Christoph Malin
· 19.07.2017
Geschichtlich spannend und landschaftlich vielseitig liegt das Montafon versteckt hinter den Kalkriffen des Rätikon und den Eisriesen der Silvretta – ein Juwel für E-Mountainbiker.
Um die Herkunft des Namens "Montafon" ranken sich viele Mythen und Deutungsversuche. Das lateinische mons (= Berg) gilt als Namensbasis. Begrifflich entwickelt aus rätoromanischen Sprachwurzeln, zeigen mittelalterliche Dokumente, dass einst nur der Bergrücken von Bartholomäberg und Kristberg beziehungsweise eine Anhöhe dort den Namen "Muntafun" trug. Wie in anderen Alpentälern auch bot also eine lokale Ortsbezeichnung wohl den Ausgangspunkt für die später erfolgte Benennung der ganzen Talschaft.
Im Süden Vorarlbergs und am südwestlichen Ende Österreichs zwischen den Hochgebirgen Graubündens und Tirols gelegen, ist das Montafon vom gewaltigen Wall der Nordrätischen Alpen eingekesselt: Im Nordwesten die markanten Kalkfelsen des Rätikons, im Süden das kristalline zentralalpine Gestein der teilweise noch vergletscherten Silvretta und im Nordosten das Verwall.
Markante Gipfel werden geziert durch klingende Namen wie Schesaplana, Zimba, Drei Türme, Sulzfluh, Madrisa, Piz Buin, Vallüla oder Patteriol.
An denen sehen wir uns gerade am Aussichtspunkt Falle oberhalb des sonnigen Bartholomäbergs und des Silbertales satt: Uns alle – Claudia, Sabrina, Tibor, Vincent und mich – verbindet ein ausgeprägter Hang zu hochalpinen Trail-Experimenten. Ein Wochenende wollen wir die glitzernde Bergwelt gemeinsam mit E-Mountainbikes neu erfahren. Alex, ein Dornbirner Enduro-Biker, Urgestein aus den Reihen der Vorarlberger Xitrailer, wird uns am Sonntag begleiten und seine Lieblings-Tour am Hochjoch zeigen.
Kostenlos herunterladen: Die GPS-Daten der im Revier-Guide Montafon vorgestellten E-Mountainbike-Touren finden Sie Im Download-Bereich direkt unterhalb dieses Artikels. Viel Spaß beim Nachfahren!
Ich selbst bin in Vorarlberg aufgewachsen und seit 1985 im Montafon mit dem Bike unterwegs. Dank meines Montafoner Vaters ist mir diese wunderschöne Bergwelt natürlich sehr ans Herz gewachsen. Und es wird mir auch nach 30 Jahren Singletrail-Biken hier nicht fad!
30 Jahre, wie die Zeit vergeht. Dazu passt, dass wir uns auf der Itonskopf-Singletrail-Tour auch auf Mountainbike-historischem Boden bewegen. Denn diese wunderschöne Trail-Rundtour mit den berühmten
Blicken ins Rätikon und Klostertal ist – man glaubt es kaum – schon seit den frühen 90ern offiziell eine Singletrail-Tour des Montafons.
Zu einer Zeit, in der noch gestritten wurde, ob Fully oder Hardtail die überlegene MTB-Spezies sei – konnte man am Bartholomäberg schon Trailsurfen, ebenso lange transportieren Seilbahnen des Tales schon abfahrts-, alpin- und Touren-orientierte Biker. Natürlich zündete der Funke – über viele Jahre wurden von der wachsenden Mountainbike-Szene des Montafons und Vorarlbergs alpine Trails des Rätikons, der Silvretta und des oberen Rheintals erkundet, Bike- und Hike-Touren absolviert und spektakuläre Erstbefahrungen versucht. Die Vorarlberger Alpinbiker-Szene ist im Montafon stark vertreten, und mit dem sehr gelungenen Bikepark Brandner Tal gibt es sogar eine Option für Gravity-Freaks!
So weit, so gut, doch ehrlicherweise muss man bei der Bestandsaufnahme eine wesentliche Einschränkung vornehmen: Wirklich offiziell und legal sind von den beliebten Montafoner Trail-Touren auf den GPS-Portalen bis heute nur ganz wenige, befahren werden die vielen Trails von Locals und Bike-Bergsteigern aber ohne größere Proteste seitens Wanderern und offiziellen Stellen. Auch die Hüttenwirte haben schon längst ihre Biker-Stammkunden, und zwar nicht nur kleine Grüppchen, sondern an starken Wochenenden durchaus hunderte. Egal, ob Hardtail-Freak oder Enduro-Biker, mit oder ohne "E", im Montafon sind sie alle willkommen.
Aber so wird auch dieser Artikel, wie viele zuvor zum Thema Biken im Montafon, möglicherweise eine Gratwanderung im doppelten Wortsinn – zwischen dem, was legal ist, dem, was man fahren darf, aber vielleicht gar nicht will, und dem, was Spaß macht und in der Realität viel gefahren wird. Doch die Dinge entwickeln sich: Momentan erarbeitet die Oberengadiner Agentur Allegra-Tourismus mit den Silvretta-Bergbahnen ein neues Bike-Konzept fürs Montafon, und das wird sicherlich sehr Trail-lastig ausfallen – die Bike Republic Sölden lässt grüßen. Das Konzept sollte aufgehen, schließlich empfiehlt sich eine ganze Reihe existierender Trails für das Projekt – Trails, auf denen das Nebeneinander von Wanderern und Bikern bereits seit vielen Jahren harmonisch funktioniert.
Wir sind jedenfalls auf unserer Runde um den Bartholomäberg nun bereit für die Abfahrt. Tibor kann es kaum erwarten und rollt mit seinem unverwechselbaren geschmeidigen Fahrstil wie eine Katze auf den Trail zum Torasee. Vincent und die Mädels folgen. Vor dem Lenker in der Nachmittagssonne das irre schöne Panorama des Rätikons: Sulzfluh, Mittagsspitze, Drei Türme, Zimba – sie geben dem Tal Tiefe, dem Auge einen Fluchtpunkt, und der malerischen Landschaft am Sonnenbalkon des Montafons das unverwechselbare Flair.
Auch die Zeit des Bergbaus hat das Montafon geprägt. Wer genau hinschaut, der stößt im Bereich der sonnigen Wiesenmatten am Bartholomäberg allerorts auf historische Zeugnisse: Die zahlreichen Abraumhalden längst verfallener Silbererzstollen prägen noch heute das malerische Landschaftsbild, einen davon kann man als Schaubergwerk sogar an den Wochenenden besuchen. Die lange zugewachsenen Halden sind auf Touren zwischen den Maiensässen an den sanften Bergflanken gut zu sehen. Maiensässe oder Maisässe heißen im Montafon die wunderschönen Berghütten, die auf die Walser zurückgehen. Im Bestreben, sämtliche verfügbare Vegetation bis in die Hochlagen zu nutzen, führten die Walser die sogenannte Dreistufenwirtschaft ein. Auch heute noch folgt man diesem Prinzip: In der kalten Jahreszeit hält man sich mit dem Vieh im Tal auf, in der wärmeren Periode ist man auf dem Maisäss und schließlich im heißen Sommer auf den Alpen.
Von vielen der Maisässen, an denen wir vorbeirollen, werden wir freundlich gegrüßt. Es ist ein Zeichen der Zeit und des Strukturwandels, dass nicht wenige Maisässe in den letzten 20, 30 Jahren auch als Ferienwohnsitze genutzt und vermietet werden, aber so sind sie dem teilweisen Verfall entgangen. Doch genügend von ihnen werden noch im ursprünglichen Sinn verwendet.
Der Trail schlängelt sich geschmeidig am Hang entlang. Wir treffen ein paar gut gelaunte Wanderer und rollen ein angenehmes Schwätzchen später nach schöner Trail-Fahrt am Torasee und weiter am Fritzensee vorbei, in dem vergnügt ein paar Kinder plantschen. Unverkennbar bezaubernd leuchten kalkhell die Pfeiler der Drei Türme in der Sonne herüber, tags zuvor waren wir ihnen auf der Tour zur Tilisunahütte entgegengefahren. Am Drusentor und Schweizertor winden sich knüppelharte Saumpfad-Touren-Klassiker – diese Übergänge wurden schon in frühchristlichen Zeiten begangen und nahmen ab dem Mittelalter noch an Bedeutung zu. So manche Viehherde wurde in den Jahrhunderten von den Montafoner Hochalpen ins Prättigau geraubt – und im nächsten Sommer wieder zurückerobert. Die zerfurchten Übergänge wie das Schweizer- oder das Drusentor waren gleichermaßen auch hervorragend zum Schmuggeln von Tee und Tabak geeignet, denn die lange Grenze konnte nur schwer von ein paar Zollbeamten überwacht werden.
Mit einer Last von bis zu 60 kg schlichen die verwegensten Montafoner Schmuggler in stockfinsterer Nacht über die steilen Bergpfade. Sie kannten jeden Stein beim Namen – weswegen es auch eine humorvolle Deutungsart des Namens Montafon gebe, meint Alex grinsend: "Mir munt davun." Wir müssen davon! Sagt’s, und saust weiter dem wunderschönen Tal entgegen.
RUND UM DEN BARTHOLOMÄBERG
Gerade mit dem E-MTB ist die Tour um den Bartholomäberg (oder "Itonskopf", wie die Locals auch sagen) sehr entspannt. Egal, ob auf den Rampen zum Alpengasthof Rellseck oder zum Alp Legi, dem Joch vor der Alpe Latons, die Motoren schieben bei Bedarf gut an. Im Hochsommer sollte man auf dieser Tour übrigens genügend Wasser mitnehmen, nicht immer sind alle Brunnen in Betrieb. Der Sonnenbalkon des Montafons und seine Südhänge heißen nicht ohne Grund so.
Von der wunderschönen Barockkirche Bartholomäbergs (Parkmöglichkeit bei der Kirche) geht es zunächst gemütlich ansteigend an Südhängen vorbei, die vom mittelalterlichen Erzabbau geprägt sind, und an uralten Maisässen auf Asphalt bis zum Gatter oberhalb "Worms", wo die Schotterstraße zum Rellseck beginnt. Die Rampen haben es durchaus in sich, wer trainieren will, schaltet hier in den Eco- oder Tour-Modus.
Am Aussichtspunkt des Alpengasthofes Rellseck bieten sich wunderschöne Ausblicke ins Rheintal, zum hohen Kasten und auf Rätikon und Verwall. Weiter geht es hoch auf teils steileren Rampen zum Alp Legi – neben dem Christbergsattel ein weiterer Übergang ins Klostertal.
Bei der Alpe Latons empfiehlt sich eine Einkehr: Frischer Käse, Brot und eine Jause auf der Alm sind immer eine feine Sache, denn hier steht fernab vom Alltag die Zeit still. Die Ausblicke hier über das Klostertal mit Gamsfreiheit und Rote Wand sind wieder ganz anders. Flott rollt man weiter zum Einstieg in den Singletrail zur Falle. Der ist größtenteils sehr gut fahrbar, bis auf eine kleinere, steinige Passage zwischendurch – gut, wenn man hier genug Luft zwischen Pedalen und Boden hat. Ab dem Aussichtspunkt Falle fließt der Trail sehr geschmeidig zum Torasee, und weiter geht es schwungvoll zurück zum Fritzensee. Wer noch Elektronen im Akku hat, saust noch mal geschwind retour zum Alpengasthof Rellseck. Die Küche dort ist legendär gut. Zurück geht es entspannt auf Schotter und wieder Asphalt. Auf der Sonnenterrasse des Bergerhofs kann man den Tag ausklingen lassen. Perfekt!
Tour-Daten
Distanz 20 km
Bergauf 900 hm
Fahrzeit netto 2 h
Bedarf
Fahrtechnik mittel
Kondition mittel
Akku 1 x 500 Wh
WORMSER HÜTTE
Diese anspruchsvolle Big-Mountain-Tour ist ein absoluter Klassiker unter den einheimischen Trail-Fahrern und für versierte E-Enduro-Biker genau richtig. Achtung: Bergab ist Singletrail-Fahrtechnik bis S4 (schwer bis extrem) in teils verblocktem Geläuf erforderlich sowie standfeste 200-Millimeter-Bremsen.
Wer Akku sparen will (sonst sind zwei 500-Wh-Akkus notwendig), kann die ersten 1100 hm Anstieg mit der Bahn absolvieren (Bike-Transport kostet extra). Egal wie, ab Schruns wartet selbst mit dem E-MTB ein langer Aufstieg auf Asphalt und Schotter, der nach der Bergstation der Seilbahn und dem Skitunnel so richtig steil wird. Meist ist unterhalb des Tunnels der erste Akku leer. Nach Akku-Tausch wird’s jetzt aber richtig spaßig steil, und bis zur Wormser Hütte wundert man sich nicht mehr, was für Rampen man mit guter Bergübersetzung und Fahrtechnik auf dem E-MTB fahren kann. 11–48 hinten und 14 Zähne vorne sind empfehlenswert – dann ist bergauf auf dieser Strecke alles fahrbar.
Bei Manfred in der Hütte gibt’s leckere Kost und vor der Hütte ein Panorama vom Allerfeinsten. Wir sonnen uns und warten bis nach 16:30 (Seilbahnschluss) mit der Abfahrt. Wer technische Abfahrten liebt, biegt bei den Lawinengalerien links ab, ansonsten geht es geradeaus. Später unterhalb der Bergstation ab der kurzen Schotterstraßen-Passage und einem kleinen Plateau wird es ernst: Der legendäre Lifinar-Trail zieht sich bis fast nach Schruns hinunter. Wer am Einstieg des Trails schon Probleme hat, sollte jetzt bitte umdrehen. Es bleibt längere Zeit genau so steil.
Bitte nicht nur hier auf eine angemessene, Trail-schonende Fahrtechnik achten. Bremsspuren sind auf diesem Trail zu vermeiden, denn es ist kein Bikepark, sondern es handelt sich um einen alpinen Steig. Danke!
Tour-Daten
Distanz 20 km
Bergauf 900 hm
Fahrzeit netto 3:30 h
Technik
Fahrtechnik schwer
Kondition hoch
Akku 2 x 500 Wh
LINDAUER HÜTTE
Wenn wir Eingangs von "offiziellen" und "inoffiziellen" Trails im Montafon gesprochen haben, hier ist die offizielle Tour zur Lindauer Hütte. Wir haben es uns nicht nehmen lassen und die verschiedenen teils zahnigen Tour-Varianten der Einheimischen zur Hütte ebenfalls probiert – die selbstverständlich nur vor Betriebsbeginn oder nach Betriebsschluss der Golmer Bahn bzw. nicht an starken Wanderwochenenden Sinn machen, sonst hat man garantiert den Wandererslalom, und das muss nicht sein.
Vom Speicherstausee Latschau geht es zuerst auf Asphalt und dann sehr knackig auf zunächst steilen Forststraßenrampen stetig steigend, dann in einigen Kehren zur Lindauer Hütte. Das Panorama ist fantastisch. Die gut besuchte Aussichtsterrasse der Hütte füllt sich im Sommer sehr schnell. Die Wartezeit kann man sich mit einem Spaziergang im angrenzenden Alpengarten vertreiben.
Legendäre Vertrider-Touren wurden übrigens durch den Rachen zur Sulzfluh und über die "Bänke" retour zur Tilisunahütte gemacht, auch die Umrundung der Drei Türme über Schweizertor und Drusentor ist legendär, aber super anstrengend und fahrtechnisch fordernd.
Nach der Hütteneinkehr fährt man entweder auf der Forststraße ab, oder nutzt kleine Singletrail/Karrenweg-Varianten entlang der Straße. Bitte auf Wanderer Rücksicht nehmen.
Tour-Daten
Distanz 13 km
Bergauf 750 hm
Fahrzeit netto 1:30 h
Technik
Fahrtechnik leicht
Kondition niedrig
Akku 1 x 500 Wh
BERG UND KULTUR
Das Montafon hat nicht nur für Biker viel zu bieten. an allen Ecken und Enden ist die historischeVielfalt des Tales erlebbar. Angefangen bei den Barockkirchen bis hin zu den aufwändig gestalteten Holzarbeiten an den Häusern.
Anreise mit dem Auto
• Aus Deutschland Pfändertunnel – Rheintalautobahn A14 – Ambergtunnel – Abfahrt Bludenz/Montafon – L188 Montafoner Straße (Silvrettastraße)
• Aus Österreich über den Arlberg – S16 Arlberg Schnellstraße in Richtung Bludenz – Abfahrt Bludenz/Montafon – L188 Montafoner Straße (Silvrettastraße)
Anreise mit der Bahn
Deutsche Bahn oder ÖBB. Die MBS (Montafonerbahn Bludenz–Schruns) fährt alle 30 Minuten zu den Hauptzeiten. www.montafonerbahn.at
Unterkunft
• Hotel Krone, Schruns. Liebevolles Frühstücksbuffet und tolles Essen. Wunderschöne Montafonerstube. www.kroneschruns.at
• Hotel Alpenrose Aktiv- & SPA Hotel Alpenrose. www.spa-alpenrose.at
• Hotel Montafoner Hof. www.montafonerhof.com
Restaurants
• Aktiv- & SPA-Hotel Alpenrose, www.spa-alpenrose.at
Am Bartholomäberg, südseitig und aussichtsreich:
• Hotel Bergerhof, www.hotel-bergerhof.at
• Alpengasthof Rellseck, www.hotel-bergerhof.at
Tourismusverband
Montafon Tourismus GmbH, Montafoner-Str. 21, A-6780 Schruns. Telefon +43/50/6686, E-Mail: info@montafon.at, www.montafon.at