Die Federia-Runde in Livigno – ein E-MTB-Kurzabenteuer

Markus Greber

 · 12.12.2019

Die Federia-Runde in Livigno – ein E-MTB-KurzabenteuerFoto: Markus Greber
Die Federia-Runde in Livigno – ein E-MTB-Kurzabenteuer

In Livigno lassen sich gebaute Flowtrails und natürliche Schmugglerwege ideal kombinieren. Bike-Ikone Hans Rey hat sich in seiner Lieblingsregion ein perfektes E-MTB-Kurzabenteuer zusammengestellt.

Die spinnen, die E-Biker – die Gedanken des Liftwarts an der Talstation der Carosello-3000-Bergbahn stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Und zugegeben, für Außenstehende mag es schon komisch aussehen, wenn man sich samt motorisiertem Gefährt mit der Gondel hochbringen lässt. Dass wir später noch sowohl sämtliche Kraft- als auch Akku-Reserven brauchen würden, kann der Mann ja nicht wissen.

1764 Tiefenmeter Sahne-Trails hatte MTB-Legende Hans Rey uns versprochen. "Die besten Trails der Region in die Nuss-Schale gepackt, locker machbar in einem halben Tag und mit nur einem Akku" – die Route, die Hans in seiner Teilzeitheimat Livigno ausgeklügelt hatte, klang vielversprechend. Einzige Ausnahme: der Lifttransfer. Und so gondeln wir jetzt in der brandneuen Zehner-Kabine zur 2750 Meter hohen Bergstation und dem höchsten mit dem Lift erreichbaren Punkt in Livigno.

Das heißt jedoch nicht, der Zivilisation entflohen zu sein. Für Liebhaber der einsamen Bergwelt ist die Ostseite des Carosello nichts. Wie Adern furchen sich die neu angelegten Flowtrails in die kargen Hänge, über die wir in der knapp zehnminütigen Bergfahrt hinwegschweben. Und oben erwartet uns anstatt Bergromantik eine Touristen-Arena mit Kinderspielplätzen und Panoramarestaurant. "Ihr werdet Euch wundern, gleich geht’s auf einsamste Schmuggler-Trails", versucht uns Hans, der unsere verdutzten Gesichter bemerkt hat, zu motivieren.

Und tatsächlich, nach ein paar Metern, auf der Westseite des Berges, ist der Touristenspuk vorüber. Nur der Trail, der sich an die steile Bergflanke schmiegt und sich schier endlos hinunter ins einsame Val Federia windet, ist eindeutig manmade, und zwar gebaut von Bikern für Biker. Der Trail endet tief im Tal bei der Malga Federia, einer urigen Sennerhütte. Und von hier aus startet der zweite Teil der Runde, der durchaus auch hartgesottene E-MTB-Freaks aus der Reserve lockt. Ein uralter Pfad, auf dem nach dem zweiten Weltkrieg Zigaretten und Schnaps vom schweizerischen Engadin über den Chaschauna-Pass geschmuggelt wurden.

  Anspruchsvoll: Die alten Schmuggler-Trails Richtung Chaschauna-Pass haben es in sich. Im Hintergrund der Livigno-See.Foto: Markus Greber
Anspruchsvoll: Die alten Schmuggler-Trails Richtung Chaschauna-Pass haben es in sich. Im Hintergrund der Livigno-See.

Im unteren Teil ist er noch recht zahm. Aber nach ein paar Kehren auf einer steilen Schotterstraße zeigt der historische Trail bis zum höchsten Punkt seine Zähne. Steil, schmal, verblockt. Und während Hans die Schlüsselstellen mit gewohnter Routine komplett durchfährt, zwingt uns der Pfad das eine oder andere Mal zum Absteigen. Etwa 400 Höhenmeter dauert der Anstieg, bis der Weg nach einer Bachdurchquerung mitten im Hang wieder bergab zurück ins Val Federia führt.

Doch auch der Downhill ist nichts für allzu zarte Gemüter. Was von oben aussieht wie ein sanfter Flowtrail, erweist sich als steile, ausgesetzte Rutschpartie. Doch mit wohldosiertem Umgang mit den Bremsen und voller Konzentration schlingern wir pünktlich zum Mittagessen zurück zur Malga. Der Wiedereintritt in die Zivilisation vollzieht sich schleichend.

  Die Malga Federia markiert die Halbzeit der Runde. Hier gibt’s hausgemachte Spezialitäten.Foto: Markus Greber
Die Malga Federia markiert die Halbzeit der Runde. Hier gibt’s hausgemachte Spezialitäten.

Vom einsamen Val Federia kurbeln wir die steilen, aber dank Motor genussvoll zu fahrenden Schotterrampen hoch, bis wir nach etwa 500 Höhenmetern den Kamm des Carosello-Massivs erreichen. Zum Glück müssen wir diesmal nicht das Gondelareal mit den lärmenden Touristen passieren, sondern überschreiten den Bergrücken einige Höhenmeter darüber.

So hatten wir auf dem Hinweg gar kein Auge für das Panorama, das wir jetzt – auf dem höchsten Punkt des Carosello – umso besser genießen können. Es stehen das Bernina-Massiv im Westen und König Ortler im Osten Spalier, während wir uns auf weitere 900 Tiefenmeter Abfahrt vorbereiten. Die Wege, die man hier erst kürzlich in den Hang geschnitzt hat, gehören zu den besten Flowtrails der Alpen. Wir wählen als Aperitif den leichten Coast to Coast und wechseln dann zum Hauptgang auf den ruppigeren Enduro. Als Dessert präsentiert uns Hans dann noch die Blueberry-Line. Diese verspielt-verschlungene Trail-Achterbahn führt uns schließlich zurück zum Startpunkt.

  Flowig: Die Ostseite des Carosello ist durchzogen von gebauten Trails aller Schwierigkeitsstufen.Foto: Markus Greber
Flowig: Die Ostseite des Carosello ist durchzogen von gebauten Trails aller Schwierigkeitsstufen.

Wir laufen bereits auf Notstrom, als wir zum zweiten Mal an diesem Tag das Drehkreuz der Gondel passieren. Bergab braucht man schließlich keinen Motor. Lachend verstaut der Liftmann unsere Bikes in der Kabine. Er wird sich schon bald an E-Biker gewöhnen.

  Die Federia-Runde hat sich Bike-Ikone Hans Rey in seiner Lieblingsregion Livigno selbst zusammengestellt.Foto: Infochart
Die Federia-Runde hat sich Bike-Ikone Hans Rey in seiner Lieblingsregion Livigno selbst zusammengestellt.

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