Björn Kafka
· 11.08.2013
Energie-Gels sollen Biker schnell mit Brennstoff versorgen. Aber können die Pasten wirklich den Motor am Laufen halten? Und wie sieht es um die Verträglichkeit aus? 16 Gels im Test.
Die Form verpuffte hinter einer Hecke. Zwei Tage lang raste Matthias Sollmann bei seiner ersten Transalp-Teilnahme unter den Top Einhundert, doch dann rebellierte der Magen. Kalter Schweiß drückte sich aus seinen Poren. Den finalen Etappenanstieg kroch der 32-Jährige nur noch mit letzten Kräften hoch. "Ich fühlte mich wie mit Backpulver abgefüllt – kurz vor der Explosion. Da half nur noch der Gang hinter die Hecke. Die Magenkrämpfe waren echt unerträglich." Dabei hatte Sollmann eigentlich alles richtig gemacht und die Gels, die er einnahm, vorher getestet. Aber an der ersten Verpflegung griff er sich ein anderes Produkt – ein riesen Fehler, wie er später im Ziel berichtete.
Magenprobleme, Durchfall, Schmerzen im Unterleib: Bei harten Rennen und Etappenwettkämpfen gehört diese Pein eher zum Alltag als zur Ausnahme. Gründe für diese Probleme finden sich viele. Die Belastung verschlechtert die Versorgung der Verdauungsorgane, was schnell zu Beschwerden führt. Dabei gehen die Beschwerden der Unterversorgung meist Hand in Hand mit den Lebensmitteln, die verzehrt wurden. "Besonders unter massiver Anstrengung können empfindliche Biker mit Gels Probleme bekommen", erklärt Ernährungsberater Philipp Rauscher. Als Ursache sieht der Experte die Kohlenhydratmischungen der Hersteller. "Die Industrie steht dabei vor einem Dilemma: Auf der einen Seite möchte man dem Sportler so viele Kohlenhydrate wie möglich pro Zeiteinheit einschleusen. Auf der anderen Seite führt gerade das zu Problemen." Rauscher zielt dabei besonders auf die Verwendung von Fructose (Fruchtzucker) ab. "Die Mixturen mit Fructose bieten, rein wissenschaftlich gesehen, einen enormen Vorteil bei der Menge der aufgenommenen Kohlenhydrate. Man bekommt sehr viel in den Organismus. Aber nicht selten streikt dann der Verdauungstrakt."
Es kommt zur sogenannten "intestinalen Fructose-Intoleranz (IFI)", die am häufigsten vorkommende Art von Fructose-Intoleranz. Schätzungen gehen von bis zu 30 Prozent fruchtzuckerintoleranten Menschen in Europa aus. Was genau passiert aber bei dieser Intoleranz? Ein größerer Anteil konsumierten Fruchtzuckers gelangt, wegen unvollständiger Aufnahme, durch die Dünndarmwand in den Dickdarm. Dabei können Symptome wie Durchfall, Blähungen und Schmerzen entstehen. Genau das kann bei einem langen Wettkampf schneller passieren als auf der Hausrunde. "Die Menge an Fruchtzucker, die aufgenommen wird, ist zum Teil extrem – so viele Äpfel kann man gar nicht verzehren. Ich rate jedem, auch wenn es gebetsmühlenartig klingt, immer die Produkte auf einer langen, harten Einheit zu testen", so Rauscher. Doch Gels haben trotz einiger Probleme nicht umsonst einen Siegeszug im Ausdauersport vollzogen. Die Geschichte der Hightech-Pasten selbst ist dabei keine 20 Jahre alt: "Energie aus der Tube!", damit warb Squeezy. Die Radsportgemeinde hielt die Energie-Gels anfangs für Blödsinn. Doch die Vorteile überzeugten die Sportler schnell: einfache Handhabung, schnellere Verdauung, besser zu schlucken und portioniert einzusetzen. In kürzester Zeit präsentierten immer mehr Unternehmen Gels, sodass heute der Markt fast unüberschaubar geworden ist. Inzwischen hat sich die Paste vom einfachen Kohlenhydrat-Gel zum Hightech-Treibstoff verwandelt. Immer mehr Zusatzstoffe sollen die Leistung verbessern, seien es ausgeklügelte Kohlenhydratverbindungen, Guarana, Koffein oder Natrium. Aber wie gut können Gels eingesetzt werden, und wie ist die Handhabung im Rennen? Was nützt die schnelle Energie, wenn sie in der Packung stecken bleibt? "Schon am Bürotisch lassen sich einige Packungen schlecht öffnen. Im Wettkampf geht es ganz anders zur Sache", erklärt Rauscher und fügt hinzu, dass man vorher ruhig einige Trockenübungen mit dem gewählten Produkt machen sollte. "Die Handhabung ist mindestens genauso wichtig: Wie reiße ich die Packung auf, wenn es drauf ankommt? Brauche ich beide Hände, oder reichen die Zähne aus? Auch die Konsistenz des Inhalts spielt eine Rolle: Kommt mir alles entgegen, weil das Gel so flüssig ist und die Packung nicht dafür ausgelegt wurde? Oder verklebt mir die Paste den ganzen Mund? In unserem Test legten wir deshalb zwei Hauptkriterien fest: Erstens, wie gut ist die Handhabung? Und zweitens, wie verträglich ist das Produkt?
Übrigens: Am dritten Transalp-Tag lief es bei Matthias Sollmann wieder besser: "Ich hab mir am Abend nach der Magenattacke noch Gels meiner gewohnten Sorte bei einem Sporthändler besorgt. Damit hab ich die Top Einhundert gehalten und eine wichtige Lektion gelernt: never change a running system. Oder besser: Gel."
Fructose
Fruchtzucker ist ein Einfachzucker, der vor allem in Früchten vorkommt. Im Darm wird er unterschiedlich gut vertragen und langsamer resorbiert als Glucose.
Glucose
Glucose ist ebenfalls ein Einfachzucker und wird als Indikator für den Blutzucker verwendet. In der Natur kommt Glucose als D-Glucose vor (Traubenzucker, Dextrose).
Maltodextrin
Ein Gemisch (Mehrfachzucker), das wenig Wasser zieht. Zudem wird die Energie gleichmäßig abgegeben.
Vitargo
Spezielles Kohlenhydrat, das weniger Flüssigkeit an sich bindet und so mehr Energie einschleusen kann.
Isomaltose
Zweifachzucker, der langsamer verdaut und so langsamer ins Blut übergeht – Energie steht länger zur Verfügung.
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Die Ergebnisse und Bewertungen dieser 16 Energie-Gels finden Sie unten im kostenlosen PDF-Download.