Gitta Beimfohr
· 17.01.2023
Trotz aller digitaler Hilfsmittel bleibt die Alpenüberquerung eines der größten Abenteuer, die man mit dem Bike erleben kann. Gelände, Wetter, Material und der eigene Körper können trotz penibler Vorbereitung zu unvorhersehbaren Herausforderung werden. Abenteurer Peter Baumeister startete letzten Sommer mit acht Freunden auf eine selbstgeplante Tour vom Chiemsee ans Mittelmeer und filmte dabei sämtliche Höhen, Tiefen und Fehler, die gemacht wurden. Daraus entstand eine 7-teilige Youtube-Miniserie.
Eine noch weitgehend unbekannte Route über die Alpen aufspüren und den GPS-Track dazu in ein Tourenportal klicken – einer wie Peter Baumeister kann das. Der 29-Jährige aus Penzberg war schon als Kind mit seinem Hardtail in den Alpen unterwegs und unternimmt pro Jahr inzwischen mehrere Alpen- und Gebirgsüberquerungen weltweit. Im Prinzip hat er auf all diesen Touren schon alles erlebt und jedes Problem mindestens zwei Mal gelöst. Er verfügt also über einen alpinen Erfahrungsschatz, der das logische Abstecken von Etappenlängen, Unterkünfte klarmachen, Ausrüstung optimieren und Rücktransport organisieren zur reinen Routine macht.
Neu dagegen für ihn: das Team. Begleiten wollen ihn auf dieser Tour acht seiner besten Freunde, die er aus Schule, Sport und Studium kennt. Allesamt Sportler, aber etwa die Hälfte davon hat zuvor noch nie eine mehrtägige Mountainbike-Tour versucht, geschweige denn die Alpen überquert. Trotzdem ist sich Peter sicher, dass am Ende alle acht Freunde, das gesteckte Ziel erreichen werden – wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischen kommt. Und die Alpen sind nun mal die Alpen. Da führen Gelände und Wetter Regie. Aber auch Kopf und Körper können streiken. Oder das Material, das eventuell noch nie solchen Belastungen ausgesetzt war. Glücklicherweise hatte Peter Baumeister Kamera und Drohne dabei und hat die Höhen, Tiefen und selbst gemachten Fehler dokumentiert und auf seiner Youtube-Seite als Mini-Serie veröffentlicht. Jede einzelne dieser sieben Episoden zeigt große Landschaften einer eher ungewöhnlichen Transalp-Route, viel Team-Geist in einer eher inhomogenen Gruppe und eben Situationen, mit welchen nicht mal jemand wie Peter Baumeister gerechnet hat.
Achtung Spoiler! Nach den folgenden Episoden-Links listen wir diese problematischen Situationen auf. Wer sie lieber erst im Film sehen möchte, klickt sich erst durch die Clips der einzelnen Etappen und liest danach weiter bei den 7 Dingen, die man auf einer Transalp vermeiden kann.
- Distanz: 75 Kilometer
- Bergauf: 1800 Höhenmeter
- Clip-Inhalt: Nervöse Teilnehmer beim Start, Bremsen-Ärger in Fieberbrunn, Gewitter und Probleme mit der Unterkunft
- Distanz: 77 Kilometer
- Bergauf: 1000 Höhenmeter
- Clip-Inhalt: Toller Kamm-Trail, Belgischer Kreisel zieht manchem Teilnehmer den Stecker
- Distanz: 21 Kilometer
- Bergauf: 1500 Höhenmeter
- Clip-Inhalt: Migge bricht ab, Tragepassage von 800 Höhenmetern zur Hagener Hütte
- Distanz: 67 Kilometer
- Bergauf: 2100 Höhenmeter
- Clip-Inhalt: Längste Abfahrt und Sackgasse in den Lienzer Dolomiten
- Distanz: 70 Kilometer
- Bergauf: 1600 Höhenmeter
- Clip-Inhalt: Steve-O gibt auf, Migge kehrt zurück. Die Temperaturen steigen
- Distanz: 100 Kilometer
- Bergauf: 550 Höhenmeter
- Clip-Inhalt: Das Finale in der Poolparty
- Distanz: 60 Kilometer
- Bergauf: 0 Höhenmeter
- Clip-Inhalt: die letzten Zwei kämpfen sich durch sengende Hitze bis ans Meer
Bei einer Alpenüberquerung ist es immer gut, die Unterkünfte rechtzeitig vor dem Tourenstart zu reservieren. Gerade, wenn man in einer größeren Gruppe unterwegs ist, damit man nach einer langen Tagesetappe nicht vor einem ausgebuchten Haus steht und noch eine Alternative suchen muss. Dabei kann man auch in der Gruppe vorab klären, ob man lieber komfortabel im Tal oder stilecht auf der Hütte schlafen möchte. Aber Vorsicht bei der Reservierung: In den Alpen haben Hütten, Pensionen und Hotels gern mal zum Verwechseln ähnliche Namen. Selbst Peter Baumeister ist es passiert, dass er statt der Schönleiten Hütte auf der Seidlalm in Kitzbühel, das Schönleitenhaus in der Steiermark reserviert hatte. Wie sehr so eine Nachricht nach einer langen, zähen Etappe kurz vor Sonnenuntergang schmerzt, kann man den Teilnehmern im Film deutlich ansehen.
Auf eine kilometerlange Auffahrt, wartet in den Alpen eine ebenso lange Abfahrt. Bei einer Transalp auch mehrmals am Tag. Das sind Materialbelastungen, die man zuhause im Mittelgebirge nicht wirklich simulieren kann. Deshalb ist ein gründlicher Bikecheck vor einer Alpenüberquerung extrem wichtig. Vor allem Bremsen und Schaltung sollten komplett überholt und halb abgerubbelte Reifen besser ausgetauscht werden. Wer sich das nicht selbst zutraut: Rechtzeitig einen Termin in der Bike-Werkstatt vereinbaren! Mitten in der Saison sind die Auftragsbücher dort voll und Sie sollten neue Bremsbeläge unbedingt vorab noch ein paar Kilometer einfahren. Was passieren kann, wenn man das Bike vor der Tour nicht checken lässt, muss in der Baumeister-Transalp Teilnehmer Eal erfahren: Die Bremsen an seinem betagten Bike versagen bereits an Tag 1. Zwar schafft er es noch bis nach Fieberbrunn, wo es einige Bikeshops gibt, aber keine Ersatzteile für seine alte Bremse. Also muss er tiefer in die Tasche greifen für eine komplett neue Bremse und beschert der restlichen Gruppe damit eine ungeplant lange Mittagspause und eine sehr späte Ankunft am Etappenziel.
Gerade in felsigen Regionen, wo die Sonne die Steine stark aufheizt, muss man täglich mit Wärmegewittern am Nachmittag rechnen. Sie brauen sich über den Tag zusammen, entladen sich heftig und ziehen dann auch schnell wieder ab. Dennoch sind sie nicht ungefährlich und zwingen ebenfalls zu ungeplanten Pausen. Deshalb plant man die Etappenlänge am besten so, dass man früh startet und möglichst bis 16 oder 17 Uhr die Unterkunft erreicht. Wer später dran ist und das Gewitter anrücken sieht, riskiert ein zu hohes Tempo und muss am nächsten Tagen mit ungewollt schweren Beinen aufs Bike steigen. Das ist der Baumeister-Gruppe gleich am ersten Tag passiert.
Auf manchen Transalprouten lassen sich längere Talroller auf asphaltierten Radwegen nicht vermeiden. So auch auf der Transalp-Etappe von der Seidlalm durch Zell am See bis zur Unterkunft in Bad Gastein. Die vermeintlich einfache, kraftsparende Flachetappe spulten die neun Jungs im Belgischen Kreisel ab, um noch mehr Kraft zu sparen. Leider aber schaukelten sie sich in diesem Windschattenpulk mit wechselnder Führungsspitze zu einem Durchschnittstempo von 35 km/h auf. Das konnten die einen ganz gut, andere wiederum nur schwer verkraften. Nicht nur der letzte Anstieg zur Hütte, sondern auch die folgenden Tage hatte das schmerzliche Folgen.
An Tag drei warteten die Hohen Tauern mit der Königsetappe zur Hagener Hütte (2446 m) hinauf. Ein Passübergang, der nur selten von Alpenüberquerern genommen wird, weil die Trage- und Schiebepassage mit 800 Höhenmetern lang und hart ist und durch extrem steil abfallendes Gelände führt. Wer so etwas plant, sollte bequeme Schuhe mit gutem Grip wählen, um auf felsigem Untergrund nicht wegzurutschen. Trotzdem wird es ziemlich sicher zu Blasen an den Füßen kommen, weil das Gewicht des Bikes auf den Schultern zusätzlich drückt. Deshalb gehören Blasenpflaster immer ins Notfall-Paket!
Je detaillierter man sich im Vorfeld mit der geplanten Route beschäftigt, desto geringer sind die Chancen auf böse Überraschungen. Selbst, wenn man eine vorgefertigte Route wählt, sollte man sie im Vorfeld abklopfen auf Wegsperrungen, Hangrutschungen, Schneefelder und umgestürzte Bäume. Dazu gibt es einen guten Online-Service des Alpenvereins.
Im Fall der Baumeister-Gruppe war es jedoch schwierig Vorabinformationen zur Strecke zu bekommen, weil die Route bisher kaum jemand gemacht hat. Peter hatte sich den GPS-Track in einem Tourenportal mit Open Street Maps (OSM)-Karten zusammengeklickt. Demnach sollte es in den Lienzer Dolomiten eindeutig eine gut fahrbare Schotterstraße zum Anna-Schutzhaus hinauf geben. Doch die Realität sah anders aus: Nach 500 Höhenmetern endete die Fahrt an einem seit Jahren völlig zugewucherten Weg. Kein Durchkommen. Die Alternativrouten-Suche per Handy ergab: Alles wieder abfahren und aus dem Tal einen neuen Aufstieg versuchen. Der drohte wieder an einem Zaun zu scheitern, aber da es dunkel wurde, entschlossen sich die Jungs, verbotenerweise drüber zu klettern und erreichten die Hütte so gerade noch vor dem Dunkelwerden.
Eigentlich sollte man diesen Ratschlag nicht mehr geben müssen: Der Helm gehört auch bergauf, auch auf einer Alpenüberquerung, immer auf den Kopf. Stürze und Steinschlag gibt es leider auch an besonders heißen Tagen. Und im Notfall kann es in den Alpen dauern bis die Bergrettung kommt!