Uli Stanciu
· 27.04.2017
Panorama-Perlen der Alpen: Hier sind Fünf Touren-Highlights, die Sie mit nur einer Batterie schaffen – Traumblick und Trailspaß inklusive.
Das E-Mountainbike ist nicht vollkommen. Noch nicht. Gewicht, limitierte Reichweite, begrenzte Geschwindigkeit – jeder dieser Aspekte kann Einschränkungen bedeuten. Doch wie schwer wiegen diese Einschränkungen angesichts der neuen Möglichkeiten, die sich mit dem E-Antrieb für Mountainbiker ergeben? Es ist Zeit, einige Thesen zumindest zu relativieren.
Erste These: Limitiert durch mangelnde Reichweite der Batterie erreicht man mit dem E-MTB weder die Super-Panoramen noch die schönsten Trails der Alpen. Falsch. Die Reichweite hängt maßgeblich von der Unterstützungsstufe ab. Wer sparsam mit der Akku-Kapazität umgeht und bereit ist, den Anteil der eigenen Muskelkraft an der Gesamtleistung zu steigern, kann 1500 Höhenmeter und mehr schaffen. Viele normale Mountainbiker würden sich ohnehin nicht mehr zumuten. Zudem gibt es durch geschickte Touren-Planung Möglichkeiten, die Gesamtreichhöhe zu steigern: Hütten, an denen man bei einer kurzen Rast den Akku zwischenladen kann. Oder Bergbahnen, mit denen man einige Höhenmeter überbrücken kann.
Zweite These: Man kann mit dem E-MTB nicht alles fahren, schwere Trails oder Schiebepassagen sollte man in der Touren-Planung möglichst weglassen. Wieder falsch. Bergab kann man mit dem E-MTB ohnehin alles fahren, was auch mit dem normalen Mountainbike geht. Und bergauf sogar deutlich mehr. Wo normale Biker absteigen und das Bike schultern müssen, sind E-Mountainbiker noch lange nicht am Ende. Selbst supersteile Rampen lassen sich dank E-Power überwinden. Und die neuen Schiebehilfen sind größtenteils so gut, dass man zu steile Trails zumindest auf diese Weise hochkommt. Wenn gar nichts mehr geht, lässt sich auch ein E-Mountainbike für ein paar Minuten schultern. Die richtige Tragetechnik dazu gibt es ab Seite 108 in diesem Heft.
Dritte These: Die Zufriedenheit nach einer E-Tour ist geringer, weil man nicht nur mit eigener Muskelkraft raufgetreten ist. Noch mal falsch. Bei gleichem Krafteinsatz fährt man schneller bergauf und kann dadurch mehr Trails fahren. Mehr Trails bedeuten für die meisten Biker mehr Glück. Und am Ende des Tages ist man ebenso ausgepowert wie mit dem normalen Bike.
Thesen, die im Zusammenhang mit dem E-Mountainbike immer wieder angeführt werden. Auf den folgenden Seiten finden Sie fünf Touren, auf denen diese Thesen wunderbar widerlegt – oder zumindest relativieret werden.
Alle Touren finden sie als präzise GPS-Daten mit Roadbook und Höhenprofil
im Tourenplaner von www.bike-gps.com
1. KARWENDELRUNDE
Diese klassische Tour ist mit dem E-Mountainbike ein echtes Abenteuer. Nicht so sehr, weil man sich in einsames oder ausgesetztes Gelände begeben würde, sondern vielmehr, weil 1658 Höhenmeter bei 81 Kilometern Strecke mit nur einer Batterie eine echte Herausforderung sind. Man muss also ein Sparfuchs sein und überwiegend auf Eco fahren – leichter als mit einem Muskel-Bike wird das sicher nicht. Wer daraus eine Genuss-Tour machen möchte, braucht den zweiten Akku im Rucksack. Dann aber ist dieser Klassiker ein Traum: Von Mittenwald aus geht es erst flach durchs romantische Ried, dann mit grandioser Felskulisse ins Karwendeltal, erst leicht bis zur Larchetalm, später steiler bergauf zum Karwendelhaus, das eine bayerisch-gemütliche Einkehr garantiert – mit Superpanorama zur Karwendelspitze. Danach noch ein paar Höhenmeter bis zum Hochalmsattel, und jetzt geht’s auf ruppiger Piste bergab zum kleinen Ahornboden und weiter nach Hinterriss, wo man wieder einkehren kann. Die echte Karwendelrunde würde jetzt über die Vereiner Alm zurück nach Mittenwald führen, aber da kämen sicher mehr als 2000 Höhenmeter auf die Uhr. Da das wirklich nur mit zwei Batterien zu schaffen ist, rollen wir lieber sanft bergab nach Vorderriss und nehmen die Schotterstrecke an der ursprünglichen Isar entlang immer sanft bergauf zurück nach Mittenwald. Aber Achtung, auch diese Strecke hält noch ein paar kurze Rampen bereit. Deshalb noch mal: Auf dieser Tour ist gut beraten, wer bis zum Ende sparsam mit seinen Batteriekapazitäten umgeht.
TOUR-DATEN
Distanz 80,92 km
Bergauf 1658 hm
Asphalt 2,28 km
Schotter 65,59 km
TECHNIK
Kondition hoch
Fahrtechnik mittel
Panorama super
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2. ZWÖLFERKOPF
Karwendel auf der anderen Seite, deutlich kürzer und leichter, aber mindestens genauso schön: Der Zwölferkopf bietet nicht nur ein beeindruckendes Panorama in das östliche Karwendelmassiv und zum Rofan, sondern auch über den gesamten Achensee von Süden her. Die kurz davor liegende Bärenbadalm liefert dazu noch eine urige Einkehrstation. Und zu all diesen starken Argumenten kommt dann noch eine spannende, aber nicht allzu schwere Trail-Abfahrt, die über kleine Brücken und durch schmale Tunnels wieder runter zum Achensee führt. Vom Start am großen Parkplatz von Buchau flitzt man erst mal auf dem Radweg am Achensee entlang bis nach Pertisau – dank Batterieschub ähnlich schnell wie die Kiter und Windsurfer auf dem Wasser. Dann rollt man in einer langen Schleife auf Schotter durch das liebliche, flache Dristenau-Tal – immer die mächtigen Karwendelfelsen am Lamsenjoch vor Augen. Schließlich geht es richtig bergauf: Auf mäßig steilem Schotterweg zieht die Tour über 450 Höhenmeter hinauf zur Bärenbadalm, einer zünftigen Einkehrstation, auf deren Terrasse man die Sonne genießen kann. Herausragendes Panorama gibt es hier allerdings noch nicht. Dazu muss man noch ein paar Höhenmeter weiter raufstrampeln, zum Gipfel des Zwölferkopfs. Hier kann man nicht nur wie aus dem Flugzeug über den gesamten Achensee schauen, sondern auch den Gleitschirmfliegern, die sich mit der Seilbahn raufshuttlen lassen, hautnah beim Start zugucken. Gleich unterhalb der Seilbahnstation beginnt der relativ leicht zu fahrende Flowtrail, der überwiegend durch den Wald durch kleine Tunnels fast bis zum Achensee hinunterführt. Echt spaßig. Und wer Glück hat, erhascht hier noch einen Blick auf die historische Achensee-Bahn mit ihrer schnaufenden Dampflokomotive.
TOUR-DATEN
Distanz 24,34 km
Bergauf 748 hm
Asphalt 0,29 km
Radweg 6,82 km
Schotter 614,15 km
Trail 3,07 km
TECHNIK
Kondition mittel
Fahrtechnik mittel
Panorama toll
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3. PORTA VESCOVO
Die Dolomiten sind zweifellos das schönste Gebirge der Welt. Doch hier sind sie am allerschönsten: Porta Vescovo (Tor des Bischofs) südlich von Arabba bietet einen überwältigenden Blick auf den Gletscher der Marmolada und den türkisfarbenen Fedaia-See darunter. Während die meisten Muskel-Biker sich mit der Seilbahn hier raufziehen lassen, packen E-Biker das mit dem eigenen Strom. Von Arabba geht es zunächst auf flacher Skipiste, dann weiter auf einem breiten Schotterweg gut fahrbar rauf zum Col Vescovo. Die steile Skipiste, die jetzt für Normal-Biker eine schier unüberwindlich steile Rampe darstellt, packen geschickte E-Mountainbiker fahrend, indem sie im flachen Zickzack den breiten Wasserablaufrinnen folgen. Nach 140 Höhenmetern hat man es geschafft und wird belohnt mit dem unvergesslichen Ausblick zur Marmolada. Anstatt nun Richtung Westen auf den viel bewanderten Bindelweg zu fahren, wenden wir uns nach Osten auf dem inzwischen recht gut hergerichteten Trail zum Rifugio Padon – nicht ganz so leicht zu fahren mit ein paar kurzen steilen Anstiegen, aber immer dabei: das Panorama zum Träumen. Nach der Einkehr im Rifugio Padon geht es kurz auf steiler Skipiste bergab, dann auf Schotter zur Bergstation Mesola und schließlich auf einem perfekten Waldweg über Ornella wieder hinunter nach Arabba.
TOUR-DATEN
Distanz 26,50 km
Bergauf 1340 hm
Asphalt 5,37 km
Radweg 3,45 km
Schotter 9,14 km
Waldweg 3,43 km
Trail 5,10 km
TECHNIK
Kondition schwer
Fahrtechnik schwer
Panorama mega
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4. MAROCCHE DI DRO
Großes Kino, aber schwere Trails – das erwartet man vom nördlichen Gardasee. Top-Panorama bietet auch diese Tour durch die zerklüftete Felslandschaft der Marocche, nur die Trails sind ungewohnt lieblich. Die Marocche-Tour gehört eigentlich zu den Klassikern am Gardasee. Wir haben sie speziell für E-MTBler aber neu gestaltet – besser, trailiger, spaßbringender, mit Abstecher zum Cavendine-See. Das Panorama ist dabei ganz anders, als man es am Lago erwartet: keine grandiosen Blicke über den See, sondern auf riesige, glatt geschliffene Felswände im Sarcatal. Die Gletscher der Eiszeit haben das Tal vor zehntausenden von Jahren aus dem Felsen gefräst und dabei nicht nur die glatten Kletterwände hinterlassen, sondern auch riesige Geröllfelder aus kantigem, grauem Gestein – die Marocche. Nach dem Start in Riva geht es erst mal auf dem Radweg nach Arco, dort an den Kletterwänden vorbei nach Ceniga, wo endlich der leichte, schmale Schotterweg beginnt, der durch die hübschen, ruhigen Olivenhaine an Dro vorbeiführt. Ab dort geht es dann durch die Marocche immer unter den imposanten Felswänden des Monte Casales entlang bis Pietramurata. Führt die normale Marocche-Tour von dort auf dem Radweg zurück, nehmen wir jetzt einen Supertrail hinüber zum Cavedine-See. Flow und Spaß pur. Am Südende des Sees kommt eine kurze Asphaltauffahrt, dann wieder ein feiner Trail unterhalb der Burg von Drena und durch die Obstgärten zurück nach Arco. Jetzt auf dem Radweg an der Sarca entlang zum Lido di Arco und schließlich am Ufer des Gardasees nach Riva.
TOUR-DATEN
Distanz 48,87 km
Bergauf 641 hm
Asphalt 1,15 km
Radweg 29,41 km
Schotter 12,19 km
Waldweg 0,62 km
Trail 5,48 km
TECHNIK
Kondition leicht
Fahrtechnik eicht
Panorama grandios
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5. LA PANORAMICA
Dieses Panorama wird man sicher nie vergessen. Nie! Und der Trail steht dem in keiner Weise nach. Die Panoramica-Tour im Val dei Forni im Süden des Ortler-Massivs bietet sicher eine der besten Kombinationen aus Supertrail und Superpanorama der ganzen Alpen. Einziges Manko: Man muss von Deutschland aus ganz schön weit anreisen – entweder über das Stilfserjoch oder über Livigno nach Bormio und weiter nach Santa Caterina. Deshalb ist die Tour besonders allen Transalp-Bikern zu empfehlen, die von hier aus über den Gaviapass weiterwollen. Legen Sie einen Tag Pause ein – es lohnt sich. Von Santa Caterina geht es auf einem schmalen Asphaltband hinauf zum
Rifugio Forni, wo man perfekt übernachten kann. Hier ahnt man schon, was kommt: links die Königsspitze, vor einem der Cevedale und rechts der Pizzo Tresero – eine 180-Grad-Gletscherarena, wie man sie noch nicht gesehen hat. Vom Forni geht es auf Schotter weiter bis zum Rifugio Pizzini auf 2700 Metern Höhe, wo man bei grandiosem Blick einkehren kann. Dann der Trail La Panoramica, der seinem Namen alle Ehre macht: sieben Kilometer lang, durchweg leicht zu fahren und immer die Gletscher vor Augen. Wer Lust und genug Power hat, fährt vom Pizzini aus noch rauf zum Passo Zebru auf 3003 Meter. Wo kann man sonst mit dem E-MTB einen Dreitausender erreichen?
TOUR-DATEN
Distanz 23,17 km
Bergauf 1083 hm
Radweg 5,69 km
Schotter 6,61 km
Waldweg 3,87 km
Trail 6,98 km
TECHNIK
Kondition mittel
Fahrtechnik mittel
Panorama Wahnsinn
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