Meal-Prep ist die peppige Abkürzung für “Meal Preperation”, was nichts anderes bedeutet, als “Essens-Vorbereitung”. So zu kochen, dass man mehrere Tage davon essen kann, ist natürlich keine neue Entdeckung. Seit Menschen herausfanden, wie sie Nahrungsmittel haltbar machen können, wird im Voraus gekocht. Neu sind allerdings die Pläne, nach denen Meal Prep ablaufen kann. Das Ziel: Durch eine große aber effiziente Aktion am Herd möglichst frisches und gesundes Essen gleich für die ganze Woche bereitstehen zu haben. Seit Jahren flimmern tausendfach Bilder von Gerichten in Gläsern und Brotboxen durch die Social-Media-Feeds. Meal-Prep, oder auch “Food-Prep”, ist längst moderner Trend. Dieser verspricht im Alltag mehr Zeit für andere Dinge, ohne auf gutes Essen verzichten zu müssen. “Das müsste sich doch auch für Biker eignen”, dachte sich BIKE-Redakteur Jan Timmermann, denn wer unter der Woche Zeit beim Kochen spart, hat mehr Zeit fürs Radfahren. Ein Selbstversuch sollte zeigen, ob Meal-Prep für Biker taugt.
Meine Lungen brennen, der Rücken schmerzt. Verstohlen geht der Blick nach hinten. Ausgerechnet heute musste dieser Kerl um die Ecke kreuzen. Wo mich heute doch 1,6 Kilo Zusatzgewicht im Rucksack ausbremsen, überholte mich ein anderer Fahrrad-Pendler, als die Ampel gerade auf Grün sprang. Ich trat beherzt in die Pedale und übernahm wieder die Führung. Jetzt klebt der Sportsfreund seit 20 Minuten in meinem Windschatten und meine Oberschenkel sind dem Bersten nahe. Ich versuche meine Hände aerodynamisch auf der Lenkermitte zu platzieren, doch die übergroße Tupperdose drückt mir gegen die Wirbelsäule. Wer hätte diese Nebenwirkung meines Selbstversuchs vorhersehen sollen?
Die Grundidee klingt vielversprechend: Ich will diese Woche gesund, halbwegs frisch und selbst gekocht essen, dabei aber nur wenig Zeit verlieren. Die Tage am Schreibtisch sind lang und trotzdem zu kurz. Viel lieber würde ich mit dem Rad durchs Gelände pflügen. Um auf mein Trainings-Pensum zu kommen, habe ich möglichst viele Stunden in der Küche wegrationalisiert. So ganz stimmt das allerdings nicht: Ich habe die Zeit einfach aus der Arbeitswoche aufs Wochenende geschaufelt. “Kann ich ja machen, schließlich bin ich der Herr über mein persönliches Zeit-Management!” Dachte ich jedenfalls, als ich mich zum Meal-Prep-Selbstexperiment entschied. Montag bis Freitag hauptsächlich das essen, was ich Sonntag vorgekocht habe. Fünf Tage lang will ich jede gewonnene Minute ins Biken stecken und danach hoffentlich fitter, gesünder und trotzdem entspannter sein als zuvor. Im Moment jedenfalls steht jede Faser meines Körpers unter Spannung.
Drei Tage zuvor: Die schweren Einkaufstaschen ziehen mir die Arme lang. Gut so, denn wenn die Lebensmittel für eine ganze Woche voller Radfahren reichen sollen, ist Masse gefragt. Selten habe ich eine so lange Einkaufsliste abgearbeitet. Doch die Vorbereitungen für mein kleines Experiment reichen noch weiter zurück. Knapp zwei Stunden lang hatte ich Rezepte recherchiert, mir Pläne gemacht, welches Gericht ich an welchem Tag essen werde und wie ich den Koch-Aufwand im Arbeitsalltag minimieren kann. Ich verstehe nun, warum es im Netz sogar richtige Meal-Prep-Planungssoftware gibt.
Ganz so einfach will ich es mir aber nicht machen und habe mir für die Woche einige Regeln gesetzt. Erstens werde ich nur eine Mahlzeit pro Tag vorkochen. Das morgendliche Müsli-Frühstück erscheint mir ohnehin zeitoptimiert und auch das gute alte Käsebrot lässt kaum Potential für Perfektionierung. Zweitens will ich jeden Tag etwas anderes essen. Meal-Prep lässt üblicherweise mehrere Herangehensweisen zu. Ich könnte natürlich auch sonntags in Omas großem Emaille-Topf Gulasch für ein ganzes Bataillon vorkochen und freitags immer noch davon essen. Ein guter Prepping-Plan für Sportler sollte aber ausgewogen und vielfältig sein. Außerdem würde das nicht zu Regel Nummer drei passen: Nur vegetarische Gerichte sind erlaubt. Viertens lebe ich in einer Partnerschaft und will nicht, dass meine Frau Enni mir nur beim Essen zugucken muss. Die Menge sollte also für zwei reichen und die Supermarkt-Tüten müssen zum Bersten voll sein. Gut, dass wir nicht auch noch Kinder durchfüttern müssen.
Ich merke schnell: Aus Meal-Prep kann man eine Wissenschaft machen. Erst recht, wenn man als Sportler auch noch die Nährstoffaufnahme optimieren will. Aber selbst ohne Master in Projektmanagement ist eine gute Strategie möglich. Ich achte in meinem Wochenplan auf viele vegetarische Proteine und natürliche Nährstoffe aus Hülsenfrüchten. Wer unter der Woche komplett ums Einkaufen herumkommen will, legt sich außerdem Brot auf Eis und stockt Basis-Vorräte, wie Kaffee und Milch auf. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Plopp! Der Kronkorken fliegt von der Flasche Alkoholfreiem. Ich habe Großes vor und das ertrage ich besser mit guter Musik und einem Kaltgetränk. Zum Glück hat sich Enni bereiterklärt zu helfen. Schnippeln, Braten, Pürieren: Ich fühle mich, wie in einer dieser Vorabend-Sendungen im Fernsehen. Das Gemüse ist im Ofen, Zeit ein Salatdressing vorzubereiten. Auch beim Vorkochen sind Management-Qualitäten von Vorteil. Es zischt und dampft. Bald schon sind alle Fenster unserer kleinen Wohnung schwer beschlagen. Volle 2:45 Stunden stehen wir zu zweit in der Küche (brutto, inklusive Abwasch, Bio-Müll-Entleerung und Öffnung eines zweiten Hellen). Das Menü der Woche lautet:
Als die Töpfe und Bleche abgekühlt sind, bin ich nicht nur fix und fertig, sondern zum auch froh um unsere stattliche Tupperdosen-Sammlung, über die ich mich in der Vergangenheit schon öfters echauffiert habe. Wie viel Essen ist genug für fünf Tage? Ohne jegliche Meal-Prep-Erfahrung ist die Mengen-Kalkulation ein großes Fragezeichen. Ich koche gerne, doch frage mich ob ich meinen Sonntagnachmittag nicht besser verbringen könnte - auf dem Bike zum Beispiel. Oder ließe sich das Konzept sogar noch besser auf andere Bereiche des Lebens anwenden? Work-Prep für weniger Arbeitsbelastung unter der Woche oder Partnership-Prep für Gym statt Fernsehabend zum Beispiel? “Eigentlich gehörst du doch gar nicht zur Zielgruppe”, reißt mich Ennis Stimme aus den Gedanken. Vielleicht hat sie Recht? Bisher hatte ich jedenfalls nicht das Bedürfnis bei meiner Ernährung Zeit einzusparen. Mit gerunzelter Stirn schließe ich die Tür des Kühlschranks, in dem sich die Bretter unter der Last biegen.
Auch ohne Meal-Prep mache ich regelmäßig Großeinkäufe. Ich koche am liebsten große Portionen, von denen ich auch am nächsten Tag noch etwas habe, selten aber nach Rezept. Stattdessen nutze einfach, was der Vorratsschrank gerade hergibt. Das erfordert natürlich Flexibilität und Kreativität. Der Selbstversuch gibt mir die Chance mehr Plan und Effizienz in meine Ernährung zu bringen. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Welcher Biker isst nicht gerne Pasta? Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt in Deutschland bei knapp zehn Kilo. Das dürfte auch daran liegen, dass die Zubereitung von Nudeln denkbar simpel ist. Heute werde ich maximal zehn Minuten mit dem Kochen der Hauptmahlzeit verbringen. Aus der Kühlung ziehe ich das vorbereitete Pesto, eine grüne Masse aus Erbsen und Kräutern, die nicht nur nach Basilikum und Minze duftet, sondern auch noch hervorragend schmeckt. Ruckzuck bin ich zurück am Rechner wieder im Arbeits-Flow. Problem dabei: Die Stunden gleiten mir aus den Fingern, fliegen vorbei wie die Schneeflocken vor dem Fenster. Am späten Nachmittag muss ich mich zwingen den Laptop zuzuklappen. Damit von der gewonnenen Zeit nicht nur mein Arbeitgeber profitiert, muss ich früher Schluss zu machen. Zum Glück geht das heute - keine Selbstverständlichkeit! So aber werfe ich mich fix in Bike-Klamotten und schnalle die Helmlampe auf. Gegen schwindendes Tageslicht hilft das beste Vorkochen wenig. Kaum später kurble ich zufrieden durch die eiskalte Abendluft. Heute kann ich easy eine halbe Stunde länger biken und bin trotzdem zum Abendessen daheim. So schmeckt mir das!
Nudeln mit Pesto gehören zu meinen Standard-Gerichten im Alltag. Dank Meal-Prep muss ich aber nicht zum Fertigprodukt greifen, sondern löffle etwas gesundes Selbstgekochtes auf meine Pasta. Gegen ein volles E-Mail-Postfach und den inneren Schweinehund hilft das leider nicht. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Dienstags fahre ich mit dem Rad zur Arbeit. 31 Kilometer einfache Strecke, meist Vollgas. Erfahrungsgemäß braucht mein Körper an diesem Tag ordentlich Treibstoff. Durchgeplant, wie ich bin, hatte ich gestern weit mehr Pasta gekocht als üblich. Nach der gestrigen Trainingseinheit musste ich nur noch etwas frisches Gemüse zerkleinern und in die Dose geben. Netto eine Investition von knapp zehn Minuten. Als die Vormittags-Konferenz zu Ende geht und die Kollegen ihre Mäntel anziehen, winke ich ab. Ich werde heute nicht, wie sonst, den Imbiss aufsuchen. Stattdessen will ich kurz essen, weiterarbeiten und zwecks Trainingseffekt eine Extraschleife in meinen Heimweg einbauen. In dem Moment, in dem ich das vorbereitete Dressing in den Salat gieße, wird mir klar, dass ich jetzt vielleicht doch lieber mit meinen Berufsgenossen plauschen würde anstatt alleine in der Küche zu sitzen. Zu allem Übel hatte ich es mit dem Essig etwas gut gemeint, kann jetzt aber nicht mehr gegensteuern.
Als dann auch noch die Kollegen zurück ins Büro tröpfeln und ich immer noch am essen bin, beschleicht mich das Gefühl, dass Meal-Prep für einen 1,90 Meter großen Vielfraß vielleicht kein passendes Konzept ist. Gut 1000 Kalorien hat mich der Hinweg gekostet, nochmal so viele werde ich auf meiner Standard-Rückfahrt verbrennen. Selbst in der größten Tupperdose unseres Haushalts ist nicht genug Platz für die benötigte Menge an Nudelsalat. Als die Zeit gekommen ist, steige ich trotz 1,3-Kilo-Mittagessen mit einem leichten Hungergefühl aufs Rad. Die Beine wiegen schwer vom morgendlichen Pendler-Duell, die Lust ist mir vergangen. Heute keine Extrameilen für mich.
Kochen ist nur eines der vielen beweglichen Zeit-Puzzleteilchen des Alltags und zudem mehr als nur Nahrungszubereitung. Gesellschaftliche, kreative Zeit in der Küche oder im Lokal für Radtraining zu opfern, muss man schon wollen. Nur, wenn sich Meal-Prep mit den persönlichen Bedürfnissen vereinbaren lässt, kann es ein Erfolgskonzept sein. Wer es nicht auf ein Kaloriendefizit anlegt, muss als groß gewachsener Radsportler zudem wirklich viel kochen. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Die Vorfreude ist groß, denn endlich lässt sich die Sonne blicken. Enni ist ausgeflogen und ich will den Tag im Homeoffice nutzen, um eine weitere Ess-Strategie auszuprobieren. Die vorgekochte Mahlzeit erlaubt mir eine Trainingseinheit in der Mittagspause einzubauen. Pünktlich um Zwölf sitze ich im Sattel. 50 Minuten Intervalltraining plus Warmup und Cooldown kann ich mir heute erlauben. Als ich wieder in die Einfahrt einbiege, zwicken nicht nur die Waden, sondern auch der Magen. Es ist kurz vor Eins und mein Biorhythmus beschert mir einen Bärenhunger. Ich schiebe das Ofengemüse aus dem Kühlschrank auf ein Backblech und anschließend in den Ofen. Als ich aus der Dusche steige, ist es knusprig und warm. Zeitverlust: keine fünf Minuten. Dem achtsamen Genuss steht trotzdem die Uhr im Wege. So verspeise ich das mit viel Liebe gekochte Gemüse nicht am Ess-, sondern am Schreibtisch vor dem Bildschirm.
Nur Vorkochen reicht beim Meal-Prep nicht. Besser man legt sich auch einen guten Zeitplan zurecht, wann was gegessen werden soll. Flexibilität und Spontanität wegzurationalisieren hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Essen nach Plan kann für Vollzeit-Arbeitsbienen herausfordernd sein. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Donnerstag ist Pausentag. Jedenfalls für mich. Von meinem Meal-Prep profitiere ich trotzdem, denn nach der Arbeit brauche ich mir keine Gedanken ums Abendessen zu machen, sondern gönne meinem Bike im Keller etwas Liebe. Als die zweistündige Schrauber-Session beendet ist, setze ich Reis auf und wärme das vorgekochte Chili in der Mikrowelle auf. Aus dem Kühlschrank zaubere ich eine Dose mit vorbereitetem Kräuter-Quark hervor, der als Topping dienen soll. Zehn Minuten später sitzen wir kauend am Tisch und genießen völlig stressfrei das proteinreiche Essen.
Meal-Prep kann Menschen dabei helfen, ihr Einkaufs- und Kochverhalten im Zeitfaktor zu optimieren. Vielleicht ist es am Ende aber vor allem ein fancy Anglizismus für etwas, das viele Sportler mit großem Trainingsumfang ohnehin reflexartig tun? Ich persönlich mache mir jedenfalls lieber weniger strukturierte Gedanken um die Essenszubereitung und höre auf mein Bauchgefühl. Ich würde normalerweise aber auch nicht auf die Idee kommen, Fotos von meinem Essen zu posten. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Der Schweiß trieft mir aus allen Poren. Unter mir spiegeln sich meine rhythmisch kurbelnden Füße in einer Lache aus Körpersaft. Ich habe mich entschieden an den abendlichen Durchlauf im Gym noch eine Spinning-Einheit dranzuhängen. Bis ich die Schweinerei beseitigt habe, geduscht und zu Hause bin, knurrt der Magen, wie ein kanadischer Grizzly. Heute kann ich nicht auf ein fertiges Gericht zurückgreifen, bin aber trotzdem unbekümmert. Auf ein Bett aus Salatblättern schaufle ich mehrere Häufchen des übriggebliebenen Essens der Woche inklusive des Reis von gestern. Restliche Dips und Dressing dazu, einige vorbereitete geröstete Kichererbsen für den Crunch drüber und voila! Eine super schnelle und leckere Bowl füllt meinen rebellierenden Bauch. Apropos: Experten empfehlen Lebensmittel maximal vier Tage lang im Kühlschrank aufzubewahren. Ambitionierte Meal-Prepper legen sich deshalb besser eine große und energieeffiziente Gefriertruhe zu. Mir erschien das Timing aus Einfrieren und Auftauen jedoch wie eine zusätzliche und deshalb ungeeignete Variable im komplexen System aus Essen und Training. Immerhin zeigt sich jetzt, dass ich mit der Mengen-Kalkulation gar nicht so verkehrt lag. Wohlgemerkt: Vorgekocht hatten wir für vier anstatt zwei Personen - 6,9 Kilo Essen insgesamt.
Für mich hat sich bewährt das gepreppte Essen am Abend einzuplanen. So stresst mich der Hunger nach einer Trainingseinheit weniger. Die Zeitersparnis in der Mittagspause wird zwar an jeder Ecke beworben, lässt sich zum Radtraining aber nur begrenzt nutzen. Außerdem ist beides wichtig: Klasse und Masse. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
Insgesamt konnte ich unter der Woche verteilt 2:20 Stunden Zeit beim Kochen einsparen. Hinzu kommt die Zeit fürs Einkaufen. Die gesparte Denkarbeit zur Wahl des täglichen Essens lässt sich schwerlich berechnen. Die Zeitersparnis verteilt sich auf fünf Tage. Wer clever plant schafft sich ein Fenster, in das zum Beispiel eine zusätzliche ausgedehnte Gym-Session passt. Allerdings stand ich sonntags dafür 2:45 Stunden in der Küche. Auch hier wäre Zeit für Training gewesen. Aus sportlicher Sicht ist die Effizienz beim Meal-Prepping also nicht unbedingt beeindruckend. Der Mehrwert liegt eher im selbst gekochten, gesunden Essen. Mit etwas Übung lässt sich unter der Woche auch der Stressfaktor reduzieren.
Wer als Sportler Wert auf abwechslungsreiche Kost legt, muss beim Meal-Prepping erst einmal investieren. Super: Durch die intensive Auseinandersetzung mit meinem Speiseplan konnte ich auch an voll gepackten Tagen frisch und lecker essen ohne mir darum groß Gedanken machen zu müssen. Als Vollprofi oder für eine Woche Trainingslager zu Hause erscheint mir das Konzept Vorkochen gut geeignet. Im Arbeitsalltag hingegen zu umständlich. Da bleibe ich lieber bei meiner bewährten Strategie, kaufe groß ein, koche groß und flexibel. Selbstoptimierung hat viele Spielfelder und muss nicht in der Küche beginnen.