So planen Sie E-Mountainbike-Touren perfekt

Uli Stanciu

 · 26.07.2016

So planen Sie E-Mountainbike-Touren perfektFoto: Markus Greber
So planen Sie E-Mountainbike-Touren perfekt

Mit E-Antrieb verliert der Berg seinen Schrecken. Aber es kommt die Angst vor der leeren Batterie. Mit unserer Tourenplanung bekommen sie die besten Tipps für die perfekte E-MTB-Tour.

Es fängt schon morgens vor der Tour an: Wie viele Höhenmeter warten? Schaffe ich das mit meiner Batterie? Die Kalkulation und damit die Sorge im Kopf, ob man die geplante Tour auch wirklich mit der vorhandenen Akku-Kapazität schafft, begleitet einen als E-Mountainbiker den ganzen Tag. Und wenn die Batterie dann wirklich mitten im Anstieg leer ist, dann heißt es: schieben oder umkehren. Solchen Situationen kann man vorbeugen – hier die wichtigsten Tipps für die Touren-Planung.

Die Reichweite, oder besser die "Reichhöhe", ist heute der einzig wirklich limitierende Faktor für eine E-Tour. Jeder einigermaßen trainierte Biker schafft mit seinem normalen Bike etwa 1500 Höhenmeter am Tag. Nicht einmal für dieses moderate Pensum hat eine heute gängige E-Bike-Batterie genug "Saft". Mit den bisher gängigen 400 Wattstunden (Wh) schafft ein Biker mit 75 Kilo Gewicht ungefähr 1200 Höhenmeter – je nach Fahrstufe zwischen Eco und Sport etwas mehr oder weniger. Mit den neuen 500-Wh-Batterien (zum Beispiel von Bosch) sind es entsprechend 20 Prozent mehr, also gut 1400 Höhenmeter. Aber auch mit den noch größeren 600-Wh-Batterien, wie sie zum Beispiel Brose in einigen Bikes anbietet, ist eine große E-Tour nur eingeschränkt möglich. Zwar würde derselbe Normal-Biker, der ohne Motor 1500 Höhenmeter schafft, von seinen Kraftreserven her mit Motorunterstützung etwa das Doppelte erreichen – er ist ja mit dem E-MTB nicht nur schneller, sondern er spart auch Kraft. Aber die Voraussetzung wäre, dass auch die Akku-Kapazität für diese Kilo- und Höhenmeter ausreichen würde. Ergo: Für eine große, konditionell problemlos machbare Tour mit 2500 bis 3000 Höhenmetern, reichen die verfügbaren Akku-Kapazitäten nicht aus, ohne dass man noch eine Ersatzbatterie im Rucksack mitführt. Aber: Zusätzliche 2,5 Kilo auf dem Buckel – das ist nicht jedermanns Sache, mal abgesehen von den Kosten für die Zweitbatterie.

800 Höhenmeter pro Stunde sind mit dem E-MTB locker drin, wenn man keine Pausen macht. Ein normal trainierter Biker hat im durchgehenden Anstieg also nach etwa eineinhalb bis zwei Stunden seine Batterie leergefahren. Unbefriedigend, schließlich will man mitunter deutlich länger im Sattel sitzen. Nachladen ist oft unmöglich, weil einfach keine Hütte oder kein Gasthaus in der Nähe ist. Beispiel: Der Tremalzo (1850 hm) oder auch der Monte Altissimo (2050 hm) – Gardasee-Klassiker, die man von der Kraft her mit dem E-MTB locker schaffen könnte. Mit den heutigen Batterien sind diese Touren dennoch nicht zu machen.

  Hochalpine Touren mit langen, steilen Anstiegen erfordern eine besonders ökonomische Fahrweise. Da heißt es: Selbst reintreten, was die Beine hergeben. Foto: Markus Greber
Hochalpine Touren mit langen, steilen Anstiegen erfordern eine besonders ökonomische Fahrweise. Da heißt es: Selbst reintreten, was die Beine hergeben. 


Die bloße Reichweite wirkt dabei kaum einschränkend – mit einer Batterie und niedrigster Fahrstufe schafft man in der Ebene meist über 100 Kilometer. Viel wichtiger sind die zurückgelegten Höhenmeter. Denn im Anstieg braucht der Motor viel Energie, und der Biker nutzt hier meist eine höhere Unterstützungsstufe. Beim E-Mountainbike ist also die Reichhöhe der entscheidende, limitierende Faktor in der Touren-Planung. Die allermeisten Normal-Biker, die auf E-Antrieb umsteigen, wären konditionell in der Lage, 2500 Höhenmeter oder sogar mehr auf einer Tour unterzubringen. Technische Voraussetzung wäre eben eine Batteriekapazität, die dafür ausreicht – also 800 bis 1000 Wh. Dann müsste man während einer Tour nicht nachladen oder den Akku wechseln.

Immerhin kann man sich für eine große Tages-Tour heute mit einer Ersatzbatterie behelfen, die man im Rucksack mitführt. Schmerzhaft sind die Kosten dafür: Rund 500 bis 800 Euro gehen über den Ladentisch. Ein Bike mit fest eingebauter, nicht wechselbarer Batterie, empfiehlt sich für große Touren ohnehin nicht, denn die Zeit zum Nachladen (3–4 Stunden) auf einer Hütte oder in einem Gasthaus ist einfach zu lang. Davon abgesehen, dass man dann auch das Ladegerät im Rucksack mitführen müsste.

Durch die heutige Begrenzung der Batteriekapazität ist auch eine Transalp-Tour nur schwer zu organisieren und erfordert eine besondere Logistik. Denn eine Ersatzbatterie im Rucksack mitzuschleppen, ist nahezu unmöglich, da der Rucksack schon mit allen anderen Siebensachen für eine Etappenfahrt gefüllt ist. Man braucht also zwingend ein Begleitfahrzeug – mit all dem Aufwand und den Kosten, die damit verbunden sind. Selbst dann, wenn in Zukunft E-MTBs mit großen Batterien angeboten werden, stellt sich immer noch die Frage nach dem Ladegerät. Heutige Ladegeräte sind ebenfalls meist zu sperrig und schwer, um sie im Rucksack mitzuführen. Die müssten kleiner werden und möglichst am E-MTB oder sogar in der Batterie integriert sein.

Der Batterieverbrauch und damit die Reichhöhe hängt von vielen Faktoren ab. Da ist zuerst einmal die Fahrstufe, die man bergauf nutzt. Gut trainierte Biker werden bei flacheren Anstiegen im Eco-Modus fahren, obwohl der Eco-Modus gegenüber dem Normal-Bike meist gerade mal das höhere Bike-Gewicht und die zusätzlichen Fahrwiderstände ausgleicht. Wer schneller vorwärts kommen und die Vorteile des E-MTBs wirklich nutzen möchte, der wird je nach Steilheit im Tour- oder Sport-Modus fahren und damit natürlich mehr Batterie verbrauchen. Der Turbo-Modus (Bosch) sollte generell nur bei supersteilen Rampen eingesetzt werden, denn der bringt zwar die Herzfrequenz runter, saugt aber den Akku rapide leer.

Eine entscheidende Rolle spielt auch das Körpergewicht. Ein 50-Kilo-Leichtgewicht wird unserer Erfahrung nach mit gleicher Batterie etwa 40 Prozent mehr Reichhöhe erzielen als ein 90-Kilo-Fahrer. Kurbelt der schwere Fahrer mit einer 400-Wh-Batterie gerade mal 1200 Höhenmeter rauf, schafft es der leichte Biker auf knapp 1700 Höhenmeter. Als Faustformel kann gelten: Pro Kilo Körpergewicht braucht man fünf Wattstunden mehr. Ein paar Kilo abzuspecken, lohnt sich also. Auch ein leichtes Bike zahlt sich in puncto Reichhöhe aus.

Neben Fahrstufe und Gewicht spielen aber noch weitere Faktoren eine Rolle: die Rollwiderstände zum Beispiel. Wer auf sehr grobem Untergrund den Berg hochpedaliert, wird mehr Akku verbrauchen als auf Asphalt. Und wer dazu noch mit Fat- oder Plus-Reifen und niedrigem Luftdruck fährt, wird noch einmal mehr verbrauchen – auf Asphalt zumindest. Nach unserer Erfahrung summieren sich diese Effekte auf etwa 20 Prozent. Die Reichhöhe sinkt damit von 1200 auf unter 1000 Höhenmeter.


Und schließlich ist da doch noch die Reichweite: Hat eine Tour bei 1200 Höhenmetern eine Gesamtlänge von nur 25 Kilometern, so wird man das voraussichtlich schaffen. Strecken sich diese Höhenmeter über eine Gesamtdistanz von 50 Kilometern, wird die Batterieanzeige wohl schon vor dem Ende der Tour blinken. Denn auch auf flachen oder leicht ansteigenden Teilstrecken verbraucht man Batterie.

All diese Umstände lassen den E-Biker nun während einer Tages-Tour permanent grübeln: Schaffe ich es, oder schaffe ich es nicht? Wer einmal einen noch so kurzen Anstieg mit leerer Batterie fahren musste, den wird es allein beim Gedanken gruseln: Es ist, als müsste man eine Teigknetmaschine mit den Füßen bedienen. Ergo: Ist die Batterie am Bike leer, dann sind es die Akkus in den Beinen auch bald.

Die Sorge im Kopf, das permanente Kalkulieren der Reichhöhe während der Tour und der Akku-Sparzwang belasten den E-Biker oft so, dass die Freude erheblich beeinträchtigt wird. All das könnten die Hersteller mit einem Schlag abschaffen: Sie müssten nur größere Batterien anbieten. Selbst wenn man keine 3000 Höhenmeter anvisiert, es bliebe zumindest das beruhigende Gefühl, dass man auf einer Tour immer mal einen spontanen Abstecher machen oder in den Turbo-Gang schalten kann, wenn einem danach ist. Die Hersteller müssen sich fragen: Wozu kauft der Kunde ein E-MTB? Zum Stromsparen oder zum Spaßhaben?

Natürlich wird eine leistungsstärkere Batterie schwerer, größer und teurer. Das Gewichtsargument lässt sich relativieren: Ein normaler Akku plus Ersatz-Akku wäre schwerer als ein einzelner Akku mit entsprechend höherer Kapazität. Und das Mehrgewicht am Bike ist allemal besser als der Ersatz-Akku im Rucksack. Auch der Platz für einen größeren Akku wäre im Rahmendreieck moderner E-Mountainbikes vorhanden. Und schließlich tüfteln alle Hersteller an Möglichkeiten, wie sich die Batterien praktisch in die Rahmenrohre integrieren lassen.

Bleibt der höhere Preis für die größere Batterie. Vermutlich wird ein größerer Akku preisgünstiger werden, als es zwei kleine Akkus momentan sind. Dazu wäre es jedem Hersteller überlassen, zwei oder drei verschiedene Akku-Packs zu verschiedenen Preisen anzubieten – kleinere Größen für leichte Personen oder Biker, die überwiegend im Flachland fahren, leis­tungsfähigere Versionen für schwerere Biker und lange Touren.

Doch den Wunsch nach größeren Batterien werden die Hersteller frühestens im Jahr 2017 erfüllen können. Was bleibt dem E-Biker also im Moment, um seine ausgedehnte Tages-Tour mit einem Akku zu bewältigen? Da ist zuerst einmal die akribische Touren-Planung. Man muss sich eine Tour aussuchen, die 1200 bis 1500 Höhenmeter nicht überschreitet. Gute Touren-Führer oder Internetseiten mit präzisen Tour-Daten bieten hier schon eine sehr gute Hilfe. Vorsicht bei kostenlosen Touren-Tauschportalen – hier kann man bei den Höhenmeterangaben böse Überraschungen erleben, weil die Daten oft nicht geprüft sind.

Am besten eignen sich auch Touren für das E-MTB, die nur einen einzigen langen Anstieg haben. Ist dann die Batterie schon vor der Passhöhe verbraucht, kann man notfalls auf demselben Weg zurückrollen. Riskant sind Touren mit zwei Anstiegen hintereinander, bei denen das Höhenprofil aussieht wie ein Sattel. Macht hier der Akku im zweiten Anstieg schlapp, sitzt man in der Falle. Dann heißt es in beide Richtungen: schieben.

Neben der sorgfältigen Touren-Planung gilt auf längeren Touren: sparen. Das Geizen mit dem Strom muss einem als E-Mountainbiker in Fleisch und Blut übergehen – und schon in der Ebene beginnen. Oft haben Touren eine Anfahrt auf der Straße oder dem Radweg. Hier fährt man am besten schon mal ganz ohne Motor oder höchstens in der Eco-Fahrstufe. E-Mountainbikes, bei denen ohne Batterie der Motor komplett vom Tretlager abgekoppelt wird (Brose), bieten hier einen Vorteil. Man merkt dann zwar das Mehrgewicht des E-Bikes beim Beschleunigen, aber bei gleichmäßiger Fahrt rollt das E-MTB wie ein normales Bike.

Zusätzlich kann man sich in einer Gruppe die Fahrt in der Ebene erleichtern, indem die leichteren Biker – die also auf der Tour am wenigsten Batterie verbrauchen werden – im Eco-Modus vorausradeln und den Nachfolgenden Windschatten geben. Einen kleinen Spareffekt erreicht man auch dadurch, dass man vor der Fahrt die Reifen möglichst hart aufpumpt, um den Rollwiderstand – zumindest auf Asphalt – so gering wie möglich zu halten. Bevor man ins Gelände abbiegt, reduziert man den Luftdruck dann wieder.

Auch die eigene Fahrökonomie bietet Energiesparpotenzial: Im Anstieg bleibt man natürlich am besten immer in einer möglichst niedrigen Fahrstufe. Ein guter Anhaltspunkt zum Hochschalten ist die Herzfrequenz. Wer mit Pulsmesser fährt, kann daran genau beobachten, wie bei größerer Steigung auch der menschliche Motor hochdreht. Erst, wenn man an der anaeroben Schwelle ankommt, also je nach Alter und Kondition bei 130 bis 150 Herzschlägen, empfiehlt sich das Hochschalten auf die nächste Fahrstufe.

Sobald es sich anbietet, sollte man die Unterstützungsstufe runterschalten – auf Flachstücken oder in leichten Anstiegen. In der Abfahrt darf man den Motor gerne ganz abschalten, denn auch beim leichten Mittreten wird immer ein Quäntchen Strom verbraucht. Kurze Gegenanstiege mit Schwung nehmen. Turbo-Modus gar nicht nutzen. All diese kleinen Maßnahmen erfordern Aufmerksamkeit, man muss permanent aufs Display schauen und den Fahrmodus oft viele Dutzend Mal bei einer Tour ändern. Das ist mühsam, aber so kann man manchmal über 200 Höhenmeter mehr aus dem Akku lutschen. Wer sich als E-Mountainbiker an solche Regeln hält, braucht dann keine Bahn und kein Shuttle – und kann mit Recht behaupten: E-Mountainbiker fahren nur mit dem eigenen Strom.


FAZIT (von Uli Stanciu):

Die Reichweite ist das generelle Problem der heutigen E-Mobilität. Wer mit dem Gedanken spielt, sich ein reines E-Auto anzuschaffen, der muss erhebliche Einschränkungen hinnehmen: Mit einem BMW i3 schafft man durchschnittlich 150 Kilometer, dann muss die Karosse an die Ladestation – und das dauert. Wenn beim E-Bike die Lämpchen ausgehen, kann man sich zumindest noch mit reiner Muskelkraft fortbewegen. Umso wichtiger ist es, dass das Motorsystem beim Treten ohne Batterie­unterstützung keine Kraft verbraucht. Die langfristige Lösung für die Bike-Branche liegt aber in der Größe und Leistungsfähigkeit der Akkus. Die Hersteller müssen erkennen, dass die deutlich eingeschränkte Reichweite und -höhe der gegenwärtigen E-Mountainbike-Modelle nicht im Mindesten den Bedürfnissen der Endverbraucher entspricht. 1200 bis 1500 Höhenmeter – damit ist die Tour nach zwei Stunden beendet. Und dann? Ich kann jedem Hersteller nur empfehlen, die eigenen Produkte auch auf langen Touren in den Alpen zu testen. Dann werden sie die Dringlichkeit dieses Problems erkennen.

  Uli Stanciu, Herausgeber EMTBFoto: Markus Greber
Uli Stanciu, Herausgeber EMTB


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ENERGIE-MANAGEMENT

Auffahrten auf Asphalt helfen, Energie zu sparen: Der geringere Rollwiderstand auf glatten Untergründen saugt erheblich weniger Saft aus der Batterie.

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Eine Hüttenrast kann man fürs kurze Zwischenladen nutzen. Voraussetzung: Man hat das Ladegerät im Rucksack. Bis die Batterie vollständig geladen ist, vergehen drei bis fünf Stunden.

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Auf Nummer sicher gehen auf langen Touren heißt: Wechsel-Akku in den Rucksack. Zweieinhalb Kilo Mehrgewicht muss man in Kauf nehmen.

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