Laurin Lehner
· 04.07.2013
Auf dem Hinterrad fahren macht Spaß und zieht Blicke auf sich. Warum also nicht den Wheelie lernen? Mit Hilfe von Fahrtechnik-Experte Stefan Herrmann soll BIKE-Leser Markus den Wheelie schaffen.
Manche Leute wollen Dinge schon lange angehen, tun es aber trotzdem nie. Keller entrümpeln, Spanisch lernen oder Gitarre spielen. Zu diesen Leuten gehört BIKE-Leser Markus (43) nicht. Er will den Wheelie lernen und tut das auch. Doch leider mit wenig Erfolg. Mehr als fünf, sechs Meter waren nie drin. Zusammen mit Fahrtechnik-Experte Stefan Herrmann soll sich das nun ändern. Stefan sagt: „Mit der richtigen Technik lernt man den Wheelie in sechs Wochen.”
Viele versuchen den Wheelie jahrelang, aber mit dem falschen Bewegungsmuster. So klappt es nie. Stefan zeigt Markus, worauf es ankommt.
Als Markus Muerbeth sein Ghost ausdem Kofferraum zieht, sieht Fahrtechnik-Experte Stefan Herrmann seinen Tages-Auftrag bereits zum Scheitern verurteilt. Stefan tritt einen Schritt näher und greift misstrauisch an den schulterbreiten Lenker des in die Jahre gekommenen Ghost RT 7500. Dann schweift sein Blick auf den Vorbau, der wie eine Stuhllehne nach vorne ragt. Ein Zug am Bremshebel verrät Stefan endgültig – mit diesem Bike lässt sich der Wheelie nicht einfach lernen.
Als Markus den BIKE-Aufruf las, zögerte er keine Sekunde. Ein Einzelseminar mit Fahrtechnik-Guru Stefan Herrmann gibt es schließlich nicht täglich zu gewinnen. Vor allem keins, bei dem man sich seine Wunschmanöver aussuchen darf. Also eine Sache, die man schon immer mal beherrschen wollte. Markus musste nicht lange überlegen. Schließlich probiert der Maschinenbau-Techniker den Wheelie schon seit vielen Jahren. Immer wieder reißt er das Vorderrad bei der Feierabendrunde in die Höhe und versucht sich am Ritt auf dem Hinterrad. "Doch mehr als fünf, sechs Meter sind nicht drin", zuckt Markus ratlos mit den Schultern. Woran es hakt? Er weiß es nicht.
Kaum ein Manöver polarisiert mehr als der Wheelie. Viele sehen in ihm einen Angeber-Move. Doch beim Wheelie geht es um viel mehr. "Wenn du erst mal länger auf dem Hinterrad fährst, fühlt es sich wie Surfen an", sagt Stefan Herrmann, der den Wheelie schon vielen seiner Kursteilnehmer beigebracht hat. Außerdem ist das Anheben des Vorderrads im Gelände eine hilfreiche Technik, Hindernisse zu überwinden. Wenn man Speed-Wheelie-Rekordhalter Bobby Root über die Faszination "Wheelie" fragt, meint er: "Seit es Fahrräder gibt, wollen die Menschen auf dem Hinterrad fahren." Schwieriger, aber auch nützlicher im Gelände, ist der Manual – die fortgeschrittene Version vom Wheelie. Dabei wird nicht getreten und der Pilot steht auf den Pedalen, statt auf dem Sattel zu sitzen. Mit dieser Technik kann man im Gelände Erdwellen und Rinnen spielend leicht überwinden. "Wer den Manual beherrscht, ist ein richtig guter Mountainbiker", sagt Trial-Legende Hans Rey.
Vom Manual ist Markus jedoch noch weit entfernt. Dass sein Setup nicht die besten Voraussetzungen mitbringt, bekam er gerade von Stefan zu hören. "Ein Vorbau mit mehr als 70 mm Länge, ein schmaler Lenker und eine Bremse mit undefiniertem Druckpunkt sind keine gute Basis", weiß der Profi. Klick-Pedale sind sowieso tabu.
Markus hat nun zumindest seine Bremse im Griff – den Druckpunkt hat er gefunden. Jetzt startet er seinen ersten Wheelie-Versuch, während Stefan ihn genau beobachtet. Markus beugt sich tief über den Lenker, reißt an und tritt dabei kräftig in die Pedale. Doch schon nach wenigen Kurbelumdrehungen bekommt er Schräglage und das Vorderrad schnappt auf den Boden. Beim zweiten Versuch sieht es ähnlich aus. Obwohl er kräftig reintritt und die Arme anwinkelt – er schafft es nicht, die Front oben zu halten. Stefan erkennt sofort, woran es liegt. "Falsche Technik – so lernt man den Wheelie in zwanzig Jahren nicht", sagt Stefan und winkt Markus für die Analyse herbei. Der lauscht gebannt den Worten des Profis und prägt sich die Stichpunkte ein – Arme bleiben lang, nur mit den Knien und Schultern ausbalancieren und vor allem weiter nach hinten lehnen. Dann probiert Markus es erneut. Doch schon wieder winkelt er die Arme an. "Das ist ganz normal", weiß Stefan. "Wenn man etwas schon so lange mit der falschen Technik versucht, kriegt man das Bewegungsmuster nicht so schnell los. "Das dauert!" Markus setzt zu einem neuen Versuch an. Mal klappt es besser, mal nicht. Doch er lässt nicht locker, beugt sich wieder und wieder tief über den Lenker und zieht sein Ghost auf das Hinterrad. "Die meisten geben zu früh auf", verrät Stefan, während Markus gerade seine längste Wheelie-Fahrt schafft. Das Lob vom Trainer kommt prompt. Markus wendet die richtige Technik an. Jetzt liegt es an ihm, wie lange es noch bis zum perfekten Wheelie dauert. Nach zwei Stunden ist die Privat-Schulung zu Ende.
Doch Markus glaubt fest an sich. Als erstes will er die Komponenten tauschen. "Einen kürzeren Vorbau, die Bremse entlüften, und vielleicht montiere ich sogar einen breiteren Lenker", sagt Markus und lächelt entschlossen: "Diesen Sommer schaffe ich den Wheelie. Garantiert!"