Sandra Schuberth
· 19.05.2024
Von Oktober bis zum Redaktionsschluss hat Wiebke schon über 8000 Kilometer hinter sich gelassen und war – einschließlich Deutschland – in zehn Ländern, sechs davon auf dem afrikanischen Kontinent. Vor ihr liegen noch rund 11.000 Kilometer. Seit Marokko ist alles 100 Prozent neu und unbekannt für die Radreisende. In einem Gespräch gibt sie uns Einblicke.
MYBIKE: Wiebke, wie kamst du darauf, nach Südafrika zu Radeln?
Wiebke Lühmann: Der Weg ist das Ziel. Ich möchte Afrika auf dem Rad durchqueren. Das sind 19 Länder. Unzählige Orte, an denen ich noch nie war und die ich sehen will. Meine Vorstellungskraft reicht nicht aus, um mir all diese Orte, Menschen, Gerüche, den Wind und die Weite auszumalen, und deswegen zieht mich eine abstrakte Sehnsucht dahin. Nachdem ich letzten Sommer am Nordkap war, ist das Kap der Guten Hoffnung ein schönes Ziel, womit ich den nördlichsten Punkt Europas mit dem südlichsten Punkt Afrikas verbinden kann.
Hat sich dein geografisches Ziel verschoben - vom Kap der guten Hoffnung nach Kapstadt?
Nein – also ich werde zu beiden Orten radeln. Das Ziel ist der Süden von Afrika. So genau nehm ich das nicht.
Anfang Oktober ging es los. Wie hast du dich vorbereitet? Warst du bereit für den Aufbruch?
Wirklich bereit ist man nie. Es war nicht einfach, loszukommen. Der Stress war groß, trotz langer Vorbereitungszeit. Zum Beispiel kamen die Räder für mich und Hannah, meine Begleitung in den ersten zwei Monaten, erst wenige Tage vor der geplanten Abreise an. Für eine Probefahrt war keine Zeit. Eine so lange Reise bis ins kleinste Detail im Voraus zu planen ist unmöglich. So viele Dinge können die Planung zunichtemachen. Und ganz viel kann man auch gar nicht planen oder vorher wissen. Ich habe eine Makroplanung von Freiburg bis nach Kapstadt, die Tagesetappen werden unterwegs geplant. Nicht nur Wetter oder Krankheit können ein Umplanen unumgänglich machen, mitunter kann sich auch die politische Lage schnell ändern. Deshalb habe ich die politische Situation grob im Blick und entscheide kurzfristig, wie und wo es weitergeht.
Organisatorisch bestand meine Vorbereitung vor allem in Reiseschutzimpfungen und der Anschaffung einer etwas umfangreicheren Reiseapotheke, die zum Beispiel Malariaprophylaxe enthält. Außerdem habe ich einen zweiten Reisepass beantragt, meinen Wohnsitz umgemeldet und mich über Reiseversicherungen informiert. Um nötige Visa kümmere ich mich erst, wenn ich genau weiß, wann ich wo einreisen werde. Mit der App Sicher Reisen vom Auswärtigen Amt bleibt man beispielsweise up to date, was Einreisebestimmungen, Sicherheitshinweise etc. angeht.
Mental ist es vor allem das Abschiednehmen und Verlassen von einem schönen Zuhause gewesen, was mir zu meiner Überraschung schwerer gefallen ist als erwartet. Speziell trainiert habe ich nicht, im Gegenteil ist Radfahren im Vorfeld der Reise bis auf ein paar kürzere Bikepacking-Touren und Feierabendrunden immer kürzer gekommen, da alle anderen Aspekte der Vorbereitung so viel Zeit brauchten. Aus meinen Erfahrungen wusste ich aber, dass ich reinkommen werde und kein spezielles Training brauche.
Als Rad der Wahl hast du das Adlar von deinem Sponsor Wilier Triestina gewählt. Aber nicht in einer Standard-Variante. Du hast das Rad mit einem Flatbar ausstatten lassen und hast dich auch gegen Klickpedale entschieden. Warum?
Ich werde ein gutes Jahr lang mit dem Rad unterwegs sein. Dabei sind zwei Dinge wichtig: Wie verstaue ich mein Gepäck am Rad? Und wie bin ich möglichst komfortabel unterwegs? Im Vergleich zu einem Dropbar ist mit einem Flatbar viel mehr Platz, um eine Lenkertasche vollzupacken. Rennlenker schränken das Packvolumen ein. Auch lassen sich Licht, Fahrradcomputer etc. besser anbringen, da es mehr Platz dafür gibt. Durch den geraden Lenker wird die Haltung auf dem Rad aufrechter, und der breite Lenker bietet mir ein anderes Handling. Auch diese Aspekte haben mich überzeugt, den gebogenen Lenker gegen einen geraden einzutauschen.
Jetzt zu den Schuhen. “Warum fährst du nicht mit Klickpedalen?” ist wohl eine der Fragen, die ich am häufigsten gestellt bekomme. Für mich ist es komfortabler, ich kann mit den Schuhen sowohl Pausenorte erkunden als auch Rad fahren. Wenn ein Schuh kaputtgehen sollte, kann ich neue kaufen und bin nicht auf eine Montagemöglichkeit für Cleats angewiesen. Aktuell trage ich meistens Birkenstock-Sandalen auf dem Rad.
Das leitet gut zu einer weiteren Frage über. Mittlerweile bist du seit ungefähr einem halben Jahr unterwegs. Gibt es einen Reisealltag? Wie sieht der aus?
Ja – den gibt es. Morgens mit Sonnenaufgang oder früher aufstehen, zusammenpacken und frühstücken. Meistens sitze ich so gut fünf Stunden auf dem Rad. Tagsüber schaue ich spontan, wo ich übernachten will und ob ich einen Campspot oder ein Hotel ansteuern werde. Pausen mache ich auch immer spontan. Jetzt besteht der Alltag zudem aus zahlreichen Grenzen und Visabeantragungen, da hier in Westafrika viele sehr kleine Staaten liegen und alle andere Einreiseprozeduren haben. Auch Geld, SIMKarte und Sprachen wechseln. So ist immer was zu tun, und Langeweile kommt wirklich nie auf. Trotzdem ist es wie eine Routine.
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Du hast die Sahara, die größte Trockenwüste der Erde, durchquert. Wie war das?
Es war super. Eine der besten Erfahrungen auf dem Rad bisher. Atemberaubend und friedlich zugleich. Und viel abwechslungsreicher als gedacht. Wenn Gegenwind war, habe ich mich gefühlt wie ein tonnenschwerer Lkw. Insgesamt war ich aber überrascht, wie gut die Straßen sind und wie schön und modern die kleinen Städte in der Sahara sind. Ganz unerwartet hingegen war, wie viel sich nach der Grenze zu Mauretanien schlagartig geändert hat.
Bis zur Sahara hast du noch mehr Frauen auf deiner Reise getroffen, mittlerweile fast ausschließlich Männer. Wie ist es, als Frau allein durch afrikanische Länder zu reisen?
Es ist gut. Ich fühle mich wohl und sicher.
Was war dein bisheriges Highlight?
Die Sahara. Und momentan die überwältigend schöne Natur im Senegal.
Und was war richtig doof?
Gute Frage. Eigentlich nichts.
Wovor hast du Angst bzw. Respekt?
Akut habe ich vor nichts Angst. Respekt habe ich vor Malaria oder bestimmten Krankheiten, die ich mit hoher Wahrscheinlichkeit bekommen werde.
Von deiner Reise zum Nordkap ist der Film “On her own” entstanden, des es auf YouTube zu sehen gibt. Auch die jetzige Reise wird filmisch festgehalten. Gibt es schon eine Idee, wann der Film veröffentlicht werden soll?
Genau, es entsteht wieder ein Film, wieder zusammen mit Fabienne Engel. Eine Fertigstellung ist aktuell noch sehr weit weg, da ich zunächst die Reise beenden muss. Schön wäre, wenn unser Film Ende 2025 fertig wäre. Wir werden sehen.
Wir verfolgen den Weg der Bikepackerin schon seit ihrem Start:
Wiebkes Reise startete in Freiburg im Breisgau, direkt vor ihrer Haustür. Sie führte durch Frankreich, Spanien, Portugal und noch mal Spanien. Ende Dezember war es so weit: Eine Fähre brachte sie auf afrikanischen Boden. Grob folgt sie der Westküste immer weiter gen Süden. Die Sahara hat sie bereits durchquert und ist aktuell in Côte d'Ivoire.