Stefan Becker
· 27.09.2024
Zwanzig Kilometer Aufstieg für etwa sechs Kilometer Abfahrt – das klingt erst mal nach einem schlechten Deal. Wenn da nicht diese unfassbare Landschaft wäre: Der Muttenjoch-Trail bahnt sich mitten durch die Tiroler Verwall-Riesen. Eine Hochgebirgswelt aus Felsspitzen und Graten, verbunden durch Geröllhänge, so weit das Auge reicht.
Quellwasser sprudelt hier direkt aus dem Fels und sammelt sich in glasklaren Seen, in denen sich nur noch der Himmel spiegelt. Eine martialische, mondartige Kulisse, in der sich so eine schmale, fragile Wegspur auch erst mal behaupten muss. Langweilig wird es auf dieser Runde um den 2890 Meter hohen Schrottenkopf also nicht. Weder bergauf, noch bergab.
Startpunkt der Tour ist der Parkplatz kurz vor dem Örtchen Piel an der Paznaunstraße. Entlang der Rosanna führt die Route an Galtür vorbei bis nach Wirl, wo der Anstieg Richtung Zeinisjoch abzweigt. Bis zur Mauer des Kops-Stausees hinauf darf man sich noch bei angenehmer Steigung einrollen. Dann legen die anschließenden Schotterkehren einige Prozente zu, um die nächst höhere Geländestufe zu erreichen: das Hochtal mit der Verbellaalpe.
Hier rollt es sich nun wieder gemütlich unterhalb des Valschavielkamms dahin. Linkerhand gurgelt der Verbellabach in seiner Kerbe, ein paar Fliegenfischer versuchen hier ihr Glück. Da türmt sich bald die nächste Geländestufe vor uns auf: der Stich zur Heilbronner Hütte. Der Weg ist hier sogar betoniert, weil er so steil ist. Trotzdem werden die meisten Biker schieben müssen, weil das Pedalieren zu viel Kraft kostet. Doch, wenn der Wind günstig steht, weht einem bei dieser Plackerei bereits der Duft von Zwetschgenstrudel um die Nase. Und die Einkehr auf der Hüttenterrasse lohnt sich, zumal der Anstieg dahinter noch lange nicht zu Ende ist.
Hinter dem Haus beginnt er nämlich, der Muttenjoch-Trail. Mit einer weiteren Schiebe- und Tragepassage zwar, aber sobald die Hütte aus dem Blickfeld verschwunden ist, darf man für zweieinhalb Kilometer wieder aufsitzen. Als steinige Sandspur führt der Trail nun leicht bergauf Richtung Jöchli-Grat. An kleinen Seen vorbei und durch Geröllwannen. Nur ein paar Wollgräser sprießen aus dieser Steinwüste. Kein Mensch weit und breit.
Bis uns irgendwann doch ein Kristallsucher begegnet. In breitem Vorarlbergerisch fragt er uns, ob wir auch ins Tal des Todes wollen? Ich würde es eher “Tal der Wüstenstille” nennen. Denn nach einer etwas ruppigen Bergab-Traverse stehen wir tatsächlich in dieser absoluten Ruhe. Aber es gibt Leben: Neben unseren Füßen quillt der Rosanna-Ursprung aus dem Boden. Am gegenüberliegenden, steilen Felshang zeichnen sich feine Spitzkehrenlinien ab. Da müssen wir noch hoch. Es sind die letzten 270 Höhenmeter zum Muttenjoch hinauf. Wieder buckeln wir unsere Bikes und stapfen durch eine großartige Felsszenerie, bis auf 2620 Metern Höhe schließlich der letzte Schritt gemacht ist.
Jetzt also nur noch Lohn statt Mühe: die 6 Kilometer und 1200 Tiefenmeter Abfahrt nach Mathon hinunter! Die ersten Abfahrtsmeter ziehen fast flowig dahin, dann rumpeln schon die ersten hochalpinen Wacken im Fahrwerk. Kurze Verschnaufpause auf einem Wirtschaftsweg, der zur Friedrichshafener Hütte mit Badesee hinüberführt. Bis hierhin ist der Muttenjoch-Trail ausdrücklich für Biker erlaubt.
Nach der Hütte hat man dann die Wahl: entweder 600 Tiefenmeter auf Schotterserpentinen ins Tal rauschen oder: Nicht-explizit-Erlaubtes wagen. Wer Letzteres bevorzugt, wählt den Trail, der die Schotterserpentinen schneidet, kämpft dann aber mit Absätzen, engsten Spitzkehren und fußballgroßem Geröll bis ins Tal hinunter.
Tipp: Wer nach dem anstrengenden Aufstieg bergab nicht alles schieben will, sollte mit hochalpinen Stufen und losen Wackersteinen umgehen können.
Stefan Becker – Der Mann hinter der Supertrail-Map. Der Tiroler ist am liebsten in einsamen Bergen unterwegs und liebt seine Heimat – trotz vieler Bike-Verbote. Sein Motto: “Alles nur halb so wild. Übers Reden kommen die Leut’ zamm!”
Die GPS-Daten zur Tour finden Sie in der Touren-App von BIKE:
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