Der Wienerwald liegt im Westen vor den Toren der österreichischen Hauptstadt – ein Teil liegt auf Wiener Boden, ein Teil in Niederösterreich. Im gesamten Gebiet gibt es ein Bike-Streckennetz von über 1250 Kilometern. 80 Kilometer davon sind Trails. Deren Legalisierung bzw. Neubau wurde in den vergangenen vier Jahren in Zusammenarbeit mit dem Biosphärenpark, dem Stift Klosterneuburg, den österreichischen Bundesforsten und weiteren Stakeholdern vorangebracht. Federführend war dabei der Verein WienerWaldTrails. Aktuell konzentrieren sich die Trail-Hotspots weitläufig auf die Region um die Hohe Wand Wiese in Mauerbach und den Trailpark Weidlingbach sowie um den Anninger, der 30 Kilometer weiter südlich bei Mödling liegt. Hier die drei verbindenden Trail-Touren.
Der kurzweilige Spaß-Loop verbindet die beiden Fun-Lines vom Trailpark Weidlingbach und dem Trailcenter – und es geht tatsächlich einmal mit einem entspannten Einrollen auf Forstweg los. In einer Schleife fährt man durch eine wilde, ursprünglich gelassene Kernzone des Biosphärenparks durch kleine Wiener Speckgürtel-Vororte und ab der Windischhütte auf der Kahlenbergerdorf-Route bis nach Weidlingbach. Dort ist die Fun-Line gespickt mit Anliegern und Tables. Noch mehr Airtime gibt es allerdings auf der abschließenden Kenda-Line im Trailcenter, einer Line, die über Crowdfunding finanziert wurde.
Der Trail-Anteil auf dieser Runde ist hoch – über 13 Kilometer geht es flowig dahin durch den Wienerwald. Nach dem ersten Anstieg reicht die Aussicht von der Sophienalpe über ganz Wien bis in die Karpaten. Der Schottenhof-Trail stimmt perfekt auf den Flow-Tag ein und führt auf weichem Waldboden zum Schwarzenbergpark hinunter. Von hier geht es auf die Hameau-Anhöhe, von der mehrere Trails starten. Auf dem Roan-Trail kann man es richtig laufen lassen: 1,5 Kilometer ist er lang und das Gefälle meist sanft. Ausgespuckt wird man nah dem Trailcenter Weidlingbach, wo sich die Flow-Line fast zwei Kilometer durch den Wald schlängelt. Nach dem finalen Anstieg auf der Rückseite der Sophienalpe kommt man schließlich auf die finale Flow-Line des Trailcenters.
Abwechslungsreicher kann man sich eine Enduro-Runde kaum vorstellen. Man startet vom Trailcenter direkt auf den Uphill-Trail und bleibt für 40 Prozent der Tour auf schmalen Pfaden. Den wachrüttelnden Auftakt macht von Hameau der Wurzel-Trail, gefolgt von dem Unteren-Roan-Trail. Auf der anderen Talseite geht es den Hermannskogel halb bergauf, bis man den recht flowigen Sauberg-Trail erreicht. Würziger wird es da schon auf den folgenden Dornröschen- und Schönstatt-Trails: Ruppige Wurzelteppiche und steilere Abschnitte wechseln sich ab mit schnellen Passagen, wo man kanonenrohrartig durch grüne Buchenwaldtunnel schießt. Zum krönenden Abschluss wartet die Enduro-Line im Trailcenter, ein nur leicht modifizierter Natur-Trail.
Beste Reisezeit
Die Saison an der Hohen Wand Wiese beginnt am 1. März. Schon im Mai liegt die Durchschnittstemperatur bei über 20 Grad. Im Sommer kann es recht heiß werden, allerdings bietet der Wald angenehmen Schatten. Ab Mitte November sind die Trails außerhalb des Trailcenters witterungsbedingt gesperrt. In dieser Zeit werden die Trails repariert und/oder neu angelegt, der Schlepplift transportiert keine Biker mehr. Geplanter Eröffnungstermin 2024 des Trailcenters Wien: 1. März!
Anreise
Die Wiener selbst radeln meist bis zum Trailcenter. Schneller wäre man mit der U-Bahn aus der Innenstadt. Wer von Westen anreist, nimmt die Westbahn bis zum Bahnhof Hütteldorf und kurbelt von dort noch sieben Kilometer bis zum Trailcenter Hohe Wand Wiese. Wer mit dem eigenen Auto kommt: auf der A1 bis Auhof vor Wien und knapp fünf Kilometer weiter bis nach Mauerbach.
Trailcenter & Guides
Das Trailcenter in Mauerbach ist Dreh- und Angelpunkt der Wienerwald-Bike-Szene. Von hier kann man direkt auf die Strecken starten und auch Guides, Fahrtechniktraining und Shuttle buchen. Zwischen den Runs bzw. vor und nach der Tour kehrt man hier auch im Bistro ein. Auf der Karte stehen Gerichte wie: Thai-Curry, Pulled Pork Wrap (Bio-Fleisch) sowie lokal gerösteter Kaffee und leckeres Gebäck. Geöffnet in der Nebensaison März/April/Oktober nur am Wochenende. Mai/Juni/September Freitag bis Sonntag und Juli/August täglich.
Infos Trailcenter: Hohe Wand Wiese Wien, Mauerbachstraße 174–184, Wien,
Tel. 0043/1/9346711300, www.hohewandwiese.com/trailcenter
Bikeshop & -Verleih
Direkt im Trailcenter findet man auch den sehr gut sortierten Bikeshop. Zum Verleih stehen Bikes von Scott und Trek bereit (auch E-MTBs und Kids-Bikes) sowie Helme und Protektoren.
Öffnungszeiten: Juli/August täglich, März–Juni & September/Oktober: Freitag–Sonntag. Tel. 0043/664/88192280, www.hohewandwiese.com
Unterkünfte
• Der Name ist Programm: Unweit des Trailcenters liegt Die kleine Pension, die von Elena und Herbert liebevoll geführt wird: süße Zimmer, kräftigendes Frühstück, herzliche Atmosphäre. Adresse: Waldgasse 17, A-3001 Mauerbach, www.diekleinepension.at
• Wer es sich richtig gutgehen lassen will, der checkt im Hotel Schlosspark in Mauerbach ein und genießt die feine Küche und das riesige Wellness-Areal. Hotel Schlosspark, Herzog-Friedrich-Platz 1, A-3001 Mauerbach, www.schlosspark.at
• Weitere Bett&Bike-Betriebe in der Nähe finden sich unter: www.wienerwald.info/bettbike
Einkehren
• Abgesehen vom Trailcenter kann man auf den Runden unter anderem einkehren an der Sophienalpe (www.sophienalp-wien.at) mit Gerichten von Holzhackernockerln bis zum Nutella-Palatschinken.
• Der Flow-Loop führt direkt am kleinen Waldgasthaus Zur Allee (www.zurallee.com) vorbei. Hier wird saisonal-regional gekocht und gebacken – und das vom Fleischlaibchen bis zum veganen Kuchen.
• Auf dem Enduro-Loop liegt das Agnesbrünnl-Gasthaus auf der idyllischen Jägerwiese und serviert gute Hausmannskost.
Infos allgemein
Weitere Informationen zum Wienerwald, zu Events, weiteren Touren und Ausflugszielen gibt es beim Wienerwald Tourismus unter www.wienerwald.info
Erster Tag: Flow-Loop. 30 Kilometer treten und trailen durch den Wienerwald. Idyllische Forstwege bergauf, pipifeine Pfade bergab – teils alte Wege, teils neu angelegte Lines. Der Boden ist mal waldweich, mal klebrig-lehmig. Tag zwei: Enduro-Loop. Noch mehr Höhenmeter, noch mehr Trails. Es wird wurzelig und technisch. Schnell durch grüne Mischwaldtunnel und dicht um Stämme herum. Tag drei: Fun-Loop. Die Halbtagesrunde mit vielen Tables, viel Airtime und am Ende viel Bock, nochmals hochzutreten. Drei Tage rollt man auf heiligem Boden, durch den Biosphärenpark und über Skiwiesen. Man blickt auf Wien und sieht dahinter bis nach Bratislava. Man startet, endet und chillt im Trailcenter. Das wäre der Wienerwald in Kürze. Aber weil’s grad so leiwand ist, wie man hier sagt, hier doch noch die verlängerte Version:
Immer die A1 entlang auf die Hauptstadt zu. Dann, kurz davor, der Wiener Schmäh liegt schon in der Luft, runter von der Autobahn und weiter links Richtung Mauerbach – einfach immer dem Skilift-Zeichen folgen. Wien, die Donau-Metropole, die leiwandste und lebenswerteste Stadt der Welt, liegt in U-Bahn-Weite hinter ein paar Hügeln. 20 Minuten fährt man von Hütteldorf ins Zentrum der 1,9-Millionen-Stadt. Doch hier könnte es ländlicher kaum sein. Durch die Straßen brummt der Traktor, Schilder an Gasthöfen warnen vor frei laufenden Hennen, der Dorfbäcker hat mittags zu.
Und an der Hohen Wand Wiese zieht ein Mini-Skilift Sommerrodler 100 Höhenmeter den Hang hinauf. Rechts aus dem Wald kommen die Biker von den Trails zurück, und links rollen die Kids auf dem Pumptrack. Seit 2017 gibt es das Trailcenter Hohe Wand Wiese. In nur wenigen Jahren sind hier 12 Strecken entstanden. Dazu breiten sich im Halbkreis drumherum die 1350 Quadratkilometer des Wienerwalds aus. Dank des Vereins WienerWaldTrails werden auch hier immer mehr Wege legalisiert.
Erst waren es Freunde aus Wien, die zu schwärmen begannen. Dann pilgerten plötzlich Leute aus dem Alpenraum für einen Stadt & Bike-Trip in den Osten Österreichs und kamen begeistert zurück. Was ist dran am Radeln im Speckgürtel? Patrick zuckt mit der Schulter. Was soll er sagen? Es ist sein Revier. Er hat einen wichtigen Beitrag zum Aufbau geleistet und führt heute das Trailcenter. „Wir zeigen Dir einfach, was wir haben“, sagt er bei einem Verlängerten auf der Trailcenter-Terrasse, „und Du sagst dann, was dran ist am Wienerwald, okay?“ Okay.
Eines ist schon mal auffällig: Es ist Herbst, aber das ist dem sonnenverwöhnten Wienerwald wurscht. Der Herbst, der kommt hier ein Stück später im Jahr, und der Frühling, der kommt früher. Ab Oktober, wenn in den Alpen die Bikeparks unter einer ersten Schneedecke dösen, rüstet Patrick den Lift um und je nach Wetter zieht dieser dann am Wochenende bis Ende November die Biker auf die Trailcenter-Strecken. In die Saison gestartet wird dann bereits wieder am 1. März. Unser Start heute fällt angenehm gemütlich aus: erst noch einen Wrap aus dem Café und frische Bremsbeläge aus dem Shop – ist ja schließlich alles unter einem Dach. Wir blinzeln entspannt in die Sonne, bis Saul zum Aufbruch mahnt.
Ende der Gemütlichkeit. Wer denkt, dass man sich in der Wiener Hügellandschaft entspannt einrollt, hat sich geschnitten. Der Uphill-Trail sorgt gleich mal für die erste Pulsspitze. Erst auf dem Forstweg reicht der Atem wieder für Bike- und Botanik-Fragen. Buchen prägen den Wienerwald, aber auch Eichen, Eschen und Ahorn. Der Laie erkennt „Laub statt Nadel“, Saul und Patrick können etwas differenzierter drauf eingehen. Die beiden haben aber auch die beste Schule hinter sich: Patrick hat an der Uni für Bodenkultur in Wien geforscht und gelehrt, Saul schreibt dort gerade seine Master-Arbeit. Wie gut, dass Horst, der Dritte im Bunde, sich als Marketing-Chef des Donauinselfestes (Europas größtes Freiluft-Festival) mehr mit Bands und Bühnen als mit Flora und Fauna auskennt. Doch gerade er weist entzückt auf die violetten Orchideen-Sprenkel auf der Lichtung. Wir sind auf der weiten Hochebene der Sophienalpe angekommen. Und plötzlich zeigt sich auch die Stadt.
Das Schöne sei, meint Horst, dass „man so schnell raus ist aus Wien – und dann stehst du hier und stehst drüber.“ Saul deutet über die Stadt hinweg auf einen Gebirgszug am Horizont: „Und da hinten, das ist dann schon Bratislava mit den Karpaten.“ Sehr fein. Aber die Stadt mag ihre Tower und Türme haben – der Wald hat seine Trails. Ein naturbelassener, schmaler Pfad setzt den Ton unseres Flow-Loops, der in genau dem Groove weitergeht: Schnell und unverblockt, kurvig, waldweich und gleichzeitig abwechslungsreich geht es dahin auf den Shared Trails, die man sich mit den Wanderern teilt, bis zum Trailpark in Weidlingbach.
Es ist ein kleines, beschauliches Dorf, dieses Weidlingbach, rund 13 Kilometer nördlich der Hohen Wand Wiese. 2016 wurden hier zwei offizielle Bike-Strecken eröffnet. 5000 Stunden ehrenamtliche Bauzeit, Unterstützung von den Grundbesitzern, dem Tourismusverein und zig freiwilligen Helfern, Bikern wie Nicht-Bikern. Sie kamen mit Schaufel, Hacke und sogar Baggern – „und mit Verpflegung“, betont Saul.
Der Filipino-Mountainbikers-in-Austria-Club tauchte mit selbst gemachten Krabbenchips auf, und vom Biosphärenpark gab es Bio-Würstl.
Wieso geht im Wienerwald, was andernorts unmöglich erscheint? Patrick zuckt wieder mit der Schulter: „Es ist jetzt wirklich kein Spaziergang, aber wir hatten von Anfang an Unterstützung, gerade auch vom Biosphärenpark, den Bundesforsten oder dem Stift Klosterneuburg, dem hier viel Grund gehört.“ Eine „himmlische Zusammenarbeit“ meint er mit einem Schmunzeln. Der Nutzerdruck im Wiener Umland ist hoch und die unterschiedlichen Interessen zu managen, nicht einfach. Die Lines in Weidlingbach zeigen mustergültig, wie man das Ganze entzerrt – und machen außerdem mächtig Laune. Genauso wie das Flow-Finale am Trailcenter. Entsprechend gut fließt dann auch das Après-Bike-Getränk.
Als deutlich würziger entpuppt sich der zweite Tag. Wir stehen am Wurzel-Trail, dem Auftakt zu unserem Enduro-Loop, und justieren die Schoner. Der Name ist Programm – der Trail rüttelt wach und schüttelt durch. Wir treten bergauf und zirkeln bergab – immer und immer wieder. Vom ruhigen Roan- zum smoothen Sauberg-Trail, vom struppigen Dornröschen zum saftigen Schönstatt. Es geht technisch über knorrige Wurzeln, aber auch extrem schnell durch grandiose, grüne Buchentunnel. Überhaupt, das Treesurfing! Was für ein Spaß – solange man den Stämmen nicht zu nahe kommt.
Gefährlich wird’s, wenn man versucht, mit den Dreien Reifenkontakt zu halten. Sie kennen den Wienerwald wie ihre Westentasche, haben so gut wie jeden Baum schon persönlich umarmt. Vor allem Saul geht gern mal auf unfreiwilligen Kuschelkurs. Er ist weniger meditativer Waldbader als schwungvoller Treehugger. „Ich habe mich lange gegen das Biken gewehrt“, erklärt der 32-Jährige. Er kommt vom Freeride-Skisport „und im Sommer war ich surfen und klettern. Da wollte ich nicht unbedingt noch einen Sport anfangen.“ Schlecht nur, wenn der Vater aus Vancouver stammt, man die Oma besucht und auf einem alten Bock aus den 80ern so viel Spaß auf den kanadischen Trails hat, dass man noch von Kanada aus ein Bike ordert. Zu Hause habe er dann in seiner Anfangszeit konsequent „keine Fahrt ohne Sturz oder ohne Baumumarmung“ hingelegt.
Null Baumkontakt gibt’s heute, dafür knapp 1200 Höhenmeter bergauf und insgesamt sechs Trails. Der Wienerwald, er fährt auf für uns Biker – von oben bis unten: Die Sonne schießt ihre Strahlen durch das Kronendach, eine kleine Brise bringt den Blätterwald zum Rascheln. Dazu der griffige Untergrund, der die Strecken ohne Schotter auskommen lässt, der so fest und rissig wie Elefantenhaut unter den Rädern liegt. Was hier entstanden ist und weiter entstehen wird, ist – mei, leiwand halt.