Alex Hüfner
· 08.08.2025
Diese Reise nach Wien ist für mich mehr als ein Sightseeing-Trip. Nach zehn Jahren ist es die Rückkehr in die Stadt, in die ich beruflich einige Jahre pendelte. Ich bin wie immer nicht allein, Alex und zwei Räder sind mit dabei. Mittags erreichen wir Wien per Zug. Der Hauptbahnhof empfängt uns mit hellem Licht, klarer Struktur und einem Hauch von Weite. Lang, lang ist es her. Damals habe ich mich durch die Stadt zu- meist per Straßenbahn oder Bus bewegt. Fahrradfahren war keine Option. Die Infrastruktur dafür ist einfach nicht vorhanden. Doch gleich auf den ersten Metern spüre ich: Etwas hat sich verändert.
Zwischen Bahnhof und unserem Hotelliegt ein gut ausgebautes Radwegenetz mit sicherem Leitsystem und flüssigem Verlauf. Es fühlt sich fast wie eine Fahrt durch Amsterdam oder Kopenhagen an. Wien hat aufgeholt, es rollt. Das Wetter ist mild, die Sonne zeigt sich großzügig. Schnell ein Check-in im Hotel, danach zieht es uns sofort an den Donaukanal. Direkt am Wasser führt ein durchgehender Radweg entlang, begleitet von urbaner Kunst, Joggern, Cafés und Bars. Nach der langen Zugfahrt ist diese erste Ausfahrt wie ein Auftakt, der Lust auf mehr macht. Später, bei einem kühlen Getränk am Flussufer, beobachten wir, wie das Licht der untergehenden Sonne sich im Wasser spiegelt. Wien wirkt entspannt, offen, bereit, entdeckt zu werden.
Der zweite Tag beginnt mit einem kleinen Wiener Frühstück, einem Braunen mit Milch und einem Topfenstrudel, ein Hauch von Nostalgie. Am Maria-Theresien-Platz treffen wir Basti von Rebel Tours Vienna, der mit uns per Velo eine Zeitreise durch Wien unternimmt. Gemeinsam radeln wir entlang der Ringstraße, vorbei an Parlament, Rathaus, Hofburg und Oper. Basti liefert uns Einblicke und Anekdoten, erzählt von kaiserlichen Eitelkeiten, historischen Umbrüchen, politischen Symbolen. Vieles erkenne ich wieder, aber diesmal aus einer anderen Perspektive. Nah, beweglich, frei. Im Burggarten begegnen wir Natalie und ihrer Freundin beim Picknick. Auch sie sind mit dem Velo hierhergekommen. Als Einheimische bestätigen sie, was wir bereits spüren.
Alex fragt Natalie, wie sie die Radinfrastruktur in ihrer Heimatstadt empfindet. „Wien hat sich äußerst fahrradfreundlich entwickelt. Dem Fahrrad wurde viel mehr Raum gegeben. Noch ist nicht alles perfekt, aber der Weg stimmt und das Bewusstsein ist da“, erklärt sie. Nach dem Abschied von Basti machen wir uns zu zweit auf den Weg. Zunächst zum Schloss Belvedere, wo wir uns durch die weitläufigen Gärten und später durch die beeindruckenden Sammlungen im Museum bewegen. Gustav Klimts “Der Kuss” zieht mich immer wieder in seinen Bann. Absolute Ruhe im Raum, fast ehrfürchtig. Für einen Moment steht die Zeit still. So langsam knurrt der Magen. Doch dafür gibt es eine Lösung.
Wir fahren vom Schloss Belvedere geradewegs in das generationenverbindende Café „Vollpension“ im 5. Bezirk. Die Atmosphäre ist warmherzig und familiär, junge Menschen übernehmen den Service, Senioren backen Kuchen nach alten Rezepten, erzählen ihre Lebensgeschichten, schenken uns als Gästen ihre Zeit. Wir entscheiden uns für Opa Bertl’s frische Buchteln mit Pflaumenmus und Vanillesauce. Erinnerung werden wach. Ein Tag zum Ankommen und Abschiednehmen.
Am dritten Tag starten wir ganz früh. Unser erstes Ziel: das Hundertwasserhaus. In den Morgenstunden ist es hier noch ruhig, kaum Touristen in der kleinen Gasse. Die verspielte Architektur, die Farbkraft, die Ablehnung gerader Linien, alles wirkt lebendig, organisch, wie ein Gegenentwurf zum Alltag. Friedensreich Hundertwassers Vision von Individualität und Naturverbundenheit lässt sich in jeder Fassade spüren. Unsere heutige Tour, die wir gut mit Zwischenstopps gefüllt haben, führt uns weiter zum Prater, eine der größten Grünflächen Wiens. Das Riesenrad ragt über den Baumwipfeln, ruhig, fast majestätisch. Zwischen dem Glanz vergangener Zeiten und der Leichtigkeit des Vergnügens entfaltet sich hier eine eigene Wiener Atmosphäre, weder laut noch grell, sondern einfach nur ehrlich.
Nach einer Prise Natur mit sattem Grün geht’s zurück ins Zentrum zum Museums-Quartier. Ein ganz besonderer Ort für mich. Urban, kreativ, zurückhaltend, lebendig. Zwischen den Ausstellungen, Innenhöfen und Bars lässt sich die Stadt auf besondere Weise erleben. Einst einer meiner Lieblingsplätze. Oft habe ich mich einfach nur in den Innenhof gesetzt, gelesen, nachgedacht. Heute genieße ich das Hier und Jetzt. Es ist mittlerweile Mittagszeit und von hier aus gar nicht weit zum traditionellen Café Westend, direkt an der Mariahilfer Straße. Messing, Marmor, große Spiegel – klassische Wiener Kaffeehauskultur. Wir bestellen einen kurzen Braunen, ein Holunder-Soda dazu und Apfelstrudel. Der Kellner trägt alles mit stoischer Eleganz, auch das ist Wien. Für den Nachmittag haben wir ein sehr spezielles Ziel ins Visier genommen. Dafür fahren wir acht Kilometer hinaus nach Simmering. Wir besuchen den Wiener Zentralfriedhof. Er ist mehr als eine Ruhestätte, eher ein Park voller Geschichte, Natur, Persönlichkeiten. Wir stehen vor den Gräbern von Beethoven, Brahms, der Familie Strauss und auch Falco. Ein Spaziergang durch Jahrhunderte, beruhigend und beeindruckend zugleich.
Die Zeit in Wien ist nur so verflogen. Schon sitzen wir wieder im Zug und lassen die drei Tage Revue passieren. Kein einziger Moment, in dem wir uns im Verkehr unsicher gefühlt haben. Die Radwege durchziehen die Stadt. Kein plötzliches Ende. Sie sind gut ausgeschildert, sinnvoll verbunden. Wien hat verstanden, dass Mobilität mehr ist als Autofahren. Die Stadt hat Raum gegeben für Bewegung, für Begegnung. Wir haben Geschichte erlebt, Kultur genossen, Menschen getroffen, uns treiben lassen und zu keiner Zeit das Gefühl gehabt, eingeschränkt zu sein. Unsere Fahrräder waren die Schlüssel zu Orten, Erinnerungen und unvergesslichen Momenten. Zum Abschluss dieser Reise bleibt uns nur ein Satz von Kaiser Franz Joseph I. zu zitieren, der es auf den Punkt bringt: Es war sehr schön, es hat uns sehr gefreut. Der nächste Wien-Besuch lässt ganz sicher nicht wieder zehn Jahre auf sich warten.
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Die Tour startet im kulturellen und vielbesuchten Museumsquartier. Von hier aus geht’s zur kaiserlichen Hofburg, vorbei am Volksgarten zur Hofreitschule sowie dem geschichtsträchtigen Michaelerplatz. Kaum hat man diesen überquert, fährt man entlang der prachtvollen Staatsoper und weiter auf der beeindruckenden Ringstraße bis zum urbanen Ufer des Donaukanals, wo sich das berühmte Hundertwasserhaus befindet. Den krönenden Abschluss bietet der traumhafte Blick auf das Barockschloss Belvedere, von welchem man zurück zum Museumsquartier gelangt.
Die zweite Tour verläuft entlang des Donaukanal zunächst sehr urban, mit Street-Art und vielen netten Einkehrmöglichkeiten. Der weitere Weg führt durch das Naherholungsgebiet Donauinsel. Der Rückweg über den Prater mit seinem Wahrzeichen, dem Riesenrad, und weiteren nostalgischen und modernen Fahrgeschäften ist noch einmal eine schöne Abwechslung.
Die Tour führt zunächst wieder durch den Prater in den Bezirk Simmering zum Wiener Zentralfriedhof. Auf dem mit mehr als zwei Quadratkilometer größten Friedhof Österreichs findet man u. a. die Ehrengräber von Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Johann Strauss, Johannes Brahms, Falco und Udo Jürgens. Zurück geht es durch den 3. Bezirk wieder Richtung Ausgangspunkt.
Für die Direktverbindung Berlin – Wien benötigt man circa 8 Stunden mit der Bahn.
Ideal sind die Monate Mai bis Juni sowie September, wenn das Wetter mild und die Stadt in voller Pracht erlebbar ist. Der Hochsommer kann sehr heiß werden.
Wien Mobil Rad - www.wienerlinien.at/wien-mobil/rad
Ein Bikesharing-Angebot der Wiener Linien mit über 3.000 Leihfahrrädern an etwa 240 Stationen in allen 23 Bezirken der Stadt. Flexibel per App buchbar und bereits ab 0,35 €/30 Minute verfügbar.
Pedal Power - Bösendorferstraße 5, 1010 Wien; pedalpower.at
Anbieter für Fahrrad- und Segway-Touren sowie Radverleih (inklusive E- Bikes)
Max Brown Hotel 5th District, Margaretenstraße 92, 1050 Wien
Stylisches Boutique-Hotel mit urbanem Design und entspannter Atmosphäre im trendigen Margaretenviertel
www.wien.info – Offizielles Tourismusportal mit Veranstaltungen, Tipps, Unterkünften
www.falter.at – Wiener Stadtmagazin mit Kulturkalender und Szeneinfos
www.radtouren.at – Österreichweites Radportal mit Tourenvorschlägen
Tipp: Geführte Touren zu Fuß oder per Fahrrad mit Rebel Tours Vienna – ein von den Geschwistern Gabi und Basti geleitetes Tour-Unternehmen, das mit sympathischer brasilianisch-österreichischer Lebensfreude und dem charmanten Wiener Schmäh begeistert. rebeltoursvienna.com
Cafe Vollpension, Schleifmühlgasse 16, 1040 Wien
Ein liebevoll eingerichtetes Generationencafé, in dem Omas und Opas köstliche Kuchen servieren und Wiener Charme versprühen.
Cafe Westend, Mariahilfer Str. 128, 1070 Wien
Traditionelles Wiener Kaffeehaus mit nostalgischem Flair, ideal für eine Pause nach dem Bummeln auf der Mariahilfer Straße.
Zum alten Fassl, Ziegelofengasse 37, 1050 Wien
Uriges Gasthaus mit gemütlichem Innenhof, bekannt für deftige Wiener Küche und historische Atmosphäre.