Außen.


4. POWERCURVE
Die Powercurve ist die Königin der Kurventechniken. Wer sie beherrscht, ist nicht nur ein verdammt guter Fahrtechniker, sondern erntet garantiert neidische Blicke. Hier kommt zeigen wir den Showmove schlechthin.


5. UPHILL SWITCHBACK
Ein Trick aus der Trial-Klamottenkiste: Richtiges Timing ist hier besonders wichtig.


6. FRONTSWITCH
Der Frontswitch dürfte für viele neu sein. Eine geeignete Technik für sehr steile und enge Uphill-Kurven, die ein hohes Mass an Balance erfordert.


7. JUPSWITCH
Diese Sprungwende gehört neben der Powercurve zu den Königsdisziplinen und ist, gut durchgeführt, ähnlich beeindruckend. Auch dieses Manöver hat seine Wurzeln im Trial-Sport.


1. BASICS:
Das richtige Pedal-Management ist der Schlüssel zur guten Fahrtechnik.

Pedal-Management ist die Grundlage für viele Kurventechniken. Einfach gesagt, muss das Pedal immer so stehen, dass man beim Treten nirgendwo anstößt. Das ist auch deshalb wichtig, damit der Motor immer gleichmäßig unterstützt. Denn, wenn die Motor-Power weg ist, reißt auch die Traktion ab. Das A und O des Pedal-Managements ist herauszufinden, welcher Fuß vorne und welcher hinten steht. Ähnlich wie bei Links- oder Rechtshändern ist das individuell. Wer seine Schokoladenseite noch nicht kennt, kann das ganz leicht ausprobieren: einfach in der Ebene rollen und erfühlen, mit welcher Pedalstellung man sich am wohlsten fühlt. Trialer sprechen vom "guten", bzw. "schlechten" Fuß. Der gute Fuß steht immer vorne. Weiterhin wichtig: die Gangwahl. Am besten funktioniert jeder Move mit einem bestimmten Gang. Den zu definieren, ist ganz einfach: Mit einer halben Pedalumdrehung sollte das Bike etwa eine Radlänge zurücklegen.

  Basics - Bild 1Foto: Markus Greber
Basics - Bild 1

Legen Sie einen Gegenstand neben das Vorderrad (Bild 1) und drehen Sie dann die Kurbel um 180 Grad.

  Basics - Bild 2Foto: Markus Greber
Basics - Bild 2

Ist der richtige Gang gewählt, dann liegt der Gegenstand jetzt neben dem Hinterrad (Bild 2).


2. ZUFALLSKURVE
Zugegeben, das hört sich nicht nach Fahrtechnik-Kompetenz an. Doch Zufall bedeutet hier nur, dass man das Pedal-Management ausser Acht lassen kann. Diese Technik funktioniert in breiten, nicht zu steilen Kurven.


1. Mit Nachdruck in die Kurve
Außen, innen, außen – diese goldene Regel lassen wir bei Zufallskurven mal außer Acht. Statt dessen halten wir uns hier an die Außenlinie der Kurve. Die Fahrposition ist entspannt aufrecht. Um zu viel Schub und Traktionsabriss zu vermeiden, wählen wir eine mittlere Unterstützungsstufe und einen sehr kleinen Gang. Der längste Weg ist jetzt
der beste. Nutzen Sie die kurvenäußere Linie.

  Zufallskurve - Bild 1Foto: Markus Greber
Zufallskurve - Bild 1


Wichtig ist die Blickführung: Vermeiden Sie, direkt vors Bike zu schauen. Fixieren Sie den Kurvenausgang. Das Seitenneigungsverhalten des Bikes, und somit die seitlichen Armbewegungen, sind bei dieser Technik zu vernachlässigen. Einfach mittig auf dem Bike sitzen bleiben und gleichmäßig treten. Da man mit wenig Schräglage entlang der Außenlinie pedaliert, braucht man sich keine Sorgen um aufsetzende Pedale zu machen. Da man diese Technik vorwiegend in weniger steilen Kurven anwendet, muss man nur den Motorschub im Zaum halten. Das funktioniert am besten mit einem Fingen an der Hinterbremse (Brake Move Control). Sie fahren mit schleifender Bremse und halten somit fein dosiert den Schub des Motors im Zaum.

  Zufallskurve - Bild 2Foto: Markus Greber
Zufallskurve - Bild 2
  Zufallskurve - Bild 3Foto: Markus Greber
Zufallskurve - Bild 3
  Zufallskurve - Bild 4Foto: Markus Greber
Zufallskurve - Bild 4


3. KONTROLLIERTE KURVE
Enge, steilere Kurven verlangen eine spezielle Technik. Hier kommt nun das Pedal-Management in Form von Trittabfolgen ins Spiel. Jetzt auch mit der gewohnten radiusoptimierten Kurvenlinie Außen-innen-Außen.

Die erste Besonderheit bei dieser Kurventechnik: Man nähert sich der Kurve von außen (Bild 1). Der wichtigste Punkt ist der Kurvenscheitelpunkt, denn hier passiert der wichtigste Bewegungsablauf. Den Scheitelpunkt zu erkennen, ist gar nicht so einfach, denn jede Kurve ist anders. Wählen Sie den optimalen Gang (siehe 1. BASICS).

  Kontrollierte Kurve - Bild 1Foto: Markus Greber
Kontrollierte Kurve - Bild 1

Sobald der Scheitelpunkt der Kurve erreicht ist, sollte man den schlechten Fuß vorne haben (Bild 2), um mit der nächsten halben Umdreh­ung ins Kurveninnere zu zielen. Damit hat man den kritischen Bereich der Kurve durchfahren. Der richtige Fuß ist jetzt wieder vorne.

  Kontrollierte Kurve - Bild 2Foto: Markus Greber
Kontrollierte Kurve - Bild 2

Man lässt sich weiter in den Kurvenausgang nach außen tragen und ist bereit für das nächste Manöver. Diese Art Kurve wird bereits ziemlich dynamisch gefahren. Drücken Sie das Bike beim Einlenken unter sich in die Kurve. Der Körperschwerpunkt liegt außen. Der kurveninnere Arm ist gestreckt, der kurvenäußere gebeugt.

  Kontrollierte Kurve - Bild 3Foto: Markus Greber
Kontrollierte Kurve - Bild 3


4. POWERCURVE
Die Powercurve ist die Königin der Kurventechniken. Wer sie beherrscht, ist nicht nur ein verdammt guter Fahrtechniker, sondern erntet garantiert neidische Blicke. Hier kommt zeigen wir den Showmove schlechthin.


Die Technik für mittlere Kurvenradien

Die kontrollierte Kurve ist verinnerlicht, das Pedal-Management in Fleisch und Blut übergegangen. Dann sind Sie jetzt bereit für die hohe Schule. Die Powercurve ist die ästhetischste und dynamischste Art, Ihr Bike um die Ecke zu zirkeln. Die Annäherung erfolgt genau wie bei der kontrollierten Kurve: Stichwort Pedal-Management. Der Gang darf in dem Fall aber etwas dicker sein als der Idealgang. Im Gegensatz zur klassischen Kurventechnik drückt man das Bike nun nicht mehr mit gestrecktem inneren Arm in die Kurve.

Vielmehr lässt man sich aktiv in die Kurve fallen, wobei dann ungewöhnlicherweise der kurvenäußere Arm gestreckt ist und der innere gebeugt (Bild 1). Besonders wichtig bei dieser Technik ist der Blick. Zwingen Sie sich, möglichst weit nach vorne Richtung Kurvenausgang zu blicken. Das unterstützt das Gleichgewichtsorgan.

  Powercurve - Bild 1Foto: Markus Greber
Powercurve - Bild 1

So holen Sie also Schwung, um dann im richtigen Moment mit dem falschen Fuß das Vorderrad explosiv anzulupfen und dabei die Richtung zu wechseln. Im Prinzip funktioniert die Power­curve wie ein Wheelie, bei dem man gleichzeitig die Richtung wechselt. Wenn man sich konsequent in die Kurve lehnt und das Pedal-Management passt, wird man sich wundern, mit wie viel Speed man durch die Kurve surfen kann.

  Powercurve - Bild 2Foto: Markus Greber
Powercurve - Bild 2
  Powercurve - Bild 3Foto: Markus Greber
Powercurve - Bild 3
  Powercurve - Bild 4Foto: Markus Greber
Powercurve - Bild 4


5. UPHILL SWITCHBACK
Ein Trick aus der Trial-Klamottenkiste: Richtiges Timing ist hier besonders wichtig.

Switchbacks sind bergab ein probates Mittel, um besonders enge Kehren zu bewältigen. Dank Motor-Power lassen sich mit dem E-MTB enge Switchbacks sogar bergauf meistern. Hauptkriterium, damit die Uphill-Switchbacks klappen, ist genug Speed. Also: maximale Unterstützungsstufe. Bis zum Scheitelpunkt muss man dann mit dem guten Fuß vorne rollen! Ab dem Scheitelpunkt der Kurve sollte der Körperschwerpunkt vorne/unten liegen (Bild 1).

  Uphill Switchback - Bild 1Foto: Markus Greber
Uphill Switchback - Bild 1

Ziehen Sie jetzt beherzt die Vorderbremse. Während das Hinterrad vom Boden abhebt, strecken Sie die Beine und "hüpfen" ins Kurvenäußere (Bild 2).

  Uphill Switchback - Bild 2Foto: Markus Greber
Uphill Switchback - Bild 2

Im Gegensatz zur Bergabkurve muss der Impuls ins Kurvenäußere bergauf nun durch Geschwindigkeit, schwungvollem Einlenken und Hüftdrehung so aktiv wie möglich erfolgen. Wenn das Timing gepasst hat, dann versetzt man so das Hinterrad ins Kurvenäußere, der richtige Fuß befindet sich danach vorne, das Bike steht nun mittig unter dem Körper, bereit zum Weiterfahren in Fahrtrichtung.

  Uphill Switchback - Bild 3Foto: Markus Greber
Uphill Switchback - Bild 3


6. FRONTSWITCH
Der Frontswitch dürfte für viele neu sein. Eine geeignete Technik für sehr steile und enge Uphill-Kurven, die ein hohes Mass an Balance erfordert.


Der Richtungswechsel erfolgt hier direkt über das Vorderrad.

Fahren Sie zunächst die Kurve von außen nach innen an (Bild 1). Versuchen Sie jetzt erst gar nicht, durch die Kurve zu rollen, steuern Sie stattdessen geradeaus weiter. Sobald das Hinterrad den Scheitelpunkt der Kurve passiert hat, stoppen Sie Ihr Bike mit beiden Bremsen. In diesem Fall (Bilder) stützt sich Stefan kurz an der Felswand ab.
Das erleichtert die Balance. Jetzt kann das Vorderrad umgesetzt werden. Wichtig ist auch hier, ähnlich wie beim Uphill-Switchback, die Pedalstellung. Der gute Fuß steht vorne.

  Frontswitch - Bild 1Foto: Markus Greber
Frontswitch - Bild 1

Machen Sie sich jetzt ganz klein, lassen Sie sich leicht ins Kurveninnere fallen und richten sich dann sprunghaft auf. Der kurvenäußere Arm ist gestreckt, der kurveninnere gebeugt (Bild 2).

  Frontswitch - Bild 2Foto: Markus Greber
Frontswitch - Bild 2

Oberkörper und Hüfte drehen in die neue Fahrtrichtung (Bild 3).

  Frontswitch - Bild 3Foto: Markus Greber
Frontswitch - Bild 3

Jetzt stehen Sie wieder gerade und in Richtung Kurvenausgang (Bild 4). Wenn Sie jetzt den richtigen Gang eingelegt haben, dann können Sie aus dieser Position bequem weiterfahren.

  Frontswitch - Bild 4Foto: Markus Greber
Frontswitch - Bild 4


7. JUPSWITCH
Diese Sprungwende gehört neben der Powercurve zu den Königsdisziplinen und ist, gut durchgeführt, ähnlich beeindruckend. Auch dieses Manöver hat seine Wurzeln im Trial-Sport.


Ein Bunnyhop mit Richtungswechsel und Pedal-Management – die Sprungwende ist alles andere als einfach und gehört zur fortgeschrittenen Trial-Technik. Besonders wichtig ist bei diesem Move die Koordination der Bewegungsabläufe.


Und so geht’s: Stellen Sie die höchst mögliche Unterstützungsstufe ein. Die Anfahrt der Kurve erfolgt, genau wie beim Frontswitch, bis fast aus der Kurve hinaus (Bild 1 und 2).

  Jumpswitch - Bild 1Foto: Markus Greber
Jumpswitch - Bild 1
  Jumpswitch - Bild 2Foto: Markus Greber
Jumpswitch - Bild 2

Machen Sie sich jetzt wieder möglichst klein (Bild 2), um Spannung aufzubauen. Das richtige Pedal sollte an dieser Stelle vorne und leicht oben stehen. Nun kommt der Bunnyhop mit gleichzeitiger Drehung. Schnellen Sie nach vorne/oben und drehen Sie gleichzeitig Schultern und Rumpf in die neue Fahrtrichtung. Drücken Sie dabei den Lenker nach vorne, damit das Hinterrad vom Boden abheben kann. Die Dosierung des Bewegungsablaufs hängt von der Steilheit und der Beschaffenheit der Kurve ab. Hat man alles richtig gemacht, steht man nach dem Move perfekt in Richtung Kurvenausgang, bereit zum Weiterpedalieren.

  Jumpswitch - Bild 3Foto: Markus Greber
Jumpswitch - Bild 3
  Jumpswitch - Bild 4Foto: Markus Greber
Jumpswitch - Bild 4
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