Das Val Müstair (auch Münstertal) liegt zwischen Vinschgau, Ofenpass und Umbrail- bzw. Stilfserjoch im Süden und markiert mit dem 2763 Meter hohen Piz Chavalatsch den östlichsten Zipfel des Schweizer Kantons Graubünden. Alpenüberquerer kennen von der Region vor allem das Val Mora. Das Hochtal wartet hinterm Pass da Costainas und zählt zu den klassischen Transalp-Passagen. Dabei lohnt es sich, ein paar Tage mehr im Val Müstair zu verbringen. Schmuggler haben hier einst ein dichtes Pfadnetz über die Grenze nach Südtirol angelegt, das sich heute allerbestens zum Mountainbiken eignet. Und obwohl das Tal seit 2017 zum UNESCO-Biosphärenreservat Engiadina Val Müstair gehört, setzt man auch hier bei den Wanderwegen offiziell auf Trailsharing. Die Trails selbst werden von der lokalen Mountainbike-Community um Sergio Tschenett gepflegt, aber ohne den natürlichen Charakter der Pfade zu verändern. Zusammen mit dem Unterengadin und Samnaun soll in Zukunft ein gemeinsames großes Trail-Touren-Netz entstehen. Enduro-Bikerin Steffi Marth ist die drei besten Trail-Runden des Val Müstairs abgefahren und kam dabei am Piz Chavalatsch um Haaresbreite an ihre Grenzen (Tour 3). Aber das Panorama-Großerlebnis war den erhöhten Adrenalin-Pegel wert.
Das dichte Trail-Netz haben die Biker im Val Müstair sehr engagierten Schmugglern zu verdanken, die bis in die 60er-Jahre Zigaretten über die Südtiroler Grenze schleppten.
Wer den langen Anstieg scheut, kann sich bis zur Alp da Munt (2213 m) shutteln lassen und dort starten. Dann warten noch ca. 300 hm zum Selbstkurbeln. Von Sta. Maria aus folgt man den Talnebenstraßen über die Orte Fuldera und Tschierv bergauf, bis rechts die Straße Richtung Skigebiet Minschuns abzweigt. Kurz vor der Alp da Munt wechselt der Untergrund auf Schotter, ab dem Abzweig Richtung Valbella schließlich auf einen Hochgebirgspfad, der steil beginnt, dann aber fahrbar abflacht (Steinbock- und und Bartgeier -Revier!). Auf 2520 Metern Höhe ist der Anstieg geschafft, und die lange Trail-Abfahrt kann beginnen. Die Hochgebirgswanne des Valbella macht ihrem Namen wirklich alle Ehre, vor allem, wenn wieder die ersten Arvenbäume aus dem kargen Boden sprießen. Am Ofenpass ist kurz Rummel angesagt, dann geht’s auf Trails parallel zur Passstraße sehr spaßig zurück nach Sta. Maria.
Im Auf und Ab und in weiten Kurven spaziert der Höhenpfad auf dieser Seite durch saftige Almwiesen am wunderschönen Lai da Juata vorbei und weiter zur sonnengefluteten Hochebene der Alp Champatsch hinüber. Nach der Einkehr geht’s auf den Hometrails der Locals ins Tal zurück. Auf dem Weg in die Ortschaft Lü trifft man sehr wahrscheinlich auf Alpenüberquerer, die auf ihrem Weg gen Süden vom Pass da Costainas herunterkommen. Der Trail selbst ist ein Traum: Größtenteils flowig zieht er sich erst am Hang entlang, taucht dann in den Arven- und Lärchenwald ein, um dort die ersten Kurven zu schlagen. Bald mischen sich Steinplatten und Wurzeln in den sonst weichen Waldboden, die Konzentration sollte daher nicht abreißen. Kurze Verschnaufpausen gewähren die Asphalt-Transfers in den Talorten, bevor es hinter den Häusern im typischen Wald-Trail- und Serpentinen-Modus weiter nach Sta. Maria hinuntergeht.
Der Goldsee-Trail für Fortgeschrittene: Diese Abenteuer-Tour beginnt wie der Klassiker früh morgens am Stilfserjoch (Start vor 9 Uhr oder nach 16 Uhr). Man kämpft sich 85 Höhenmeter auf der Schotterrampe zur Dreisprachenspitze hinauf und folgt dann dem zunächst sanften, später verblockten Pfadband, das die Bergflanke auf Südtiroler Seite schneidet, bis zur Furkelhütte hinunter. Kurz nach der Hütte zweigt die Tour vom Goldseesteig ab und zwar Richtung Piz Chavalatsch. Etwa zwei Stunden schiebt und trägt man das Bike nun 600 Höhenmeter den Hang hinauf. Kurz vorm Gipfel lohnt noch eine Rast an einem kleinen See, bevor man die letzten Schritte macht und wegen der 360-Grad-Aussicht den Mund nicht mehr zubekommt: Rundherum drängen sich die Gipfel von Vinschgau, Engadin und Ortlermassiv! Und geradeaus das Highlight des Tages: die lange Abfahrt über den Grat bis zur Rifairscharte und dann richtig steil über die Schweizer Grenze ins Val Müstair zurück. Von 2764 Metern Höhe auf 1250 Meter hinunter. Ab der Rifair Alm wechselt der Trail auf Waldboden, mit einigen kniffligen, steilen Stellen – aber alles noch im Spaßbereich.
Von Norden her erreicht man das Val Müstair über den Vinschgau (Taufers) oder vom Engadin aus über den Ofenpass. Von Süden her über den Passo Umbrail. Die Anreise mit Zug und anschließender Busverbindung ist möglich, aber umständlich.
Es gibt zwei schöne Campingplätze im Tal:
Müstair: Camping Muglin, 65 Stellplätze auf der Wiese eines ehemaligen Bauernhofs. Mit Gratissauna im Heuschober, Campinghütten zur Miete und Bistro. Preise: WoMo 12 CHF plus 13,50 CHF pro Person und Nacht (24 Euro), Saison: 30.4.–30.10.22, campingmuglin.ch
Sta. Maria: Pè da Munt, kleiner Stellplatz im Lärchenwald, am Fuße des Umbrail-Passes. Preise: WoMo ab 14 CHF plus 11 CHF pro Person/Nacht. Saison: 25.5.–2.10.22, campingstamaria.ch
Tipps in Sta. Maria: B & B Alpina, ÜF ab 69 Euro pro Nacht, myalpina.ch und B & B Villa Stelvio mit Apartments und Familienzimmern in einem 100 Jahre alten Haus mit Grill im Garten. Preis ÜF ab 136 CHF (130 Euro), villastelvio.com
The Bike Patcher – Inhaber Sergio ist Maschinenbauingenieur und im Bikeshop seines Vaters aufgewachsen. Mit Vorliebe fertigt er persönlich entworfene Steuersätze an. Palü Daint 111, Müstair, ridelaval.com
Die Mädels und Jungs von Ride La Val sind allesamt Herzblut-Biker, die schon seit vielen Jahren auf den Trails ihrer Heimat unterwegs sind. Sie zeigen ihren Gästen nicht nur grenzübergreifende Touren, sondern vermitteln auch die dafür nötige Fahrtechnik. ridelaval.com
Seilbahntransport gibt es im Val Müstair nicht. Wer wegen der Zeitschranke für Biker morgens um acht Uhr am Stilfserjoch sein möchte, nimmt entweder das Postauto (Start ca. 7 Uhr in Sta. Maria) oder bucht einen Shuttle bei Romex Transport, Tel. 0041/79/2854545, romex-transport.ch
Im Val Müstair setzt man auf Tradition und Nachhaltigkeit. Rummelplätze mit Hüpfburgen und laute Après-Bars wird man hier nicht finden. Dafür aber Bio-Bauern, glückliche Kühe, Ziegen und Schafe auf der Weide und naturverbundene Wanderer und Biker, die sich die Bergwege teilen.
Frauenkloster Sankt Johann: Zwölf Schwestern leben noch in diesem Kloster, das zum UNESCO-Weltkulturerbe ausgerufen wurde. Das Museum zeigt das Leben innerhalb der 1200 Jahre alten und mit Fresken verzierten Mauern. muestair.ch
Smallest Whisky Bar on Earth: Die kleinste Whisky Bar der Welt befindet sich in Sta. Maria, hat das Guinness Buch der Rekorde 2007 festgestellt. Hier lagert Lord Gunter Sommer nicht nur 300 verschiedene Sorten, sondern unterhält auch noch ein kleines Museum, swboe.com
Engadiner Nusstorte: Es gibt zwei ausgezeichnete Adressen für diese Bündner Spezialität, die sich vom Kaloriengehalt her bestens als Riegel-Ersatz eignet: Bäckerei und Konditorei Meier-Beck in Sta. Maria (auch Roggenbrot für die Hirsch-Salsiz-Jause!) und die Bäckerei Caterina Bott in Müstair. Beide verwenden überwiegend lokale Zutaten.
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