Laurin Lehner
· 16.06.2020
Kaum eine Region ist so konsequent an Enduro-Fans adressiert wie die Gegend am Reschenpass. Wir suchten die fünf besten Trails. Und müssen warnen: Das zornige Terrain ist nichts für alte Männer.
Im Drei-Länder-Eck Reschen/Nauders sind Enduristi hoch willkommen. Die Natur-Trails locken viele Biker mit jeder Menge Flow, aber die Strecken verlangen auch ein etwas höheres Fahrkönnen. Unsere Trail-Suche war erfolgreich und im Spotguide findet ihr die Beschreibungen dieser Trails:
One-Way-Ticket: Plamort-Tour
Die Achterbahn: der Schöneben-Trail
Wurzelmassaker: Haideralm-Trail
Flow-Versuch: der Bergkastel-Trail
Mutzkopf-Highlight: Elven-Trail
Felsig, flowig, mal rau, mal sanft – die Abfahrt nach Reschen besitzt alles, was sich der Enduro-Biker wünscht. Nur ein zweiter Run klappt nicht so leicht.
Die Plamort-Tour ist unsere Lieblingsabfahrt. Warum? Weil diese Abfahrt so verdammt vielseitig ist. Denn laut Karte handelt es sich bei der Tour nach Reschen um vier Trails, die aneinanderhängen: der Alm-Trail, Plamort-Trail, Bunker-Trail und Etsch-Trail. Los geht’s an der Talstation der Bergkastel-Bahn in Nauders.
Die Seilbahn gondelt uns auf 2172 Meter hoch. Etwas unterhalb der Bergstation startet der Alm-Trail: eine gebaute 1-km-Zubringerstrecke mit wenig Gefälle. Hier rollen wir auf glattem, schnellem Untergrund mit Erdwellen, die man mit genug Speed und Popp doubeln kann. An der Stieralm vorbei kommen wir auf den eigentlichen Plamort-Trail (2,5 km). Dieser Singletrail startet schnell und steinig. Achtung: Hier sind auch Wanderer unterwegs. Wir queren eine Hochebene. Das ist easy, gemütliches Pedalieren. Erst nach der markanten Panzersperre (hier oben Panzer, wirklich?!) beschleunigt der Trail und wellt sich auf Wiesenboden elegant am Hang entlang. Er nennt sich hier Bunker-Trail, denn ein fetter Betonklotz steckt hier in der Wiese – heute ein idealer Aussichtspunkt. Nun startet der Etsch-Trail. Das Gelände wird steiler, ausgewaschener, steiniger und anspruchsvoller. Perfekt, um seine Bike-Skills zu beweisen auf der Suche nach der Ideallinie ins Tal. Der Reschensee blitzt zwischen den Bäumen hervor. Kurz drauf ist man auch schon unten und kann jetzt auf die andere Seeseite zur Schöneben-Bahn treten oder 20 Minuten zurück nach Nauders.
Fazit: voll Enduro! Diese Top-Tour ist unsere Nummer eins am Reschenpass. Denn hier gibt’s Flow, Panorama und einen knackigen Downhill. Second Run – double Fun? Leider liegen Startpunkt und Ziel der Tour 20 Radl-Minuten auseinander.
Plus
> Vielseitig
> Panorama
> Transfer nach Reschen
Minus
> Kein schneller zweiter Run möglich
Schnell hoch, noch schneller runter: Der Schöneben-Trail gleicht einer Bikepark-Strecke, allerdings ist hier alles bio und naturbelassen.
Der Schöneben-Trail ist ein alter Bekannter von uns. Er diente schon oft als Teststrecke, weil 1. voll Enduro, und 2. der Lift gondelt schnell nach oben, sodass viele Runs möglich sind. Der Trail windet sich als natürliche Achterbahn durch den Bergwald. Wer hier in einem Zug durchknattert, hat sein Bike und seinen Herzmuskel im Griff.
Bereits der Einstieg gibt den Streckencharakter für die gesamte Abfahrt vor: Wurzeln, Kurven, Steinfelder, Senken, Steilstufen. Ständig schlägt der Trail Haken und fordert von oben bis unten. Das macht ihn so spannend. Der Schöneben ist zweifelsohne anspruchsvoll – sonst würden wir hier nicht testen, doch flüssiger zu fahren als der ruppige Haideralm-Trail. Deshalb macht der Schöneben-Trail auch weniger versierten Enduristen Spaß. Dennoch: Über dicke Wurzelstränge will man sein Bike mit Schwung bugsieren, um sich nicht festzufahren. Bis auf ein paar Holzbrücken und den ausgelegten Holzstangen – sie sollen davor bewahren, dass der Biker den Hang hinunterschlittert – ist alles naturbelassen. Das heißt leider auch: no Airtime. Bis auf ein paar Bodenwellen gibt es hier keine Sprünge. Ein paar Tretstücke mögen den Abfahrts-Flow etwas hemmen – doch das gehört zum Enduro-Biken dazu. Der untere Teil des Trails gefällt uns am besten. Denn hier wird die Strecke schneller und lässt sich durch den zahmeren Untergrund (yummy Waldboden!) flüssiger fahren. Kurzum: Der Schöneben ist in unseren Augen der beste Baller-Trail der Region.
Fazit: Der Schöneben ist 100 % Enduro. Mal grob, mal flüssig, mal schnell, mal verwinkelt. Die Abfahrt ist spaßiger als der Haideralm- oder der Elven-Trail und somit einer unserer Top-Favoriten. Nachteil: keine Stunts und sehr nässeanfällig.
Plus
> Achterbahn-Feeling
> Fordernd, doch mit Flow-Faktor
Minus
> Nässeempfindlich
> Keine Airtime
Von der Haideralm führen zwei Trails ins Tal. Eine etwas zahmere Abfahrt und das zornige Original. Wer hier Flow erleben will, muss entschlossen sein.
Der Haideralm-Trail ist eine Herausforderung für jeden Enduristen. So haben wir es zumindest erlebt. Der Trail teilt harte Schläge aus. So hart, dass wir den Federweg unserer Bikes überprüften: Sind das wirklich 170 Millimeter?
Entweder man startet direkt von St. Valentin am Südufer des Reschensees, oder man quert von der Schöneben-Bergstation rüber nach St. Valentin. Das dauert zwar zirka 25 Minuten, doch der Transfer verläuft nahezu ausschließlich auf Trails – super! An der Haideralm starten zwei Trails. Der "easy" Haideralm-Trail rumpelt nicht ganz so sehr, weniger Wurzeln, weniger Steine, mehr Flow. Das Original dagegen kennt keine Gnade. Die Naturabfahrt ist mit Wurzeln übersät. Die Räder springen und bocken ohne Unterlass, dass die Arme dick und die Augen groß werden. Sanfte Passagen zum Ausruhen sind selten. Hin und wieder öffnet sich die Strecke und fordert ein gutes Auge für die richtige Linie durchs Wurzelmassaker.
Das Motto der Strecke: Lenker festhalten! Gebaute Sprünge gibt’s keine, und an Kanten will man auch nicht abziehen, denn die Landungen sind ruppig und mit Wurzelsträngen verseucht. Positiv ausgedrückt: Hier wird es nie langweilig – denn der Untergrund verlangt volle Konzentration. Immer wieder kreuzt die Abfahrt einen Schotterweg. Er bietet die Möglichkeit, auf die sanftere Trail-Variante zu wechseln. Wenn wir ehrlich sind, haben wir ab und an daran gedacht. Nach rund 15 Minuten spuckt die Abfahrt einen an der Gondel in St. Valentin aus. Respekt für alle, die den harten Haideralm-Trail in einem Zug runterfahren.
Fazit: wurzelig, polterig, heftig. Wer sich es so richtig besorgen will, wird an der Haideralm fündig. Ein potentes Enduro ist Pflicht, halbwegs trockene Bedingungen ebenso.
Plus
> Anspruchsvoll
> Selektiv
> Naturbelassen
Minus
> Nässeanfällig
> Keine gebauten Stunts
> Nix für Einsteiger
Der Bergkastel-Trail ist vergleichbar neu und soll auch weniger versierte Enduristen ansprechen. Er ist als leichter Trail deklariert, darf aber nicht als klassischer Flowtrail verstanden werden, wie wir finden.
Hoch geht’s mit der Bergkastel-Bahn. Genau wie bei der Plamort-Runde, fährt man erst einmal auf dem gebauten, flowigen Alm-Trail (1 km) Richtung Stieralm. Direkt unterhalb der Stieralm wartet der Einstieg zum Bergkastel-Trail. Er startet zahm und eher flach. Der Untergrund ist deutlich sanfter verglichen mit den restlichen Abfahrten am Reschensee, aber keineswegs geschleckt, wie man das sonst von vielen Flowtrails kennt. Auch hier sollte man zu einem potenten Enduro greifen, um Spaß zu haben. Immer wieder rollt man über Holzstege, bis der Trail schneller und technischer wird. Die Anliegerkurven sorgen für Abwechslung. Später führt der Trail in den Wald, und der Untergrund wird wurzeliger und ruppiger. Es folgen ein paar Double-Sprünge, die sich nicht leicht springen lassen. Wir hatten jedenfalls einige Schwierigkeiten, dabei ist der Trail für Einsteiger gedacht. Nach 5,5 Kilometern kommt man auf einer Teerstraße raus, die wieder zurück zur Talstation der Bergkastel-Bahn führt.
Fazit: Der Bergkastel-Trail ist eine Mischung aus Enduro-Trail und einfacher Flow-Abfahrt. Die Idee ging in unseren Augen nicht ganz auf. Die Streckenführung war uns zu monoton. Dennoch Platz 4, denn der Trail ist zahm genug, um auch Einsteiger mit auf Tour zu nehmen.
Plus
> Lang
> Flowig
> Spricht viele an
Minus
> Fehlende Detailliebe
> Rhythmus
Vom Mutzkopf gehen zwei Strecken ab: der Green-Trail und der Elven-Trail. Bei uns kam auf dem Elven-Trail deutlich mehr Spaß auf.
Die Mutzkopf-Sesselbahn in Nauders gondelt ihre Besucher in einem gemütlichen, aber langsamen Einzelsessellift in die Höhe. Zwei Trails stehen zur Auswahl: eine rote und eine schwarze Abfahrt.
Laut Kennzeichnung (schwarz) müsste der Elven-Trail schwerer sein als der Green-Trail (rot) – ist er aber nicht. Das fanden wir zumindest. Der Elven-Trail ist nicht nur flüssiger zu fahren, sondern auch spaßiger. Denn hier passt die
Mischung aus schnellen Geraden, Kurven und technisch anspruchsvollem Gelände besser als beim Green-Trail. Zudem besitzt er mehr Höhenmeter und ist länger. Los geht’s auf einem schnellen, schmalen Pfad. Der Flow-Faktor schnellt nach oben, denn der Trail kurvt auf hart gepresstem Boden über Wiesen.
Sobald der Trail in den Wald biegt, muss man in die Bremsen greifen und die richtige Linie wählen. Wurzelstränge und löchriger Waldboden fordern Fahrwerk und das Können des Piloten. Rumpel-Pumpel – wer hier mit Zug runterfahren will, braucht starke Arme, um den Lenker gut festzuhalten, und das passende Bike. Federweg willkommen! Hin und wieder stößt man auf gebaute Erdanlieger, doch meist bleibt die Abfahrt naturbelassen. Sprünge gibt es leider auch hier nicht. Bis zum unteren Abschnitt bleibt die Abfahrt vom Charakter her gleich – nämlich schmal, kurvig, hakelig. Dann wird sie jedoch noch mal schnell, steil und grob. Wurzeln, Steinpassagen, loses Geröll. Hat man die Highspeed-Passage überstanden, landet man auf einer Teerstraße – von hier rollt man wieder zurück zum Sessellift.
Fazit: schnell, technisch, vielseitig, teils flowig – der Elven-Trail ist eine Naturabfahrt, wie sie sich Enduristen wünschen. Bikes mit Federweg und ein Fullface sind hier wünschenswert, will man nicht ins Tal schnecken, sondern brausen.
Plus
> Schnell
> Rhythmus
Minus
> Nässeanfällig
> Keine Stunts
> Einseitig
> Nix für Einsteiger
Reschen/Nauders
Das Dreiländereck Reschen/Nauders besitzt vier relevante Gondeln/Lifte für Biker. Die Saison startet am 30. Mai und endet am 13. Oktober. Der Dreiländer-Bike-Pass ist für alle vier Gondeln gültig. Die Region ist auch Teil der Gravity-Card. Tipp: Checkt vor Eurem Besuch unbedingt das Wetter und achtet auch darauf, dass es die Tage möglichst trocken war.
Strecken 10
Lift Gondel (Nauders Bergkastel-, Schöneben- und Haideralm-Bahn.) 1er-Sessellift (Mutzkopf)
Verleih / Kurse Ja / Ja
Saison 29. Mai bis 13. Oktober täglich
Öffnungszeiten 8:30/9:15 – 16:30 Uhr.
Tagesticket 35 € (Erwachsene), 23 € (Jugendliche), 17 € (Kinder), Frei für Gravity-Card-Besitzer
Events: Saisoneröffnung am 12. Juni 2020 | u. a. Greendays verschoben/abgesagt wegen COVID-19, 3 Länder
Enduro Race 28.–30. August - aktuelle Infos zum Termin auf der Webseite
Mehr Infos unter:
www.3-laenderendurotrails.com
Wolfgang Watzke: "Mehr Enduro geht nicht! Wer naturbelassene, anspruchsvolle Trails mag, der ist hier genau richtig. Bei Nässe sind allerdings so gut wie alle Trails nicht fahrbar oder zumindest gefährlich. Mein
Favorit: der ruppige Haideralm-Trail. "
Laurin Lehner: "Alle Trails sind vom Charakter her sehr ähnlich. Reschen/Nauders ist für mich der Inbegriff von Enduro-Terrain. Mit einem potenten Enduro und dicken Reifen hat man hier mehr Spaß. Für Einsteiger und
Familien gibt es kaum ein Angebot. Gut: Bis Ende 2020 sollen zwei neue Flow-Strecken fertiggestellt sein.
Dimitri Lehner: "Mein Tipp: mindestens ein langes Wochenende einplanen. Super: Die langen Transfers verlaufen hier alle als Singletrail und haben mir verdammt viel Spaß gemacht. Stunt-Freerider kommen hier aber nicht auf ihre Kosten. Gebaute Sprünge gibt es so gut wie keine. Gut: Der Bikepark Serfaus-Fiss-
Ladis liegt nur 30 Autominuten entfernt."